Am 8. März feiert die Welt die Frauen.

Am 8. März feiert die Welt die Frauen.
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Großes Interview zum Weltfrauentag 2022

Anlässlich des Weltfrauentags haben wir sieben Power-Frauen aus der Kulinarik-Branche, darunter Manuela Filippou, Milena Broger und Silvia Heinrich, gefragt, was dieser besondere Tag ihnen bedeutet.

Heute ist Internationaler Weltfrauentag. Im Rahmen dieses bedeutenden historischen Tages haben wir sieben erfolgreiche Frauen aus der Kulinarik-Branche befragt, wie es ist, in einem von Männern dominierten Berufsfeld zu arbeiten und was der Weltfrauentag ihnen bedeuet.

Falstaff hat mit diesen Frauen gesprochen:

Was bedeutet der Weltfrauentag für Sie?

Susanna Paller und Cecilia Havmöller: Für uns ist der Weltfrauentag ein Tag, um genau das zu zelebrieren, wofür wir Frauen seit Jahrhunderten gekämpft haben. Wir sind schon so weit gekommen, aber bei weitem noch nicht dort angekommen, wo wir sein sollten.
Milena Broger: Ein Tag, der speziell den Frauen, ihren Eigenschaften, ihren Errungenschaften gewidmet ist. Gleichberechtigung ist mir nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern im Allgemeinen sehr wichtig. Ich muss sagen, ich bin von Menschen umgeben, denen Gleichberechtigung so wichtig ist, wie mir. Das Thema ist in meinem Leben nicht nur an diesem speziellen Tag wichtig – bei mir ist sozusagen jeder Tag Weltfrauentag. Aber natürlich finde ich es, angesichts des Ursprungs des Tages und der Aktualität des Themas sehr sinnvoll und wichtig, dass der Weltfrauentag ins Leben gerufen wurde und nach wie vor jedes Jahr gefeiert wird.
Pia Strehn: Dieser Tag ist sehr wichtig, um alle Frauen wertzuschätzen und jene Frauen zu ehren, die für die Gleichberechtigung und das Wahlrecht von Frauen in unserer Vergangenheit gekämpft haben. Diese Entwicklung ist nicht selbstverständlich, aber wir haben noch einen langen Weg vor uns.
Silvia Heinrich: Einen Weltfrauentag sollte es meiner Meinung nicht mehr geben müssen, denn wir Frauen haben heutzutage längst die gleichen Möglichkeiten wie Männer. Es ist kein Thema mehr, ob ein Mann oder eine Frau ein Weingut führt. Dennoch sollten Gleichberechtigung, Stimmrecht, Wertschätzung, Achtung der Frauen rund um den Globus selbstverständlich sein, damit Frauen und Männer einander auf Augenhöhe begegnen.
Anna Sophie Tschannett: Grundsätzlich finde ich es sehr traurig, dass es das überhaupt noch in dieser Form braucht. Es sollte jeden Tag so sein. Ich nenne ihn immer den »internationalen Frauenkampftag«. Ich finde es schön, dass auf die Ungerechtigkeiten aufmerkam gemacht wird. Jedoch denke ich auch, dass gar nicht so sehr Frauen aktiv sein sollten, sondern die ganze Gesellschaft. Um die feministischen Anliegen durchzusetzen, müssen alle mitmachen. Ich bin selbst jedes Jahr auf der Kundgebung am Karlsplatz. Damit Bewusstsein geschaffen werden kann, sollten alle mitmarschieren. Für mich ist der 8. März auch der Tag, wo ich mein Unternehmen »Muschicraft« gründe, damit der Jubiläumstag am selben Tag wie der internationale Weltfrauentag ist.
Manuela Filippou: Weltfrauentag sollte prinzipiell jeden Tag sein. Der Tag selbst sollte das darstellen, was die restlichen 364 Tage auch gelebt werden soll: Frauen gleichberechtigen. Nur so können Frauen die gleichen Möglichkeiten bekommen wie Männer, bzw. sich zumindest freiwillig aussuchen ob sie z.B. neben der Familie auch beruflich Karriere machen möchten oder nicht.

