Löwenzahn gibt kulinarisch viel mehr her, als man denken möge.

Löwenzahn gibt kulinarisch viel mehr her, als man denken möge.
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Endlich wieder Unkraut: Warum man öfter Löwenzahn essen sollte

Löwenzahn, Rerl oder Röhrlsalat ist alles dasselbe und eine der großen Freuden des erwachenden Frühlings – aber auch eine weithin in Vergessenheit geratene. Dabei sind die zart bitteren Blätter seit Urzeiten ein köstliches, frühes Grün aus der Wildnis. Und ganz speziell in Kärnten und der Steiermark!

Als Kind empfand man es schon als Zumutung, in den ersten, eisigen Frühlingstagen hinausgeschickt zu werden, um auf den Wiesen »Regrat« zu stechen, wie die aus Slowenien gebürtige ­Mutter den Löwenzahn nannte. Denn Löwenzahn sammeln, das ist nicht wie Blumen pflücken: Man muss sich schon tief ­hinunterbeugen und die in Rosettenanordnung wachsenden Blätter am Ansatz abschnei­den, damit sich irgendwann, nach mühsam und kreuz und quer in Hockhaltung zurückgelegten Sammelgängen über die Wiese, die Schüssel ­fülle mit den wild gezahnten Blättern.

Aber wenn er dann am Tisch stand, nach gründlichen Waschgängen, der Regrat-, Röhrl-, Rerl- oder einfach Löwenzahnsalat: Dann war die Mühe vergessen und die Freude groß. Angemacht mit Apfelessig, bissl Zwiebel und Kernöl, vermengt mit frisch geschälten, noch ­heißen Erdäpfeln, garniert mit wachsweichen Eiern und übergossen mit herausgebratenen Speckwürfeln samt ihrem ­Schmalz: So war und ist der Löwenzahn eine der ganz ­großen, richtig deftigen, früh grünen, wilden Freuden des Frühlings. Zart bitter, deutlich bissfest und eindeutig wild im Mund, eben deshalb aber auch ein idealer Kontrast zur süßen, wächsernen Cremigkeit der Erdäpfel und dem scharfen Knusper des Rauchspecks – der Löwenzahn ist roh genossen ein wirklich einzigartiges Erlebnis.

Löwenzahn eignet sich auch hervorragend als Honigersatz.
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Löwenzahn eignet sich auch hervorragend als Honigersatz.

Es ist schon bemerkenswert, wie selten diese extrem weit verbreitete, auf allen Konti­nenten, in allen temperierten Klima­zonen vorkommende Pflanze heute noch kulinarisch genutzt wird – noch dazu, wo sie als sehr wertvolle und ­jahreszeitlich frühe Quelle von Vitamin C anerkannt ist. Ihr zweiter therapeutischer Nutzen, der diuretische, ist aber medizinisch nicht ausreichend untersucht. In der Volksmedizin hingegen ist er quer über alle Sprachgrenzen auf bemerkenswerte Weise ­eindeutig: Im Elsass wird der Löwenzahn auch Brunzblume genannt, in England ­»Pissabed«, in Holland »Pissebloem« und in ­Frankreich »­Pissenlit«. Man darf also annehmen, dass die harntreibende Wirkung ­empirisch gut belegt ist.

Nur ganz junge Pflanzen sind zartbitter genug, um als Salat eingesetzt zu werden. Sobald die dottergelbe Blüte an ihrem namensgebenden, hohlen Stiel, dem »Röhrl«, hochschießt, ist es vorbei mit der Freude. Wobei: Die taufrisch geöffneten Blüten, mit Zucker, Zitronenzesten und -saft angesetzt und mazeriert, werden als »Löwenzahnhonig« traditionell bei Husten eingenommen, gleichzeitig regt das Gebräu den Stoffwechsel an, ist bis oben voll mit ­Vitaminen und sekundären Pflanzeninhaltsstoffen… und schmeckt richtig gut. Nicht zufällig hat es bei Veganern längst einen Ruf als köstlicher Honigersatz.

Wer bei uns Löwenzahnsalat genießen will, der ist in weiten Teilen des Landes darauf angewiesen, sich selbst zu bücken und für das Grün in der Küche zu sorgen. Nordwestlich von Graz aber, im Almenland rund um die Fladnitz, hat eine Gruppe von Wirten seit einigen Jahren die Löwenzahnküche als Frühlingsidee wiederentdeckt. Auf almenland.at lassen sich dazu weitere Infos abrufen – die Fotos der Gerichte, auf denen stets reichlich Löwenzahnblüten verteilt sind, lassen aber nicht unbedingt zartbittere Genüsse erwarten.

Im Zweifel ist also selber ­sammeln die einzige Möglichkeit. Hier ein Rezept für Röhrlsalat mit warmen Erdäpfeln, das, sobald das Sammeln erledigt ist, ganz einfach geht und grandios schmeckt.

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Severin Corti
Severin Corti
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