© Maria Ziegelböck

Anna Jermolaewa: So wird der Österreich-Pavillon auf der Biennale 2024

Anna Jermolaewa konzipiert den österreichischen Pavillon für die wetterleuchtende 60. Biennale Arte 2024. Fremdsein ist der in St. Petersburg geborenen Künstlerin vertraut, und so geht allein ihre Vita mit dem diesjährigen thematischen Schwerpunkt, »Strangers everywhere« , in Resonanz. Die 60. Ausgabe des globalen Kunstevents widmet sich thematisch der Fremde, der Migration sowie Fragen nationaler Identität und kultureller Diversität. Flucht hat die russische Dissidentin am eigenen Leib erfahren.    

15.04.2024 - By Verena Schweiger

»Das künstlerische Werk von Anna Jermolaewa zeichnet sich durch genaue Beobachtungsgabe, gesellschaftspolitisches Interesse, konzeptuell-serielle Verfahrensweisen, Leichtfüßigkeit und Witz und die Beherrschung sowie einer Vielzahl von künstlerischen Mitteln wie Video, Fotografie und Installation aus“,  zitierte die Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer die Jurybegründung bei der Bekanntgabe des Österreichbeitrags für die 60. Biennale Arte im Jänner 2023. Im Vorfeld ließ deren Chefkkurator Adriano Pedrosa verlautbaren, dass bei der Biennale 2024 Künstler:innen im Fokus stehen werden, die Flucht und Migration aus eigener Erfahrung kennen. Mittlerweile ist über ein Jahr vergangen, das lange geplante Konzept wird nun in Kürze dem Biennale-Publikum präsentiert. Am 18. April wird der Österreich Pavillon feierlich eröffnet, zwei Tage später wird erstmals die Öffentlichkeit durch die Giardini und das Arsenale schreiten. »Für mich bedeutet die Nominierung, Österreich bei der Biennale Venedig 2024 zu vertreten, eine unglaubliche Ehre und Verantwortung«, sagt die Künstlerin.

Gesellschaftskritische Poesie mit Humor

Die künstlerische Position von Anna Jermolaewa ist zweifelsohne eine Starke. 1989 kam die russische Dissidentin nach Österreich und konnte Dank politischem Asyl bleiben. In ihrer sowjetischen Heimat war die in St. Petersburg geborene Künstlerin Mitbegründerin der ersten Oppositionspartei und Herausgeberin einer regierungs-kritischen Zeitung. 1989 spitzte sich die Sicherheitslage um ihre Person dermaßen zu, dass sie flüchtete. Das Gefühl ein gesellschaftlicher Fremdkörper zu sein ist ihr bisher bekannt. Doch Jermolaewa ließ sich von curricularen Fußnoten nie beeindrucken. Stets legte sie mit ihrem künstlerischen Schaffen den Finger in die Wunden: ihrer Heimat, der Politik, der Gesellschaft und der eigenen Person. »Meine Arbeit basiert auf Konzepten und Installationen, die das Soziale und Politische, den Humor und den Ernst des Menschseins in der Gesellschaft sowie die Poetik des Alltäglichen berühren«, erzählt Anna Jermolaewa über ihr Schaffen.

Vom Ausstellungsreigen zur Biennale

Zuletzt programmierte das Kunsthaus Bregenz im Sommer 2023 eine Personale der Multimedia-Künstlerin. Eng verwoben ist Anna Jermolaewa jedoch mit ihrer Wahl-Heimatstadt Linz, in der sie seit 2019 an der Kunstuniversität eine Professur für Experimentelle Gestaltung inne hat. Im Linzer Schlossmuseum zeigte die Oberösterreichische Kultur GmbH im Herbst 2022 unter dem Titel »Number two« die bis dato umfangreichste Werkschau der Exil-Russin. Kuratiert wurde die Linzer Schau von Gabriele Spindler, die mit Anna Jermolaewa auch den Biennale-Beitrag konzipiert. »An der Arbeit von Anna Jermolaewa schätze ich besonders die Aktualität und gesellschaftliche Relevanz der Themen sowie die künstlerische Qualität und Präzision in der Umsetzung ihrer Konzepte“, so Kuratorin Gabriele Spindler.

 

 

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2022 zeigte das Linzer Schlossmuseum eine umfangreiche Werkschau, kuratiert von Gabriele Spindler.

Österreich Pavillon: Die Sprache des Widersstands

Der gewaltfreier Widerstand innerhalb autoritärer politischer Regime ist ein wiederkehrendes Thema in Anna Jermolaewas Werk, das die Künstlerin auch für die Bespielung des österreichischen Pavillons aufgreift. Die persönliche Migrationserfahrung spielt dabei selbsterklärend eine präsente Rolle. Ihr Blick wechselt dabei von persönlicher Erfahrung zu externer Sichtweise. Unter dem Titel »A Language of Resistance« blickt sie auf die Sprache sowie Ausdrucksformen des gewaltfreien Widerstands.  Anna Jermolaewas Beitrag setzt sich aus Videos, Installationen, Leuchtobjekten, Sound und performativen Elementen zusammen. Neben neuen, extra für die Biennale entwickelten Arbeiten greift die Künstlerin auch auf bestehende Werke zurück und erweitert diese. Der Nationalpavillon ihrer Heimat Russland wird übrigens nicht wie im Jahr 2022 leer stehen. Die russische Föderation stellt ihn für die 60. Biennale dem politisch eng kooperierenden südamerikanischen Staat Bolivien für eine Gruppenausstellung zur Verfügung - kein Aprilscherz!

 

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Auf ihrem Instagram Account zeigte Anna Jermolaewa den Sattelschlepper, in dessen Bauch der Österreich-Beitrag für die 60. Biennale Arte transportiert wurde.

Zur Person

Anna Jermolaewa wird 1970 i St. Petersburg geboren, lebt und arbeitet seit 1989 in Wien und Oberösterreich. Sie floh sie aus der Sowjetunion und erhielt in Österreich politisches Asyl. Sie studierte in den 1990er Jahren Kunstgeschichte an der Universität Wien und Malerei & Neue Medien bei Peter Kogler an der Akademie der bildenden Künste, Wien. Seit 2019 ist sie Professorin für Experimentelle Gestaltung an der Linzer Kunstuniversität. Von 2016 bis 2017 war sie als Gastprofessorin für Kunst in zeitgenössischen Kontexten an der Kunsthochschule Kassel tätig, von 2006 bis 2011 als Professorin für Medienkunst am Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe. Zahlreiche Soloausstellungen, u.a. zuletzt: Schlossmuseum Linz (2022), MAK, Wien (2022), Magazin4, Bregenz (2020), Kunstraum Weikendorf (2018), Museum of the History of Photography, St. Petersburg (2017), 21er Haus, Belvedere, Wien (2016) u.v.a. Gruppenausstellungen u.a. Kunsthaus Graz, Badischer Kunstverein, Leopold Museum, Kunsthaus Zürich, Kunstmuseum Liechtenstein.

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