Was ist die größte Herausforderung für Frauen in der Berufswelt?

Susanna Paller und Cecilia Havmöller: Die größte Herausforderung ist für uns, ständig unterschätzt zu werden. Aber wir haben gelernt, diese Tatsache mittlerweile in einen Vorteil zu verwandeln und zu nutzen.
Milena Broger: Das ist natürlich sehr individuell. Bei mir persönlich war der Einstieg in die männerdominierte Welt des Kochens sicher eine Art Chance, weil ich eben als Frau »exotisch« war. Das war aber gleichzeitig auch die Herausforderung für mich – mir ging es um die Qualität meiner Arbeit, nicht darum, eine Frau zu sein. Das ist sicher für viele Frauen ein Thema. Hier gibt es allerdings noch viel Aufholbedarf im Bewusstsein der Gesellschaft.
Pia Strehn: Ich habe für mich bewusst den Weg der Selbständigkeit gewählt – wir führen ein Familienweingut. Mir ist es wichtig, unsere Ziele selbst zu wählen und unsere gemeinsame Visionen zu verfolgen. Das ist nicht immer leicht und mit sehr viel Arbeit verbunden, manchmal rund um die Uhr. Aber das nehme ich für diese Art von Freiheit gern in Kauf.
Silvia Heinrich: Für mich war die größte Herausforderung, als alleinerziehende Mutter den Spagat zu schaffen zwischen der Arbeit am Weingut, den vielen Präsentationsterminen auswärts und dem Wichtigsten in meinem Leben, meinen Kindern.
Anna Sophie Tschannett: Das ist schwierig zu beantworten – die Herausforderungen sind so individuell wie die Menschen. Es ist jedenfalls eine Katastrophe, dass Männer mehr verdienen als Frauen, denn es gibt auf dieser Welt kein Argument, das das rechtfertigt. Frauen müssen viel mutiger sein und sich mehr trauen, um im Berufsleben dasselbe zu erreichen. Dazu kommt, dass es für viele Männer schwierig ist, anzunehmen, dass Frauen dasselbe können. Ich werde im Juli zum ersten Mal Mutter – eine große Ungerechtigkeit ist es, Beruf und Mutterschaft unter einen Hut zu bringen, denn da herrschen nach wie vor ganz viele strukturelle Probleme.
Manuela Filippou: Die größte Herausforderung für Frauen ist nach wie vor, sich aus vorhandenen – und durch die Pandemie sich sogar verstärkenden – patriarchalen Strukturen herauszuschälen.

