Der Blaue Portugieser reift früher als viele andere Rotweinsorten und kommt auch mit sandigen Böden sehr gut zurecht.

Der Blaue Portugieser reift früher als viele andere Rotweinsorten und kommt auch mit sandigen Böden sehr gut zurecht.
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250 Jahre Blauer Portugieser in Österreich

Tasting: Die 48 besten Blauen Portugieser verkostet und bewertet. Die autochthone Rebsorte hat großes Potenzial, internationale Trendsorten drängten sie jedoch zunehmend ins Abseits.

Wenn man wissen will, wo die traditionsreiche Sorte Blauer Portugieser im Jahr 2021 steht, muss man nur die Weinkarten führender Restaurants oder das Angebot der größten Weinhändler des Landes durchblättern. Die Antwort: nirgendwo. Dabei war der Portugieser noch vor 40 Jahren die am meisten angebaute Rotweinsorte in Österreich. Doch seither wurde die Anbaufläche – völlig gegen den Rotweintrend – um mehr als die Hälfte reduziert und die Sorte in die völlige Bedeutungslosigkeit entlassen.

Nichtsdestotrotz nimmt der Blaue Portugieser in Österreich, gemessen an der bepflanzten Fläche, mit 1265 Hektar immer noch den dritten Rang ein hinter Zweigelt (6300 Hektar) und Blaufränkisch (2800 Hektar), das sind immerhin 8,5 Prozent der heimischen Rotweinfläche und 2,7 Prozent aller österreichischen Weinberge insgesamt. Wobei – etwa die Hälfte aller Portugieser-Weingärten in Österreich hat ein Bestandsalter von 30 oder mehr Jahren.

Warum aber wird dieser immer noch relativ weitverbreiteten Sorte so wenig Liebe entgegengebracht? Ist die Karriere dieser Rebsorte am Ende? Und: Wäre es überhaupt sinnvoll, den Blauen Portugieser vor dem Schicksal anderer heimischer Weinspezialitäten wie dem Neuburger oder dem legendären Zierfandler (von dem es heute keine 80 Hektar mehr gibt) zu bewahren, die Schritt für Schritt verschwinden?

Zudem: Viel ist heutzutage vom »Feinkostladen Österreich« und all den autochthonen Sorten die Rede, die Realität sieht allerdings anders aus. Internationale Varietäten wie Chardonnay, Cabernet Sauvignon oder Merlot stehen heute global in der Gunst der Winzer und Konsumenten – nur allzu oft austauschbar und gleichzeitig mit wenig Aussicht, irgendwann zu den wirklich Besten gezählt zu werden.

Eine historische Sorte

Bis vor vier Jahren hielt sich jahrhundertelang die Mär, der Blaue Portugieser stamme tatsächlich aus Portugal – immerhin hieß er früher auch einmal Oporto-Rebe. Denn in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte der steinreich gewordene Bankier Johann von Fries die Herrschaft Vöslau im Süden Wiens erworben, wo fast ausschließlich Weißweinbau betrieben wurde. Fries, der Rotwein bevorzugte, ließ also auch blaue Reben auspflanzen.

Ein wenig Mährische (Blaufränkisch) gab es bereits, um das Jahr 1770 ließ der Freiherr seinen Hauern »Bündel mit Schnittreben zur Auspflanzung übergeben, die er auf Anraten seines portugiesischen Agenten hatte kommen lassen, um diese so vorzügliche blaue Rebgattung auf seiner Herrschaft Fesselau einzubürgern«. Woher man die Reben tatsächlich bezog, lässt sich heute nicht mehr erschließen, Ende der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts tippten Experten aber bereits auf die Steiermark als Ursprung – was sich fast 200 Jahre später aufgrund von Genanalysen als richtig herausstellen sollte.

Schnell wurden die Vorzüge der frühreifen Rotweinsorte mit ihrem blumigen Duft und milden Charakter erkannt, und sie verbreitete sich unter dem Namen »Vöslauer« zunächst im direkten Umland. Dennoch blieb Rotwein auch weiterhin ein exklusives Minderheitenprogramm in der Region.

Aus dem Jahr 1798 hat sich die Einladung zu einer öffentlichen Weinversteigung erhalten, in welcher der Hofkeller der Herrschaft Vöslau rund 530 Eimer (oder 30.000 Liter) seiner Eigenbauweine, darunter eine kleine Menge Rotweine, anbietet. Verkauft werden »drei Eimer vom 1788er Burgunder Vöslauer, sieben Eimer vom 1795er Burgunder und schließlich zwölf Eimer vom rothen Vöslauer aus 1797« – also insgesamt ganze 1245 Liter Rotwein.

Mit »Burgunder« ist hier die Rebsorte Blaufränkisch, mit »Vöslauer« eben der Blaue Portugieser angesprochen, der dann einige Jahre später auch in der Steiermark unter dem Namen »Feßlauer« in den Weingärten der Herrschaft Herberstein zu finden war.

