Top 5: Genuss im Shopping-Center
Shoppingmalls und billiges Fastfood? Das Bild ist Klischee – und gehört zunehmend der Vergangenheit an. Einkaufscenter-Betreiber entdecken die Gastronomie als Imageinstrument, um das Verweilen zu forcieren.
In Zeiten des Internets, des bequemen Einkaufs vom Sofa aus, braucht der Einzelhandel zusätzliche Anreize, damit sich die Menschen auf den Weg machen. «Kunden verbinden den Besuch einer Mall mit dem Wunsch nach Erlebnissen. Es reicht nicht mehr, nur die üblichen System-Gastronomen, die man überall findet, zu bieten. Kunden suchen das Individuelle, Konzepte, die sich von anderen markant unterscheiden», so Didi Maier, der mit seinen beiden Shops «DidiLicious» und «The Bakery» im Europark Salzburg reüssiert. Auch Tristan Brandt, Sternekoch im Mannheimer «Opus V» und Geschäftsführer der Engelhorn Gastro GmbH, ist erfolgreich mit seinem mit einem Stern ausgezeichneten Restaurant auf der 6. Etage des Centers «Engelhorn Mode im Quadrat»: «Die Integration von gastronomischen Angeboten erhöht die Frequenz und die Verweildauer der Kunden. Gute Gastro-Konzepte können den stationären Einzelhandel nicht retten. Aber sie können dazu beitragen, dass sich die Kunden länger im Geschäft aufhalten.»
Kunden erwarten das Besondere. Dieser Zusatznutzen, dieses emotionale Erlebnisangebot funktioniert nicht mit liebloser Schnellfütterung: Es sind ideenreiche, frische Genusskonzepte, die das Shoppingangebot bereichern. Gewinner sind die Kunden, die unkompliziert qualitativ hochwertige, phantasievolle und oft regionale Küche geniessen können. Inzwischen legt das Publikum nicht nur beim Einkaufen eine Essenspause ein, sondern kommt gezielt in die Restaurants – und kauft auf dem Weg spontan ein. Machte die Gastronomie in den Shoppingcentern noch vor zehn Jahren 3 bis 5 % des Umsatzes aus, so sind es heute 8 bis 10 %; Tendenz steigend. Statt Masse zählt zunehmend die Klasse, abhängig von der Lage und dem Portemonnaie der Kundschaft.
«Machte die Gastronomie in den Shoppingcentern noch vor zehn Jahren 3 – 5 % der Fläche aus, so sind es heute 8 – 10 %; Tendenz steigend.»
Rüdiger Pleus, Gastro-Berater
Mut zur High-End-Linie
Der Weg der Star- und Sterneküche in die Shoppingumgebung ist neu und funktioniert. Rüdiger Pleus ist Beauftragter des Vorstands des GCSC German Council of Shopping Centers e.V. und hat eine Beratungsfirma für Gastronomie in Shoppingcentern. Er sieht eine klare Aufwertung der Gastronomie im Einkaufsumfeld: «Auch wenn die Qualität der Gastronomie natürlich immer von der Lage eines Shoppingcenters abhängt: Inzwischen gibt es den Mut, Sterneküche und Einkaufserlebnis zu verbinden. Dies darf durchaus als Spitze des generellen Trends zu einem grösseren und gehobenen Gastronomieangebot in Shoppingcentern verstanden werden.» Das zeigt auch der Report «Food and Beverage in Shopping Centers» des Immobilienberatungs-Unternehmens CBRE: 43 % der Befragten vermissen gute Restaurants und 45 % wünschen ein vielfältigeres Angebot an gesunder Ernährung und Bio-Lebensmitteln in den Shopping Centern. 34 % haben den Wunsch nach neuen, unabhängigen Restaurantkonzepten geäussert.
Wie die Gastronomie in Shoppingcentern angesiedelt ist, darüber scheiden sich die Geister: Dezentrale Angebote mit Bars und Cafés oder konzentrierte Gastronomie mit «Foodstrassen» (wie z. B. im Rhein-Neckar-Zentrum in Viernheim) und Foodcourts. Für beide Lösungen gibt es Argumente: Seit seiner Eröffnung vor 20 Jahren funktioniert z. B. der Foodcourt im CentrO in Oberhausen bestens: Verschiedene Gastronomieanbieter nutzen gemeinsame Sitzplätze. Familien kaufen getrennt ihr Lieblingsessen und essen gemeinsam an einem Tisch: Pizza für die Kinder, einen Hamburger für den Vater und Fisch für die Mutter. Sind die Gastronomiestationen im Center verteilt, werden diese gerne als «Parkplatz» für und von Männern genutzt, während die Frauen ausgiebig shoppen. Massgeschneiderte Happiness für alle.
«Smart steht für schnell und schlau, was in unserem Fall heisst, dass wir schnell und gesund kochen.»