Wie haben Sie sich in Ihrem Beruf bzw. der Männerdomäne durchgesetzt? Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Susanna Paller und Cecilia Havmöller: »Einfach machen« ist unsere Devise. Wir haben gelernt, keine Angst zu haben, selbstbewusst zu sein, dahinter zu stehen und fest an die Dinge und Ziele zu glauben, die man sich vornimmt. Wenn man diesen Gedankengang festigt, spielt es unserer Meinung nach keine Rolle, ob Mann oder Frau.
Milena Broger: Ich habe immer versucht, so offen und unvoreingenommen wie möglich in jede Aufgabe zu gehen. Ob Praktika, Arbeitsplatz oder verschiedene Events oder Auftritte. Sich nicht zu schade zu sein für »minder« scheinende Aufgaben war mir immer ein Bedürfnis. In Japan habe ich zum Beispiel sehr viel Geschirr gewaschen. Ich habe wahrscheinlich mehr Geschirr gewaschen als tatsächlich gekocht. Ich habe diese Zeit genutzt, zu beobachten und zu reflektieren. Diese Eigenschaft ist natürlich für viele auch eine Einladung, meine Arbeitsbereitschaft auszunutzen. Am richtigen Punkt die Grenze zu ziehen, ist hier die Schwierigkeit. So habe ich auch gelernt und begriffen, wie wichtig es ist, für meine Bedürfnisse und Wünsche einzutreten und sie auch zu verteidigen.
Pia Strehn: Mein Erfolgsrezept ist eigentlich ganz simpel – und geschlechtsneutral: Wenn du für eine Sache brennst, dann geh los und verfolge konsequent dein Ziel. Es braucht also eine große Portion Begeisterung! Man muss mit dem ganzen Team eine Vision entwickeln, alle müssen begeistert sein von der gemeinsamen Idee. Eine Herausforderung ist dabei, die Stärken jedes einzelnen zu erkennen und diese richtig einzusetzen, sodass wir gemeinsam unsere Ziele erreichen können. Wir haben bald erkannt, dass wir nur dann gut sind, wenn sich jeder in seiner Position wohl fühlt. Ich habe eine sehr kreative Ader und liebe das Marketing und mit den Menschen zu reden. Meine Brüder wiederum haben andere Stärken. Weiters ist es wichtig, sich nicht zu verstecken, sondern in die Sichtbarkeit zu gehen, was mich vor allem zu Beginn große Überwindung gekostet hat. Es bedeutet, die Komfortzone zu verlassen, sich auf neues Terrain zu begeben und viel mit den Kunden und den Medien in direkten Austausch zu gehen.
Silvia Heinrich: Frauen können nur durch fachliche Kompetenz überzeugen. Es ging mir nie darum, besser als die männlichen Kollegen zu sein, sondern schlichtweg darum, den eigenen Weg mit sehr viel Leidenschaft und Herzblut zu gehen. Aber immer wieder weitergehen, nicht stehenbleiben mit einem Ziel vor Augen. Denn, wenn du das Wein-Gen in dir trägst, spielt es keine Rolle, ob Mann oder Frau und den Rebstöcken ist es auch egal, wer sie pflegt.
Anna Sophie Tschannett: Für mich ist es wichtig, intuitiv zu arbeiten. Da würden sich vermutlich viele Unternehmerinnen und Unternehmer an den Kopf greifen, aber mein Geschäftsmodell ist nicht zahlenbasiert. Immer, wenn ich das anders gemacht habe, bin ich auf den Kopf gefallen. Außerdem ist es für mich von größter Bedeutung meinen Werten treu zu bleiben. Da kann es schon einmal sein, dass ich Kooperationspartnern absage, wenn die Wellenlänge nicht stimmt. Mit meinem »Muschicraft«-Bier habe ich einen wunden Punkt getroffen und es geschafft, dass in einem größeren Kontext über Vulven gesprochen wird. 
Manuela Filippou: Ich habe einen starken Willen, eine gute Ausbildung, Spaß an dem was ich tue – und einen Mann, der mich mein Ding machen lässt und mich unterstützt, wenn ich es brauche oder möchte.

Was hat sich in den letzten Jahren bereits verbessert und wo ist noch dringend Optimierungsbedarf?

Susanna Paller und Cecilia Havmöller: Wir sehen Verbesserung insofern, als mehr Frauen in (bis jetzt noch) Männerdomänen repräsentiert werden. Doch auch hier besteht unserer Meinung nach klarer Optimierungsbedarf. Wir wollen mehr starke Frauen in Zeitungen und Medien sehen. Damit jedes kleine Mädchen auf dieser Welt weiß, sie kann alles schaffen und erreichen, was sie will.
Milena Broger: Die Problematik, die in vielen Ländern tatsächlich noch sehr stark ausgeprägt ist, ist durch Social Media, Datentransparenz und verschiedenste Awareness Aktionen sichtbarer und greifbarer geworden, da besteht kein Zweifel. Allerdings schockiert es mich natürlich sehr, dass selbst in Österreich beispielsweise der Pay-Gap doch noch so groß ist. Ebenfalls die Femizidrate macht mich sehr traurig.  
Pia Strehn: Es hat sich schon vieles verbessert. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich noch nie bewusst benachteiligt gefühlt habe, weil ich eine Frau bin. Ich bin beruflich sehr viel unterwegs, und ich muss sagen, dass auf Kollegen- als auch auf Kunden- und Lieferantenseite die Gespräche ausschließlich auf sehr wertschätzender und hoher fachlicher Basis stattfinden.
Silvia Heinrich: Als ich vor 20 Jahren in das elterliche Weingut einstieg, konnte man die Winzerinnen Österreichs an einer Hand abzählen. Heute gibt es eine Vielzahl an bestens ausgebildeten jungen Frauen. Frauen stehen für eine neue Wein-Generation.
Anna Sophie Tschannett: Das ist schwer zu sagen, weil man in Bubbles lebt. Im Vergleich zu der Situaltion vor zehn bis zwanzig Jahren gibt es zum Glück immer mehr Frauen, die sich äußern und laut sind. Es gibt auch immer mehr Organisationen, wo sich Frauen verbünden. Auch die Gruppe der Personen, die das nicht OK finden, wird größer, das ist gut so und schafft Hoffnung. Was es braucht, ist, dass Frauen trotz Kinder vollständig berufstätig sein können, wenn sie das wollen. Außerdem sollten Frauen, die Zuhause arbeiten, dafür honoriert werden.
Manuela Filippou: Die Awareness des Themas ist jedenfalls besser in der öffentlichen Kommunikation und Wahrnehmung abgebildet. Jetzt müssen wir dringend in die Umsetzungsphase von: Vereinbarkeitsthemen, finanzielle Abgeltung von Kindererziehung und Care-Arbeit inkl. Pensionszeiten, massiver Ausbau der Kinderbetreuung (und hier auch Anhebung der Gehälter der Betreuungskräfte und PädagogInnen) uvm.

