BBQ-Roadtrip im »Lone Star State« Texas
BBQ, das ist purer Genuss ohne Etikette. Das saftige Fleisch mit rauchigem Aroma und feuriger Würze liegt wie nie zuvor im Trend.
Die »Pecan Lodge« ist noch nicht zu sehen, da riecht man sie schon. Der Rauch von brennendem Holz liegt zwischen den alten Backsteinbauten von Deep Ellum in der Luft und vermischt sich mit dem Duft von frisch gegrilltem Fleisch. »Die Nachbarn haben sich noch nie beschwert«, sagt Justin Fourton, der für die Duftschwaden verantwortlich ist und weiß, dass sie ohnehin viel zu köstlich riechen. Mit seiner Frau Diane betreibt er sein Barbecue-Restaurant in Dallas’ wiederbelebtem Trendbezirk und gehört zur jungen Generation der BBQ-Meister. Die modern-rustikale »Pecan Lodge« zählt zu den Newcomern und BBQ-Hotspots in Texas. Die Gäste stehen geduldig Schlange für die beinahe unterarmgroßen Rinderrippen, bei denen das zarte Fleisch vom Knochen fällt. Oder für dicke, saftige Scheiben Rinderbrust mit rauchigem Aroma, das sogenannte Beef Brisket.
Fleisch hat hier Kult-Status
Denn auch wenn Barbecue so etwas wie das Nationalgericht von Texas ist, hat die Begeisterung in den vergangenen Jahren ganz neue Dimensionen angenommen: Überall im »Lone Star State« eröffnen Restaurants, in denen längst nicht mehr nur Cowboys und ganze Kerle Berge von Rinderrippen nagen. In Austin, dem Epizentrum texanischer Alternativkultur, schwören selbst Hipster auf das euphorisch gefeierte »Franklin BBQ«. Der Trend zum Fleischverzicht? Und zur gesunden Ernährung? All das hat an dem Barbecue-Boom nichts geändert.
BBQ ist aber nicht gleich BBQ
In den USA, ja selbst in Texas, gibt es unterschiedliche Varianten, wie im Osten die Sandwiches mit gehacktem Schweinefleisch und scharfer Soße oder im Süden die Cabrito Pits, in denen Zicklein gegart werden. Besonders bekannt ist allerdings das BBQ aus Zentraltexas, dessen Ursprünge auf die Meat Markets im 19. Jahrhundert zurückgehen. Vor allem deutsche Einwanderer, die sich in Städtchen zwischen San Antonio und Austin niederließen, brachten ihre Räucher-Methoden mit in die neue Heimat. Ganz einfach gewürzt, oft nur mit Salz und Pfeffer, garten die Schlachter ihr übrig gebliebenes Fleisch im Rauch brennenden Holzes, um es haltbar zu machen. Das wurde dann zum Kilopreis verkauft und in Fleischerpapier eingewickelt.

Erstes BBQ-Gebot: Sei wild!
Beim »Kreuz Market« in Lockhart ist das alles bis heute so. Die hohe Dichte an exzellenten BBQ-Restaurants hat dem Städtchen den Beinamen »BBQ Capital of the World« eingebracht. »Kreuz Market«, 1900 eröffnet, gehört zu Texas’ BBQ-Institutionen. Wer diesen rustikalen Tempel der Fleischeslust betritt, stößt dort gleich am Eingang auf ein Hinweisschild. »Vegetarier hier rein, normale Leute den Gang runter«, steht darauf. Die Karnivoren, die dem Pfeil folgen, landen in einer Backsteinhalle bei den Pits, den großen, schwarzen Metall-Smokern, und ihrem Master Roy Perez.Die Herren über das Fleisch
Der bullige Mittfünfziger, der auf achtzig Jahre alten Holzblöcken mit lässiger Perfektion das Fleisch schneidet, wirkt wie der Rockstar unter den Pitmasters, unter den Herren über das Fleisch. Perez trägt einen schwarzen Cowboyhut. An seinen Wangen wachsen buschige Elvis-Koteletten. Der King ist auch sein großer Held. Bis nach Graceland im Nachbarstaat Tennessee hat er es trotzdem nie geschafft. Seit 29 Jahren hatte er nahezu keinen Tag frei – so wichtig ist es ihm, dass das Beef hier wie seit jeher gegart wird.
Der reine Fleischgeschmack
Gewürzt wird das Fleisch mit der erprobten Trockenmarinade: Salz, Pfeffer und ein bisschen Cayenne, mehr nicht. »Kreuz Market« setzt schließlich auf den reinen Fleischgeschmack – typisch für das BBQ in Zentraltexas. »Wir wollen hier nichts kaschieren und nichts verstecken«, betont Perez. Soße ist daher tabu, genauso wie Besteck. In der großen Speisehalle wird mit den Fingern gegessen. »Hab keine Angst davor, dich schmutzig zu machen. Sei wild!«
Also einfach jede Tischetikette vergessen und zugreifen: Die Rippen bis auf die letzte Faser abnagen, die Zähne ins köstliche Brisket versenken und herzhaft in die exzellenten Würste mit pfefferiger Note und Jalapeño-Käse beißen. Dass einem dabei der Saft an den Fingern herunterläuft? Egal! »Keiner verurteilt dich, denn alle essen hier auf dieselbe Weise.«
Bei aller Einfachheit ist BBQ aber eine kleine Wissenschaft für sich. Jeder Pitmaster hat seine eigene Herangehensweise, seine favorisierte Gartemperatur, seine Gewürzmischungen. »Es ist mehr, als einfach Fleisch auf den Smoker zu werfen«, sagt Perez, bei dem alles ganz old-school ist. Keine Thermometer. Keine Automatik. »Bei 350 Grad muss man nicht nur gut aufpassen. Die Zubereitungsdauer hängt auch von der Temperatur und vom Wetter ab: An kalten Tagen braucht das Fleisch länger; an heißeren und feuchteren ist es hingegen schneller fertig.« Wann die Briskets auf den Punkt sind, sieht und fühlt er. Drei, vier Jahre hat er gebraucht, um das richtig einzuschätzen.


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