Stephan Ferenczy von BEHF ­Corporate Architects war Projektverantwortlicher für das »YOU.«.

Stephan Ferenczy von BEHF ­Corporate Architects war Projektverantwortlicher für das »YOU.«.
© Markus Kaiser

Hotelrestaurant: Stief- oder Liebkind?

Hotelrestaurants können und wollen nicht wie Restaurants funktionieren – das merkt man immer wieder. Was es braucht, damit ein solcher Ort der Begegnung floriert, ­illustriert am Beispiel des im Herbst 2016 ­eröffneten »YOU.« in Wien.

Urbane Hotels sind sowohl für die Gäste einer Stadt als auch für die Bewohner interessante Orte der Begegnung. Hier kann man in andere Welten eintauchen, die Menschen und deren Dynamik teilen oder einfach nur beobachten. Dieser – unter Umständen voyeuristische – Bedarf an Kommunikation, an Sehen und Gesehenwerden bzw. an Ein- und Untertauchen verlangt nach Strukturen, nach Beziehung und Gliederung, Sitzordnung und Sichtausrichtung. Nur so kann es aus architektonischer Sicht funktionieren. Eine ausgezeichnete Küche, ein einzigartiges Ambiente und ein professionelles und freund­liches Team sind natürlich unerlässlich.

»YOU.« im »Le Méridien«

Ein gutes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist das »YOU.« im »Le Méridien« in Wien. Der Restaurantbereich wurde so verlegt, dass sowohl ein Sichtbezug zur Eingangshalle als auch zur Ringstraße besteht. Damit verlässt das ­Restaurant seine Binnenisola­tion und wird vielmehr zur Schnittmenge der verschiedenen Funktionen eines Hotels mit Aussicht zum Leben der Straße, der Stadt. Der Gast kann also das Restaurant auch betreten, ohne in die direkte Hotelsitua­tion, z. B. die Empfangshalle, die Rezeption etc., geführt zu werden, damit ist eine gewisse Autonomie hergestellt. In diesem Restaurant- und Barbereich dominiert die legere, elegante Aufenthaltsqualität, die wesentlich durch das Interieur in seiner Farbgebung und der Lichtinszenierung entsteht.
Ebenso wird die Dunkelheit der ursprünglich geschlossenen und verbauten Hoflage im ­Zentrum des Hotels, in das man sowohl über das Restaurant »YOU.« als auch über den Hotel­eingang gelangt, durch die Öffnung und Tageslichtflutung des Dachs aufgehoben. Mit zusätzlicher Bespielung der gläsernen Tageslichtdecke durch lebendige, ­üppige Pflanzen als hängende Gärten wird hier das Thema des begrünten intimen Innenhofgartens neu interpretiert, dies schafft Charakter wie sympathische Atmosphäre. Das großzügige Restaurant ist fortan sowohl als Frühstücksraum als auch zu allen Tages- und Nachtzeiten ein von seiner Umgebung positiv geprägter Raum.

Vom Hotel - zum autonomen Restaurant

Hotels funktionieren anders als Restaurants, Hotelrestaurants können und wollen nicht wie Restaurants funktionieren. Die technischen Erfordernisse, wie Buffets, Gleichwertigkeit der Sitzplätze und deren möglichst flexible Zusammenstellbarkeit von Tischen etc., dürfen in ihrem Charakter nicht geleugnet werden, sondern müssen eine gewisse Polarisierung, eine entschlossene Kultivierung und eigene bis eigenwillige Interpretation erfahren. Diese »Absichtlichkeit« – besonders im Format und im Rhythmus – trägt das Hotel­restaurant in seiner Haltung, in seinem Geist.
Dabei spielen die Steuerung und die Gestaltung des Lichtes sowie die möglichst vielseitige Benutzung und »Besetzung« der Sitzmöbel die größten Rollen.
Je besser dies gelingt, desto eher ist es möglich, dem Hotelrestaurant den Charakter eines autonomen Restaurants zu verleihen, das die Gäste besuchen, weil hier das Flair des jeweiligen Ortes erfahrbar ist. Am Beispiel vom »Le Méridien« in Wien ist dies meiner Meinung nach sehr gut zu erleben, das Weltstädtische, aber auch der Wiener Charme, die Eleganz und die Gelassenheit spiegeln sich in der architekto­nischen Aufbereitung wider, d. h., die Materialien, das Raumgefüge, die Farbgebung, die ­Flexibilität des Mobiliars und besonders die Lichtstimmung setzen Akzente, die sich wesentlich vom herkömmlichen Hotelrestaurant unterscheiden, und dazu gehören natürlich auch immer wieder die Speisekarte und das dynamische Team!

Artikel »Hotelrestaurant - ist es Stief- oder Liebkind?« aus Falstaff KARRIERE 01/17. Von Stephan Ferenczy.

Stephan Ferenczy
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