Didi Maier, Gastronom
«DIDIlicious» und «The Bakery»
Yin und Yang im Europark in Salzburg
Seit September 2014 logiert Didi Maier mit seinem Restaurant «Didilicious» für gesunde, junge Küche, Food-Kiosk und eigener Manufaktur auf 200 Quadratmetern im Shopping-Center Europark in Salzburg. Eine offene Showküche und ein Chef´s Table bringen modernen Lifestyle in die Mall. Wie frische, selbstgemachte Pasta funktioniert, können die Gäste live beobachten. «Smart Food» ist das Motto des Jungunternehmers: «Smart steht für schnell und schlau, was in unserem Fall heisst, dass wir schnell und gesund kochen. Die Gäste sind viel gesundheitsbewusster geworden.» Und genau diesen Anforderungen wird er auch in seinem zweiten Lokal «The Bakery» gerecht: «Der Schwerpunkt liegt hier beim Backen. Brot und Gebäck, Kuchen, Torten – dazu Kaffees, Tees und Säfte. The Bakery lädt zum Verweilen ein, zum Erzählen und Diskutieren. Es ist eine Kommunikations-Zone im schönsten Sinn.» Als Yin und Yang bezeichnet Maier seine beiden Konzepte liebevoll. Wesentlicher Kalkulations-Faktor in einem Shopping-Center: die oftmals sehr junge Zielgruppe konsumiert tendenziell weniger Alkohol. «Das zu kompensieren funktioniert mit selbstgemachten Getränken wie den Bloomy Brews und unserem eigenen Detox-Programm wunderbar.»
Se7en Oceans
Fisch am Tisch in der Hamburger Europa-Passage
Die Lage ist fein: Die Europa-Passage liegt direkt an der Alster; allein der Ausblick ist ein Genuss. Das Essen ist feinste klassische Sterneküche. Frisches vom Fisch bietet Fréderic Morel mit seinem Team im «Se7en Oceans», das sich in vier Themenwelten aufteilt: Gourmet Restaurant, Sushi Bar, Carlos André Cigar Lounge und Bar-Lounge. Das «Se7en Oceans» ist sieben Tage in der Woche geöffnet.
Opus V
Casual Fine Dining in der 6. Etage
Wer den Sternehimmel des «Opus V» besucht, fährt mit dem Aufzug vorbei an Etagen eleganter Bekleidung oder nutzt mittags profan die Rolltreppen. Neun Modehäuser gehören zum Familienunternehmen Engelhorn. Seit 125 Jahren fest in der Rhein-Neckar-Region verankert, setzt das Traditionshaus immer wieder Trends. Die Vision: Vielfalt mit allen Sinnen erlebbar machen, etwa durch Genussstationen inmitten der Verkaufsräume, vom weissen Champagnerrondell «Moments» über die «Gipfelkette» als Rastplatz im Sporthaus bis hin zur Nespresso Bar mit hochwertigen Snacks. Längst ist das Modehaus in den Mannheimer Quadraten zu einer der ersten Adressen für Feinschmecker geworden. Die beiden oberen Stockwerke sind der Kulinarik gewidmet: Die 2013 eröffnete grüne Oase «Dachgarten» mit Terrasse bietet Street Food zu kleinen Preisen; die Lounge «Faces» lädt mit kulinarischen Kleinigkeiten zum Verweilen ein. Das «Le Corange» lockt Fischfreunde zum Business-Lunch. Im «Opus V» inszenieren Küchenchef Tristan Brandt und sein Team kreative und authentische Gourmetküche. Dafür gab es 2014 den ersten Stern.
Dachterrasse Hiltl in Zürich
Durchgehend warme Küche vom Buffet
Unten im «PKZ Women» Damenmode auf mehreren Etagen, oben als Krönung ein grünes Restaurant im doppelten Sinne: Ein vielfältiges vegetarisches Buffet in der naturnah gestalteten Umgebung der «Dachterrasse» hoch über der Züricher Bahnhofsstrasse. Eröffnet im Herbst 2015, hat sich das Lokal mit besonderem Ambiente und Angebot schnell zum Magnet für vegetarische und flexitarische Feinschmecker entwickelt. Bar, Café und durchgehend warme Küche vom Buffet sind unkompliziert, schnell und etwas ganz Besonderes durch raffinierte Rezepte. Hiltl hat eine lange Tradition und rühmt sich als «erstes vegetarisches Restaurant der Welt». Mehrere Familiengenerationen haben immer wieder mit dem Zeitgeist kooperiert, zuletzt mit der Eröffnung der ersten vegetarischen Metzgerei.
Freiraum
Temporäres Konzept im Wiener Donauzentrum
«Die Parameter in einem Shopping Center sind komplett anders als auf der Strasse, daher war das Projekt von Anfang an nur auf ein Jahr befristet», schickt Christoph Wagner, Geschäftsführer «Freiraum Coffeeshop», vorweg. Mit Kaffee aus der eigenen Rösterei und gesunden Snacks hat man mittlerweile ein Stammpublikum aufgebaut. «Man muss konstatieren, dass das Gros der Kundschaft im Donauzentrum zu wenig Zeit und Musse mitbringt, um sich für gesunden Genuss zu entscheiden. Die Lage in der Nähe der Ausgänge ist auch nicht optimal, da der Kunde sich bereits auf das Verlassen des Centers einstellt.» Wagner sieht Selbstbedienung per se nicht als Nachteil, jedoch ist die klare Präsentation der Marke ausschlaggebend. Muss der Gast überlegen, was ihn denn erwartet, sei es bereits zu spät.
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