Vom gleichsam zuckerfreien Extra Brut bis zum süßen Dry mit 20 oder mehr Gramm Restzucker reicht auch heute noch das Spektrum der Prosecco-Produzenten aus dem Veneto.

Vom gleichsam zuckerfreien Extra Brut bis zum süßen Dry mit 20 oder mehr Gramm Restzucker reicht auch heute noch das Spektrum der Prosecco-Produzenten aus dem Veneto.
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Glanz und Glera: Was Prosecco so besonders macht

Italien ist heute der größte Schaumweinproduzent der Welt – über 700 Millionen Flaschen Prosecco werden jährlich erzeugt. Vor allem die Trauben für den besonders hochwertigen Conegliano Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG werden in einer reizvollen Landschaft mit einigen spektakulären Steillagen gewonnen.

Paolo Bisol weist auf einige alte, knorrige Rebstöcke, die in steiler Lage am Cartizze-Hügel stehen. »Das sind unsere Methusalems, diese Reben sind über 80 Jahre alt. Wenn wir sie gut pflegen, haben sie noch viele weitere Jahre vor sich.« Die Trauben dieser alten Reben bilden die Grundlage für den Prosecco Superiore DOCG Vecchie Viti von Ruggeri. Und Paolo Bisol kennt die Steillagen um die Kleinstadt Valdobbiadene wie seine Westentasche. Über viele Jahre führte er die Kellerei Ruggeri, 2017 wurde Ruggeri Teil der Rotkäppchen-Mumm-Gruppe. Der Cartizze-Hang ist eine besondere Lage im Gemeindegebiet von Valdobbiadene. 107 Hektar ist die Steillage groß, und alle Betriebe möchten einen Anteil daran haben, damit sie auch einen ­Cartizze im Sortiment führen können. Das hat den Preis für Weinland im Cartizze mächtig in die Höhe getrieben. Hochgerechnet auf einen Hektar liegt der bei über einer Million Euro. Wird irgendwo eine kleine Fläche frei, finden sich sofort zahlreiche Interessenten, die bereit sind, solch hohe Summen auf den Tisch zu legen. Traditionell wurde Valdobbiadene Superiore di Cartizze immer als Dry mit einer leichten Restsüße ausgebaut. In den vergangenen Jahren konnte sich aber immer mehr die trockenere Brut-Variante durchsetzen, in der die Finesse des Cartizze besser zur Geltung kommt. 

In den malerischen Steillagen rund um Valdobbiadene werden die Trauben für den besonders hochwertigen Conegliano Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG geerntet. Die Marke Valdo ist nach der »Hauptstadt der Prosecco-Produzenten« benannt.
© Consorzio Conegliano Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG / Arcangelo Piai
In den malerischen Steillagen rund um Valdobbiadene werden die Trauben für den besonders hochwertigen Conegliano Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG geerntet. Die Marke Valdo ist nach der »Hauptstadt der Prosecco-Produzenten« benannt.

Prosecco und Prosecco

Prosecco eroberte in den letzten Jahren die ganze Welt und machte Venetien zur führenden Schaumwein-Region Italiens. Unterschieden werden muss allerdings ­zwischen den Kategorien ­Conegliano Valdobbia­dene Prosecco Superiore DOCG und Prosecco DOC. Von Prosecco Superiore DOCG werden knapp 100 Millionen Flaschen gefüllt. Der große Rest – über 600 Millionen Flaschen – entfällt auf Prosecco DOC. Das klassische Anbaugebiet dafür liegt in der Provinz Treviso. Zwischen den Ortschaften Valdobbiadene im Westen und Conegliano im Osten sind es insgesamt 15 Gemeinden. Im Norden geschützt durch die Dolomiten und von Süden beeinflusst von der milden Adria-Luft entsteht ein Kleinklima, im dem die Reben günstige Voraussetzungen finden. In den sonnigen Lagen erstrecken sich die Weingärten auf Höhen von 50 bis 500 Meter. Die Steilheit der Weinberge ist beachtlich, sie weisen zudem auch schon mal eine Neigung von über 45 Prozent auf. An maschinelle Bearbeitung ist hier nicht zu denken, die Weinberge werden ausschließlich per Hand gepflegt.

