Reitbauer: »Es sollten Antworten gefunden werden.«
Wie kann ein Unternehmen zukünftig am Markt nachhaltig bestehen? Paul Reitbauer schildert seine Sicht als Berater von Reitbauer und Experts im Interview.
PROFI: Kaum ein anderer Wirtschaftszweig wurde von der Corona-Krise so hart getroffen wie die Leitbranche Tourismus. Was sind die größten Sorgen Ihrer Kunden?
Paul Reitbauer: Große Unsicherheiten und wirtschaftliche Überlebensfragen prägen den Alltag. Sorgen wie: Wann kann wieder mit Gästen aus dem Ausland real gerechnet werden? Wie wird sich das Reiseverhalten auswirken? Wird der Betrieb durch das Gesundheitsamt im Falle eines positiven Tests vielleicht wieder komplett geschlossen? Was passiert dann mit den laufenden Kosten? Gehen wertvolle Mitarbeiter verloren, wenn sie nicht alle sofort wiedereingestellt werden können? Viele Betriebe haben massiv investiert, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Sind die finanziellen Hilfen ausreichend, um eine Überschuldung zu vermeiden? Wie lange wird es dauern, bis wieder ähnliche Umsätze wie in der jüngeren Vergangenheit erwirtschaftet werden können? Schaffen wir unsere Liquiditätssicherung? Diese Aufzählung ließe sich noch lange weiterführen.
Inwieweit hat sich aus der heutigen Sicht die Kurzarbeit im Tourismus bezahlt gemacht?
Vorweg: Das österreichische Kurzarbeit (KUA) Modell ist eine sinnvolle und wertvolle Maßnahme. Stadthotels und Ganzjahresbetriebe können sicherlich stärker davon profitieren als Saisonbetriebe, welche oft mit befristeten Arbeitsverträgen arbeiten – derzeit gibt es jedoch keine bessere Option als Kurzarbeit. Trotzdem, was passiert nach Beendigung der Kurzarbeit, wenn die Umsätze kleiner bleiben als vor der Corona Krise? Die Branche benötigt entsprechende weitere finanzielle Unterstützungen, bis die Betriebe wieder selbstständig positiv wirtschaften können.
Kritsch sei demgegenüber auch anzumerken, dass die Zahlungen erst verspätet vom AMS (drei Monate!) eintreffen. So mancher Betrieb wird es nicht erleben, dass er in den Genuss der KUA-Entschädigung kommt, da einige nicht die Liquidität haben, bis der KUA-Ersatz ausbezahlt wird. Da wird wohl die Lösung an den Insolvenzverwalter weiterdelegiert werden. Also auch auf Kosten des Staates, nur auf einer anderen, sehr dramatischen Ebene – die Pleitewelle würde somit nur aufgeschoben werden, aber nicht verhindert.
Welche Maßnahmen empfehlen Sie Ihren Kunden im Moment?
Nach jeder Krise gibt es »den Tag danach«. Auf der betriebswirtschaftlichen Ebene empfehlen wir, nur dann den Betrieb wieder zu öffnen, wenn die Liquidität für mindestens vier bis sechs Monate gesichert ist durch eine gute Aufstellung des Betriebes. Gesichert durch die finanzierende Bank und oder mit Unterstützung der ÖHT. Wenn dem so ist, sollte die erste Maßnahme als auch Ziel eine neue Re-Positionierung als Re-Strukturierung des Betriebes sein. Wie kann mein Unternehmen zukünftig am Markt nachhaltig bestehen?
Was wir auch allen Betrieben und Unternehmern jetzt dringend ans Herz legen: Schöpfen Sie alle Fördertöpfe aus, lassen Sie sich nicht durch teilweise komplizierte Antragsformulare oder Prozessverfahren abschrecken. Setzen Sie sich mit einem Unternehmensberater – gerne auch mit uns – in Verbindung. Gehen Sie gemeinsam die spezielle Situation Schritt für Schritt durch, um die für Ihren Betrieb besten Möglichkeiten und Maßnahmen zu evaluieren. Bitte, was eindeutig in der gegenwärtigen Situation nicht oder niemanden hilft, ist jammern und Schuldige suchen.
Reglementierungen werden weiter an der Tagesordnung stehen. Welche machen Ihrer Meinung nach Sinn?
Es macht großen Sinn, die von der Bundesregierung verhängten Maßnahmen einzuhalten. Man wird abwarten müssen, wie die einzelnen Gäste darauf reagieren. Zwischenzeitlich herrscht ein großes Aufatmen über die Lockerungen in den Hotel- und Restaurationsbetrieben und der Wiedereröffnung. Angesichts der Umstände ist aber noch eine große Skepsis von Seiten der Unternehmer von Hotels und Restaurants vorhanden. Jedoch bin ich überzeugt, dass alle Betriebe bemüht sein werden, uns eine zweite Welle zu ersparen. Einen weiteren »Shut-Down«, z. B. aufgrund einer zweiten Infektionswelle, wollen wir uns gar nicht vorstellen.
Sehen Sie Chancen in dieser Krise?
Leider ist es klar und offensichtlich geworden, dass die jetzige Wirtschaftskrise ungeniert die wirtschaftlich schwache Verfassung vieler touristischer Betriebe Österreichs – trotz des fast zehnjährigen Booms – aufzeigt. Im Geist solidarisch, eint hier die Frage der Chance: Was macht die Pandemie aus Gastronomie und Hotellerie? Und was macht die Hotellerie und Gastronomie aus der Pandemie?
Einerseits verschaffen die unterstützenden Möglichkeiten, die uns die Regierung gibt, kurzzeitig Luft, sind aber nachhaltig äußerst riskant für ein Überleben. Und andererseits schafft diese kurzfristige Chance der Krise vielfältige Herausforderungen, da durch all der neuen Regelungen die Betriebe auch gezwungen sind, rasch alle ihre Handlungsweisen zu überdenken. Eine Chance für den »fittesten«, den Neustart bestmöglich zu nützen und zu gestalten; vorausgesetzt die Corona-Krise wird eingedämmt und es kann in der »neuen« Normalität »normal« miteinander umgegangen werden.
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