Rasanter Aufstieg

Der Wiener Kongress von 1813 bis 1815 war nicht nur ein weltpolitisch bedeutsames Ereignis, er veränderte auch die bis dahin im Vergleich zu Paris und London provinziell anmutende kulinarische Welt der Donaumetropole. Der legendäre französische Außenminister Talleyrand brachte Marie-Antoine Carême, den Vater der Drei-Sterne-Küche, nach Wien. Die internationalen Gäste hatten auch die besten Weine der Welt im Gepäck – und siehe da, der Rotwein aus Vöslau konnte mit den besten Burgundern mithalten.

In den folgenden Jahrzehnten eroberte die Rebe das Weinviertel. Ab 1836 entwickel­ten die Grafen Kinsky die Region um Matzen zum zweiten Portugieser-Zentrum in Niederösterreich. Im »Ernestinerberger Weingebirge« bei Prottes lief seit 1838 ein Versuch mit »schwarzen portugiesischen Reben von Vöslau und Gainfarn«, der Wein wurde im legendären Matzener Schlosskeller der gräflich Kinsky’schen Herrschaft verarbeitet. Hier wurden in einem dreigeschossigen, stufenlosen Kreuzkeller mit domartigem Zentralraum auch neuartige Weine wie Eiswein (ausgefroren) oder Feuerwein (durch Mostkonzentration) erzeugt. 

Im Jahr 1843 kreierte ein junger Mann namens Robert Schlumberger in Vöslau zum ersten Mal in Österreich einen Schaum­wein nach Champagnermethode, indem er weißen Grundwein aus blauen Trauben verarbeitete. Er hatte dafür Blauen Portugieser gewählt, aus dem er später auch seinen berühmten Rotwein »Vöslauer Goldeck« entwickelte, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die ganze Welt exportiert wurde. Im Verschnitt mit etwas Blaufränkisch und kleinen Anteilen Cabernet und Merlot wurde der Portugieser so zur Basis des bekanntesten Rotweins und des ersten eingetragenen Markenweins der Donaumonarchie.

Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts hielt der Portugieser auch Einzug in den Weingärten Deutschlands, aber auch in Mähren und Ungarn.

Blumig und mild

Was den Blauen Portugieser spe­ziell in kühleren Weinbaugebieten so beliebt machte, war seine relativ frühe Reife und die Tatsache, dass er in Bezug auf Böden und Lage wenig wählerisch ist. Die Sorte ist auch sehr produktiv, was ihm, ähnlich wie dem Grünen Veltliner, den Ruf eines Massenträgers einbrachte. Legt man es allerdings nicht auf Quantität an und stehen ältere Reben zur Verfügung, dann ergibt der Portugieser durchaus anspruchsvolle und eigenständige Rotweine.

Statt einen unkomplizierten, jung zu trinkenden Jausenwein erhält man dann einen farb­tiefen Rotwein mit blumigen Aromen nach Himbeeren, rotem Cassis und Veilchen, die im Bukett an feine Burgunder oder Côte-Rôtie erinnern, am Gaumen eine gute Frucht, samtige Tannine und frische Struktur. Ein komplexer, qualitätsorientiert vinifizierter Portugieser kann entgegen allen Vorurteilen durchaus gut reifen und zeigt eine unverwechselbare Persönlichkeit.

Der Portugieser von heute

Leider hält sich die Zahl jener Enthusiasten, die den Blauer Portugieser mit Herzblut pflegen, in Grenzen. In Österreich ist heute nach wie vor das Weinviertel die Heimat der Sorte, das Dreieck Schrattenthal, Retz und Haugsdorf ist für den Blauen Portugieser aktuell der Kristallisationspunkt.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Sorte auch in Deutschland heimisch, in den letzten Jahren hat sich der Bestand von fast 5000 Hektar aber um die Hälfte reduziert. Auf sandigen Böden in der Pfalz stehen die alten Reben, welche die vielleicht besten Reserveweine von heute ergeben. Aber auch in Mähren, der Slowakei und in Ungarn bis ins warme Villány gedeihen Portugieser-Reben, die einst sogar den Weg in die Champagne gefunden haben.

Ende 2016 konnte dann endlich die Abstammung der Rebsorte von Experten des Julius-Kühn-Instituts am Geilweilerhof im deutschen Siebeldingen aufgeklärt und die Herkunft in Nordostslowenien, in der ehemaligen Untersteiermark, verortet werden. Mit dem ebenfalls von dort kommenden Blaufränkisch teilt sich die Sorte als natürliche Kreuzung einen Elternteil, die Blaue Zimmettraube. Der zweite Elternteil ist der Grüne Silvaner.

Damit ist sicher: Mit Portugal hat der Portugieser nichts zu tun. Fest steht aber, dass es gut wäre, an geeigneten Standorten an der Sorte festzuhalten. Auch wenn der Portugieser nie der ganz große Rotwein sein wird, so verdient er es, mit seiner eigenständigen Aromatik und seinem sanften Wesen jenen Platz, den er sich in den letzten 250 Jahren erobert hat, auch zukünftig behalten zu dürfen.

Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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