Was kann man als Frau selbst tun bzw. was machen Sie, um hier mehr Bewusstsein zu schaffen?

Susanna Paller und Cecilia Havmöller: Wir fungieren als Vorbild. Unser Team besteht aus über 80 Prozent Frauen, die wir fördern und stärken, so gut wir können. Wir scheuen nicht zurück, wir kämpfen stetig weiter und bleiben standhaft.
Milena Broger: Ich bin Köchin, in einer, doch immer noch männerdominierten Branche, selbstständig und führe ein selbstbestimmtes Leben. Das war und ist manchmal schwierig, aber ich kann es nur jeder Frau raten, für ihre Träume einzustehen, sich mit den richtigen Menschen, die ähnliche Wertvorstellungen haben, zusammenzutun, hartnäckig zu bleiben, sich Fehler und Schwächen einzugestehen, aber nicht zu schnell aufzugeben.
Pia Strehn: Selbstbewusst durchs Leben gehen, konsequent seine Ziele verfolgen und anderen Frauen bzw. den Kindern ein Vorbild sein.
Silvia Heinrich: Ich werde mir am Weltfrauentag einen hervorragenden Wein einer Winzerkollegin gönnen, wobei es mir aufgrund der aktuellen Lage in der Ukraine schwerfällt, zu genießen. Denn dort sind Frauen und Kinder die Leidtragenden in einem Krieg, den Männer führen. Daher spenden wir unsere Weine an ein Hilfsprojekt des TSOV um die UNICEF und SOS Kinderdörfer zu unterstützen. Nähere Infos auf unserer Website.
Anna Sophie Tschannett: Es ist nicht wichtig, wie man es tut, sondern, dass man es tut. Ich habe in meinem Freundeskreis immer viel über Feminismus und tabuisierte Themen gesprochen, auch mit Menschen, die das nicht unbedingt gutheißen. Mir ist es wichtig, dass die Menschen in meinem Umfeld verstehen, wozu ich stehe, da nehme ich kein Blatt vor den Mund. Das kann dabei helfen, dass gewisse Stereotypen nicht weiter reproduziert werden. 
Manuela Filippou: Mut machen, zusammenhalten, sich mit anderen Frauen austauschen und Sichtbarmachen, dass sie nicht alleine sind mit ihrem Thema. Das hilft mir persönlich immer am schnellsten. Zu wissen, dass ich mit meinem Thema nicht alleine bin, macht es mir leichter, mich durchzusetzen. Wir müssen – im besten aller Sinne – egoistischer werden. Und wir müssen dringend veraltete familiäre Strukturen und deren gesellschaftliche Akzeptanz hinterfragen und aufbrechen. Das ist keine persönliche Sache, sondern betrifft auch und jetzt vor allem die Politik.

Paula Pankarter
Paula Pankarter
Redakteurin Online
Derya Metzler
Autor
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