© Lena Staal

Cortis Küchenzettel: Die Jungfer und das Butterbrot

Skandinavischer als Smørrebrød geht gar nicht, das wissen wir alle aus der «Muppet Show». Das wohl elaborierteste Sandwich der Welt schmeckt aber auch unvergleichlich köstlich.

Smørrebrød, Smørrebrød, Römpömpömpöm! Die Melodie, zu der die TV-Kochpuppe der Muppets zu immer neuen, stets absurden Kochabenteuern ansetzte, liegt vielen von uns noch im Ohr. Es war die Zeit, als sogar die Amerikaner meinten, sich über die Untiefen der skandinavischen Kochkunst lustig machen zu dürfen. Stimmt ja auch: Bis zur der Mitte der 2000er-Jahre gab es kaum einen kulinarischen Grund, nach Kopenhagen, Oslo oder Stockholm aufzubrechen – stümperhaft pseudofranzösische Ödnis bestimmte das Essen selbst in den vornehmsten Restaurants, von den endlosen Weiten der skandinavischen Provinz ganz zu schweigen.

Jedoch: Ausgerechnet das als festliches Mittagsmahl seit Jahrhunderten traditionelle Smørrebrød, auf gut Dänisch «Butterbrot», ist eine Delikatesse, die weltweit ihresgleichen sucht. Das unvernünftig reich belegte Roggenbrot gilt Auskennern als vielleicht raffinierteste Form des Sandwiches überhaupt. Sie existiert in zahllosen, meist streng kodifizierten Varianten mit Fisch und Fleisch, mit Kaviar und Ei, sogar mit Kartoffeln und roter Rübe – und wird immer ebenso reichhaltig wie stringent durchdacht garniert. Ihre Vorrichtung verlangt spezielles Wissen kulturhistorischer wie gastronomischer Art ebenso wie fortgeschrittene Handwerkskunst, weshalb es in Dänemark bis heute einen eigenen Beruf gibt, der sich explizit und ausschliesslich der fachgerechten Vorrichtung elaboriert belegter Brötchen widmet – jener der Smørrebrødjomfru, was sich korrekt gegendert als Butterbrotjungfer übersetzen lässt.

Beispiel gefällig? «Sol over Gudhjem», zu Deutsch «Sonne über Gudhjem» (ein für seine Räuchereien berühmter Ort auf Bornholm, Anm.), ist so ein Monument von einem Smørrebrød: Körniges Kastenroggenbrot wird mit der zart salzigen, dänischen Sauerrahmbutter bestrichen. Darauf kommt frisch und heiß geräucherter Hering, frisch filetiert und entgrätet, darauf nicht zu fein geschnittener Schnittlauch und hauchfein gestifteltes Radieschen. Den Abschluss bildet ein Zwiebelring (rote Zwiebel!), in dessen Mitte ganz sachte ein rohes Eigelb platziert wird. Der Gast mahlt grosszügig schwarzen Pfeffer drauf, salzt verhalten und schneidet so, dass der Dotter sich wie sonnige Lava über die Kreation ergiesst. Das ist exorbitant gut, lässt sich aber nur mit fangfrischen, frisch geräucherten Heringen machen – und ist deshalb eine den Dänen vorbehaltene, typisch sommerliche Delikatesse.

Nebenstehendes Rezept ist um nichts weniger aufwändig, lässt sich aber auch in unseren Breiten zurechtmachen. Achtung, wichtig: Dazu trinkt man Bier – und eisgekühlten Aquavit.

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Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2022

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Severin Corti
Severin Corti
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