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Un Spritz, per favore!

Kein Getränk symbolisiert das italienische Dolce Vita so sehr wie der knallorange Aperol Spritz, der nicht nur bei Promis und Influencern hoch im Kurs steht. Beim Zubereiten des italienischen Aperitifs »Spritz« gibt es jedoch unzählige Möglichkeiten: Jeder Likör kann im Handumdrehen »gespritzt« werden, es braucht dazu nur Prosecco, Wasser und Eis.

Der »Aperitivo« gehört zur italienischen Kultur wie Fußball, Pizza und Pasta. Man trifft sich bereits am Nachmittag mit Freunden und trinkt ein paar Gläschen, am liebsten natürlich draußen bei schönem Wetter. Dazu gibt es Häppchen, und hat man danach noch Hunger, zieht man weiter und geht noch irgendwo essen. Kein Getränk passt besser zu diesem Ritual als der Spritz – denn durch die im Likör enthaltenen Bitterstoffe und den tiefen Alkoholgehalt soll er den Appetit anregen, ohne gleich betrunken zu machen.

Die Wurzeln des beliebtesten Sommercocktails der Welt gehen auf das 19. Jahrhundert zurück, als Nordostitalien einige Jahrzehnte lang zu Österreich gehörte. Die Österreicher hatten schon damals die Angewohnheit, ihren Wein mit Wasser zum »G’spritzten« zu verdünnen und brachten diese zu den Venezianern. Diese wandelten den Namen in »Spritz« um und begannen, beim Rezept zu experimentieren. Stiller Weißwein wurde durch Prosecco ersetzt, es wurde Süßwein beigemischt, der irgendwann Anfang des 20. Jahrhunderts durch beliebte Kräuterliköre ersetzt wurde. Obwohl auch heute noch eine Vielzahl verschiedener Liköre für Spritz verwendet werden – zum Beispiel Campari oder Select, der in seiner Heimatstadt Venedig besonders beliebt ist –, wird Spritz oft als Synonym für »Aperol Spritz« verwendet. Der Klassiker besteht aus zwei Teilen Aperol, drei Teilen Prosecco und einem Schuss Mineralwasser, serviert auf Eis mit einem Orangenschnitz. As simple as that.

Erfunden wurde der Kultlikör Aperol von den Barbieri-Brüdern aus Padua, die 1912 die Destillerie ihres Vaters übernahmen und satte sieben Jahre an dem Rezept tüftelten, bevor sie es im Jahr 1919 an der internationalen Messe in Padua präsentierten. Der mit Chinarinde, Rhabarber, Enzianwurzel, Zitrusfrüchten und Kräutern aromatisierte Likör hatte einen geringen Alkoholgehalt von rund 11 Volumenprozent, weswegen er an »Frauen und Sportler« vermarktet wurde. »Gespritzt« wurde der Likör erst ab den 1950er-Jahren, was die Beliebtheit in seiner Heimatregion drastisch steigerte.

Der Aperol-Spritz-Boom

Seinen eigentlichen Siegeszug trat Aperol Spritz allerdings erst im neuen Jahrtausend an, als Campari die Marke aufkaufte. Mit einer geschickten Marketingkampagne schaffte es die Firma, Aperol Spritz innerhalb weniger Jahre zum beliebtesten Drink Europas zu machen. Dafür schuf Campari Partnerschaften mit angesagten Bars, die den Cocktail auf ihre Getränkekarten nahmen. Anfangs tauchte der Aperol Spritz so in den angesagten Bars des Mailänder Trendviertels Brera auf, von hier aus eroberte er den Rest der Stadt und anschließend ganz Italien.

Ähnlich lief es in anderen Ländern, bis ganz Europa vom Aperol-Spritz-Fieber ergriffen war. Seither steht Spritz für italienische Geselligkeit und Dolce Vita. Mittlerweile findet man den Cocktail auch in jeder gut sortierten Bar des amerikanischen Kontinents. Hollywood-Größen wie Reese Witherspoon und Benedict Cumberbatch schwärmten bereits öffentlich für ihn, in den gängigen sozialen Netzwerken tauchen jedes Jahr pünktlich zum Sommeranfang Bilder des Kultgetränks auf und in der zweiten Staffel der Hit-Fernsehserie »White Lotus« schlürften die Darsteller regelmäßig Aperol Spritz aus großen Weingläsern.

Aperol Spritz erfreut sich aber nicht nur wegen seines Erfrischungspotenzials großer Beliebtheit, auch die charakteristische knall­orange Farbe trägt zu seinem Erfolg bei. Dies bestätigt auch die deutsche Farbexpertin und Künstlerin Silvia Regnitter-Prehn. Nicht nur sei Orange eine Farbe der Lebensfreude und -lust, sie wirke auch erfrischend und – wie Aperol selbst – appe­titanregend. »Orange wirkt außergewöhnlich und signalisiert absolut den italienischen Lifestyle. Das Getränk Aperol Spritz wird von Weitem erkannt und wahrgenommen. Es gibt Marken, die unser Herz höher schlagen lassen und ein Verlangen wecken, was durch die Farbe noch verstärkt wird.«

Kreativität ohne Grenzen

Aperol Spritz ist gekommen, um zu bleiben. Allerdings zeichnet sich in den letzten Jahren ein immer kreativerer Umgang mit dem Spritz-Konzept ab. Neben neuen, speziell dafür entwickelten Likören werden auch bereits existierende Aperitifs überall auf der Welt »gespritzt«. So gibt es zum Beispiel Lillet-Spritz, Italicus-Spritz oder Vermouth-Spritz. Der erfrischende »Limoncello Spritz« war sogar das Sommergetränk 2022. Er wird am besten im selben Verhältnis gemischt wie Aperol Spritz: Zwei Teile Limoncello, drei Teile Prosecco und ein Spritzer Mineralwasser, serviert auf Eis mit Zitronenscheiben. Als Garnitur passen Kräuter wie Minze oder Rosmarin.

Ebenfalls zur Spritz-Verwandtschaft gehört der »Hugo«, der aus Prosecco, Holunderblütensirup und Soda besteht und mit Limette und Minzblättern auf Eis serviert wird. Beim Hugo zeichnet sich ein weiterer Trend ab: nämlich der zu einem reduzierten Alkoholkonsum. Es gibt immer mehr Spritz-Varianten mit wenig oder sogar ohne Alkohol. Neben den italienischen Klassikern Crodino und Sanbitter haben heute viele Firmen alkoholfreie Liköre als Spritz-Basis und vorgemischte Spritz-Getränke im Angebot, wie zum Beispiel den Cinzano Spritz 0% von Pernod-Ricard. Ob mit oder ohne Alkohol, eines steht fest: Auch diesen Sommer wird in den Städten Europas wieder fleißig »gespritzt«. Dass der Kreativität dabei keine Grenzen gesetzt sind, gehört zum Erfolgskonzept des Aperitivo-Drinks und sorgt mit Sicherheit dafür, dass uns das Phänomen Spritz noch einige Jahre lang begleiten wird. Der Spritz ist eben gekommen, um zu bleiben.

Zwei spritzige Rezepte:


Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2023

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Larissa Graf
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