Basis für Prosecco ist die ­Glera-Traube,­ ihr Anteil muss mindestens 85 Prozent betragen. Den Rest bilden meist andere, lokale Sorten. Die Glera-Traube zeichnet sich durch zarte Aromatik aus. Damit diese erhalten bleibt, wird Prosecco im Tank­gärverfahren erzeugt. Nach einer Lagerung von drei bis vier Monate ist der Wein versandfertig.

Die Villa Sandi, Namensgeberin des gleichnamigen Produzenten. Das Gebäude aus dem frühen 17. Jahrhundert wurde 
im Stil des Renaissance-Architekten 
Andrea Palladio erbaut.
Foto beigestellt
Die Villa Sandi, Namensgeberin des gleichnamigen Produzenten. Das Gebäude aus dem frühen 17. Jahrhundert wurde im Stil des Renaissance-Architekten Andrea Palladio erbaut.

Fokus Cartizze

Zurück nach Valdobbiadene. Einen hervorragenden Cartizze in Brut-Version gibt es etwa von Villa Sandi, den Rivetta. Die Familie Moretti Polegato, Eigentümer von Villa Sandi, zählt zu den Big Playern im Prosecco-Business. Detail am Rande: Mario Moretti Polegato war als Önologe im Familienbetrieb tätig, bevor er sich in den 1990ern selbständig machte und seither unter dem Markennamen Geox höchst erfolgreich Schuhe und Bekleidung erzeugt. Mit der Marke La Gioiosa ist die Familie auch bei Prosecco DOC massiv vertreten, ihre Produkte sind auf der ganzen Welt bekannt. Unter der Marke Villa Sandi erscheinen die Topprodukte des Hauses. Dabei ist der Name keine bloße Aus­geburt findiger Marketingstrategen, die Villa Sandi gibt es wirklich. Ein Besuch in den hohen Hallen der klassischen Palladio-Villa ist ebenso beeindruckend wie ein Gang durch die unterirdischen Gänge, in denen Tausende Flaschen Sekt und Prosecco lagern. Villa Sandi zählt auch zu den wichtigen Erzeugern von Asolo Prosecco Superiore DOCG, der auf den Hängen um die malerische Stadt Asolo erzeugt wird. Der Nero Asolo Prosecco Superiore DOCG ist nicht nur gut zu trinken, sondern kommt auch in einer sehr gefälligen Aufmachung daher.

Stark auf Cartizze setzt man auch bei Col Vetoraz. Alles andere wäre auch verwunderlich, sitzt der Betrieb doch an einem der höchsten Punkte der Weinstraße, die von Valdobbiadene über Sacol nach Guia führt, genau oberhalb der Cartizze-Lage. Mitte der 1990er-Jahre gründeten Francesco Miotto, Paolo de Bortoli und Loris Dall’Acqua den Betrieb und haben sich seither mit ihren hochwertigen Schäumern einen Namen gemacht. Die Aussicht von ihrem Verkostungsraum ist sagenhaft: Gleich darunter stehen die Reben des Cartizze, Steillagen prägen auch die Hügel ringsum, unten in der weiten Ebene flimmert das Licht. Hier schmeckt Prosecco gleich noch mal besser. Auch die Auswahl ist groß – und fällt schwer. Mit dem knochentrockenen Valdobbiadene Extra Brut 0 beginnen oder doch lieber mit dem etwas geschmeidigeren Valdobbiadene Extra Brut 5, den seine fünf Gramm Restzucker ein wenig weicher machen? Der Abschluss erfolgt auf jeden Fall mit einem duftigen Superiore di Cartizze!

Viva Valdobbiadene!

Die Kleinstadt Valdobbiadene markiert das westliche Ende des Anbaugebietes. Auf dem Gemeindegebiet von Valdobbiadene liegen die meisten Steillagen, im Ort selbst haben viele der führenden Betriebe ihren Sitz. Nino Franco zählt unzweifelhaft dazu. Der Betrieb wird von Primo Franco und seiner Tochter Silvia Franco geleitet. Primo Franco übernahm in den 1970er-Jahren den Betrieb von seinem Vater und setzte konsequent auf Qualität. 1983 erzeugte er den ersten Prosecco Millesimato, also mit Jahrgangsangabe. Überrascht wird so mancher Besucher sein, wenn er gefragt wird, welchen alten Jahrgang man verkosten möchte. Eine Vertikale vom Prosecco? Wer dabei zunächst an einen Scherz denkt, wird bei Nino Franco eines Besseren belehrt. Da reichen die Jahrgänge zurück bis in die 1980er. Neben dem Grave di Stecca, der nicht als Prosecco Superiore läuft und immer erst einige Jahre nach der Lese auf den Markt kommt, ist der Rive di San Floriano das Aushängeschild von Nino Franco.

