Aufgetischt: Malheur im »Café français«

Lange Wartezeiten, frankophile Platitüden aber gemütliches Ambiente.

Eigentlich ist es eine traumhafte Location mit hohen Fenstern, viel Tageslicht und tollem Blick auf die Votivkirche. Dennoch ist die Adresse Währinger Straße 6-8 offenkundig ein wirtschaftlich schwieriger Standort, denn in den letzten Jahren sind die dort eingemieteten Gastromen im gefühlten Jahresrhythmus gescheitert. Darunter auch »Jin's Sinohouse«, das durchwegs Lob geerntet hatte. Aber vielleicht wars auch zu anspruchsvoll in der vor allem studentisch frequentierten Gegend. Das »Café Stein« im selben Häuserblock ist ja auch nicht gerade für Haute Cuisine bekannt und ist seit Jahrzehnten zumindest nach außen hin ein Bringer.

Offenkundige Disharmonien zwischen Küche und Service
Das mochten sich auch der Grinzinger Pizza-Wirt René Steindachner und Axl Schreder, bisher Art-Director bei Red Bull Media, gedacht haben und versuchen es mit einem unkomplizierten frankophilen Café-Konzept. Die Einrichtung ist sehr stimmig, gemütlich und hat einen coolen Chic. Auch das Service ist sehr freundlich, allerdings nur zu den Gästen. Denn mit dem Team von Küchenchef Johan Lemineur gibt es noch einige Disharmonien. Da ich die Location von früher gut kenne, dachte ich mir, ich bräuchte nicht zu reservieren, vor allem nicht mitten in den Energieferien. Doch da habe ich mich schwer getäuscht, denn es war gerade noch ein Plätzchen im Raucherbereich frei. Dieser Raum ist höher gelegen und wird von einer halboffenen Küche beherrscht. Und Scharmützel zwischen Küche und Service dürfen Raucher dort erste Reihe fußfrei miterleben: »Was is mit Tisch fünf? Die warten seit einer Stunde auf ihr Essen!«

Frankophile Patitüden
Quiche mit Spinat und Ziegenkäse Café francais © Falstaff/DegenIch musste Gott sei Dank nicht so lange warten, aber für eine Mittagspause sind die Wartezeiten noch zu lang. Die Speisekarte ist sehr schnell überschaubar und strotzt vor frankophilen Platitüden: Französische Zwiebelsuppe, Quiche Lorraine, Coq au Vin, Crème brûlée, Mousse au Chocolat... Eigentlich schade, denn das kennt man ja schon zur Genüge. Gespannt wäre ich auf die Moule frites gewesen, aber die waren leider aus.

Versöhnlicher Abschluss
Die Soupe de Poissons mit Sauce Rouille, Croûtons und geriebenem Gruyère ( 6 €) war geschmacklich sehr gut, doch hätte ich mir doch zumindest einige wenige Fragmente von Meeresbewohnern erhofft, aber die Suppe war zu gut püriert. So einen weichen und geschmacksarmen Gruyère habe ich auch noch nie gegessen, aber das steht vielleicht sinnbildlich für die Wiener Interpretation der französischen Küche. Die Quiche mit Ziegenkäse und Spinat (8 €) war fad, mehr braucht man darüber nicht zu sagen. Erfreulicher das Dessert: die Crème brûlée war tadellos (4,50 €), ebenso die Orangenfilets mit Zimt (4 €). Der weiße Bordeaux vom Château Pierrail Blanc (1/8 l um 3,30 €) ist eine willkommene Abwechslung im momentanen Veltliner- oder Gemischter-Satz-Überangebot. Und noch ein Pluspunkt: Mit Leitungswasser wird nicht gespart und man muss dafür auch nicht bezahlen.

Café francais © Falstaff/DegenOrangenfilets mit Zimt mariniert und Crème brûlée

Trotz allem eine Bereicherung
Insgesamt ist das »Café français« eine erfreuliche Bereicherung in der Wiener Lokalszene, es hat auch nicht den Anspruch, ein Top-Restaurant zu sein. Das Ambiente mit lässigem Chic funktioniert dank der stimmigen Musik, dem avantgardistischem Interieur mit rustikalen Holztischen und nicht zuletzt dank der charmanten Kellner, die trotz kleiner Reibereien mit den Köchen französische Gelassenheit ausstrahlen.

www.cafefrancais.at

von Bernhard Degen

Bernhard Degen
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