KÜCHNETREND: EDELSTAHL KÜCHEN

Titelbild: Spaciges Design: Der Berliner Architekt Sam Chermayeff denkt Küchen neu. Bei ihm sind Elemente freistehend und beweglich; eine Kochinsel ist organisch aus Edelstahl geformt. samchermayeffoffice.com

Wenn Jeremy Allen White als begnadeter Koch, dessen Nerven ständig blank liegen, ums pure Überleben in seinem Restaurant in Chicago kämpft, dann tut er das natürlich in einer ziemlich abgenutzten Industrieküche. Die Flammen gehen in der gefeierten TV-Serie »The Bear« hoch, aber zum Glück ist Edelstahl hitzebeständig. Wenn in dem Gourmet-Thriller »The Menu« (2022) das Küchenpersonal »Yes, Chef!« skandiert, dann strahlt im Hintergrund eine aufgeräumte Edelstahlküche, in der jeder Messingtopf an seinem vorgesehenen Platz hängt.

LANGLEBIG UND HYGIENISCH

Edelstahlküchen stehen für geradlinigen Minimalismus und Perfektion. Sie sind clean und durchdacht. Sie holen ein Profi-Feeling ins Eigenheim, machen aus dem privaten Herd eine perfekte Bühne. Ob gebürstet, poliert oder patiniert, sie sind pflegeleicht, korrosionsbeständig, langlebig und hygienisch. Und zu hundert Prozent recycelbar, was in Sachen Nachhaltigkeit wichtig ist. Nicht nur in der Küche liegen Edelstahloberflächen 2024 im Trend. Sie geben Stühlen, Tischen, Schlafzimmern eine zurückhaltende Kühle, die sich schön mit Vintage-Möbeln kombinieren lässt. Je nach Beleuchtung reflektiert die Oberfläche eine andere Stimmung.

Edelstahl everywhere

Die polnische Innenarchitektin Julia Bimer hat in Warschau eine reduzierte Single-Küche aus gebürstetem Edelstahl entworfen, die mit dem historischen Altbau harmoniert. Die einfache Küchenzeile ist ein Statement: Weniger ist mehr. Der Retro-Charme der Küche verstärkt sich durch die futuristischen Kerzenständer auf dem Teak-Tisch, die Werner Stoff in den 1960er-Jahren entworfen hat, sowie die Vintage-Castelli-Stühle von Giancarlo Piretti. Diese Küche ist zeitlos und doch nostalgisch. Ähnlich wie das Modell »Ego« des italienischen Herstellers Abimis. Architekt Alberto Torsello ließ sich von Küchen aus den 1950er-Jahren inspirieren. Die abgerundeten Ecken geben der Einrichtung etwas Spaciges. Abimis entwirft Einzelanfertigungen für Yachten und Restaurants – und passt auch private Küchen an die jeweiligen persönlichen Begebenheiten an. So retro diese Küche auch wirkt, so modern sind ihre Features wie unsichtbare Scharniere und eine große Auswahl an Koch-Equipment, das sonst nur Profi-Küchen aufweisen.

Aus einem Guss 

Edelstahl steht für zeitlose Eleganz. Ob als einzelnes Element oder als Gesamtkonzept. Der italienischer Möbelhersteller Poliform hat eine sehr funktionale Küche im Sortiment, bei der die Schubladengriffe raffiniert integriert sind. Auch der Stauraum hat dieselbe Oberfläche – und trotzdem wirkt die Küche als Ensemble leicht und hell. Edelstahl eignet sich auch hervorragend für den Outdoor-Bereich. Wer also viel Wert auf ein einheitliches Gesamtbild legt, kann In- und Outdoorbereich bequem kombinieren, damit alles wie aus einem Guss aussieht.

Zitronen-Oberfläche

Dass Metalloberflächen nicht langweilig sein müssen, beweist hingegen der deutsche Anbieter Popstahl schon seit Jahren mit einer Farbenpalette, die seinem Namen alle Ehre macht: Von Zitrone über Tomate bis zu Melisse leuchten die Oberflächen. Oder vielleicht doch eine Küche ganz in Pink? Insgesamt stehen mehr als 200 Farben zur Auswahl, wobei die Popstahl-Küchenmodule aus hundert Prozent vollverzinktem Stahlblech hergestellt werden. So kann den Oberflächen weder Wasserdampf noch Hitze etwas anhaben. Und noch einen Vorteil gibt es: Hat man eine Farbe satt, können die Module neu beschichtet werden. So hat man nachhaltig eine neue Küche, ohne die alte entsorgen zu müssen. Überhaupt liegt bei Küchen Individualität im Trend. Gerade kleine Räume können durch maßgeschneiderte Edelstahlküchen sehr stylisch wirken. Dabei ist neue Kreativität gefragt und dass man nicht immer in denselben festgefahrenen Mustern denkt. Lange ging es in der Küche darum, dass alles aus einem Block und einer Insel besteht. Der Berliner Architekt Sam Chermayeff hinterfragt diesen Ansatz. Für ihn wirke das Konzept des Küchenblocks wie ein Gefängnis, meinte er in einem Interview mit der Architektur-Online-Plattform »BauNetz«. Er betrachte jedes Element als eine Insel für sich. Kühlschränke stehen deshalb manchmal bei ihm auf Rollen und Backöfen auf Stelzen. Diese freistehenden Blöcke geben der Küche etwas Offenes und Improvisiertes. Man kann sie jederzeit verändern. Für eine Berliner Wohnung hat der gebürtige New Yorker, der seit 2010 ein Architekturbüro in Deutschland betreibt, eine Kochinsel mit Induktionsplatten maßgeschneidert, die eine organische Form hat. Sogar an der Spüle gibt es genügend Platz, dass Gäste gesellig beisammenstehen können. Edelstahl gibt der hellen, kleinen Küche aber auch etwas Sci-Fi-Artiges. Sie wirkt wie ein Raumschiff, das in der Stadt gelandet ist. Edelstahl ist eben ein vielseitiger Player: Das Material entführt nicht nur in Profi-Küchenträume, es ist dabei retro und zukunftsweisend zugleich. Beam me up, Chef!