Giuliano Bortolomiol hatte einen Traum: aus dem Prosecco einen allseits geschätzten Wein zu machen. 1960 kreierte er in seinem Keller in Valdobbiadene den ersten Pro­secco Brut. Damals war es üblich, Prosecco als Dry, also zwischen 17 und 32 Gramm Restzucker, oder Extra Dry (zwölf bis 17 Gramm) abzufüllen. Giulano erkannte, dass ein trockener Prosecco als Aperitif oder Einstieg zu einem Essen besser passte. Allerdings benötigt man dafür hochwertigeres Traubenmaterial. Heute hat sich Brut allgemein durchgesetzt, immer mehr Prosecco wird sogar als Extra Brut abgefüllt, also mit minimalem Restzucker. Mit Giulianos Töchtern Maria Elena, Elvira, Luisa und Giuliana ist die Führung von Bortolomiol heute fest in Frauenhand. Mit dem Grande Cuvée del Fondatore, ein ­Extra Brut aus den Steillagen in San Pietro di Barbozza, haben sie ihrem Vater ein ­prickelndes Denkmal gesetzt.

Mit dem Gründungsjahr 1938 zählt ­Valdo zu den ältesten Betrieben in Valdobbiadene. 1941 taufte Sergio Bolla den Betrieb Valdo – für Valdobbiadene –, und bereits 1958 verließ der erste Prosecco Marca Oro den Keller. Heute, zwei ­Generationen später, ist daraus der Val­dobbiadene Conegliano Prosecco Superiore DOCG Marca Oro geworden, der Pro­secco Superiore mit der höchsten Produktionszahl. Mit der Cuvée di Boj und der Cuvée del Fondatore hat Valdo zudem zwei richtige Prosecco-Hochkaräter im Sortiment.

Zu den Qualitätsbotschaftern des Prosecco – sowohl Superiore als auch DOC – gehört auch die Marke Mionetto. Der von Francesco Mionetto 1897 gegründete Betrieb wurde Anfang dieses Jahrtausends von der deutschen Oetker-Henkell-Gruppe übernommen, wo man den großen Prosecco-Boom schon voraussah. Heute ist die Flasche mit der charakteristischen orange­farbenen-Banderole in aller Welt verbreitet. 

Zwei Mal A

A wie Adami, A wie Andreola – zwei weitere Topbetriebe für Conegliano Valdobbiadene Prosecco Superiore DOCG. Seit über 90 Jahren erzeugt die Familie Adami Prosecco. Franco Adami ist ein ausgewiesener Tüftler, der ständig nach Verbesserungen strebt. Sein Vigneto Giardino ist einer der großen Lagenweine, die im Prosecco-Jargon als »Rive« bezeichnet werden. Seit dem fernen Jahr 1933 wird dieser spezielle Prosecco erzeugt. Entgegen dem allgemeinen Trend zu immer trockenerem Prosecco füllt Adami den Vigneto Giardino immer noch als Dry mit einem Restzuckergehalt von rund 20 Gramm ab. Franco Adami meint, dass die fruchtigen Noten des Giardino so am besten zur Geltung kommen.

Der Keller von Andreola liegt in Farra di Soligo auf halbem Weg zwischen Valdobbiadene und Conegliano. Stefano Pola führt den Betrieb in zweiter Generation und machte in den letzten Jahren Andreola zu einem der führenden Betriebe des Gebietes. Gleich fünf verschiedene »Rive« führt Andreola im Programm, einer besser als der andere. Sie alle stammen aus Steillagen, die in den Hügeln zwischen Valdobbiadene und Col San Martino liegen. Im neuen Empfangsraum von Andreola haben Stefano Pola und seine Mitarbeiter zudem ein beeindruckendes Relief des Anbaugebietes geschaffen, wo die verschiedenen Bodenstrukturen und Hanglagen eindrucksvoll veranschaulicht werden – ein wunderbarer Auftakt oder auch ein gelungenes Ende einer Tour durch die Hügel des Prosecco Superiore.

Man sieht: Die Prosecco-Welt des Veneto ist ungemein vielfältig und bietet für jeden Schaumwein-Geschmack etwas. Es lohnt sich, zu probieren!


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Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2023

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Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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