(c) Alex Lang

Berndt Querfeld: »Weltoffen, aber typisch Wienerisch«

Der traditionsbewusste Kaffeesieder und Unternehmer Berndt Querfeld erzählt im LIVING-Interview vom Wandel, den die Kaffeehauslandschaft in den letzten Jahren vollzogen hat, und was sich selbst im »Café Landtmann« in Zukunft verändern könnte.

23.11.2023 - By Susanna Pikhart

An seinem Stammplatz, dem alten Tisch im ehrwürdigen Wiener Kaffeehaus »Landtmann« am Ring, hat er alles gut im Blick. Und dennoch wechselt Berndt Querfeld gerne regelmäßig die Perspektive. So auch in unserem Gespräch, in dem wir eine kleine Zeitreise machen und darüber reden, was sich in einem typischen Wiener Café nie ändern sollte. Das weiß nämlich kaum jemand besser als der traditionsbewusste Querulant der Kaffeesieder-Szene. Seine Familie betreibt allein in Wien vier Traditionshäuser sowie andere Gastronomiebetriebe und wagt auch Neueröffnungen, wie zuletzt mit dem »Napoleon« in Kagran.

LIVING: Woran erkennt man ein echtes Wiener Traditionskaffeehaus?

Berndt Querfeld: An den Tischfüßen. Wieso gerade an den Tischfüßen? Ja, jedes Kaffeehaus hat seine Tische. Und wenn man darunter schaut, sieht man am Tischfuß, ob es ein Traditionskaffeehaus ist oder nicht. Die meisten Tischfüße kommen nämlich aus China und beherrschen die ganze Welt. Es ist ein kleines Detail, macht aber auch symbolisch den Unterschied aus.

Was ist noch unverzichtbar und typisch?

Man genießt nicht nur den Kaffee, sondern Zeit, Raum und Ort. Es gibt ein großes Kaffeeangebot, keine eingeschränkte Verweildauer, keinen laufenden Konsumzwang. Das ist Luxus. Ein Kaffeehaus ist ein Ort des Treffens und Verweilens. Keiner kommt nur wegen des Kaffees oder, um Hunger zu stillen. Der schnelle Kaffee im »Landtmann«, das tut weh.

Und hinsichtlich Design, Einrichtung, Stil?

Es ist sicher auch die Großzügigkeit, die Proportion der Möbel, etwa eine sehr hohe Lehne, die einem den Rücken freihält. Aber auch edle Materialien, ein eigener Lampenbauer etwa, Tischlerarbeiten, keine Einrichtung aus dem Möbelhaus. Es braucht einzigartige Details, etwas mit einem Wow-Effekt. Etliche Traditionscafés in Wien wurden in den vergangenen Jahren renoviert.

Wie sehen Sie den Wandel in der Kaffeehauslandschaft?

Kaffeehäuser befinden sich alle in einem Prozess. Die meisten haben irgendwann zugesperrt und wieder aufgemacht. Es gibt einige Stilikonen, aber auch die entwickeln sich weiter. Man muss allerdings aufpassen, denn wie bei allem Geschichtsträchtigen gilt: Es kann sich nicht vermehren. Ist eine Burg, ein Schloss, ein Traditionscafé einmal zerstört, kann man es nicht wieder neu aufbauen.

Worin besteht also die Weiterentwicklung?

Es gibt einige interessante Konzepte in Richtung Kaffeehaus 2.0 auf dem Markt – da rede ich nicht von Fastfood-Caféketten. Ob sie sich längerfristig etablieren, wird sich erst zeigen.

Aber hat man es geschafft, in den vergangenen Jahren ein Grand Café neu aufzubauen, das noch in den nächsten 50 Jahren bestehen wird?

Nein, das sehe ich nicht. So gesehen braucht man hier viel Fingerspitzengefühl für Veränderungen … Klar, es muss irgendwo zwischen Disneyland und altvatrisch sein, zwischen gekünstelt und authentisch. Die Leute erwarten bei uns, dass die Zeit ein bisschen stehen geblieben ist. Dennoch möchten sie zeitgemäße Annehmlichkeiten genießen – angepasste Speisekarte, WLAN, mit der Karte statt nur bar zahlen … Das »Café Landtmann«, das Ihre Familie seit 1976 führt, feiert gerade sein 150-jähriges Bestehen. Wie würden Sie es beschreiben? Es ist – und bleibt – ein lebendiger und gemütlicher, ein stilechter und charmanter Ort. Weltoffen und typisch wienerisch.

Keine Veränderungen also?

Doch, aber behutsam. Der Gastgarten muss noch mehr zu einer Wohlfühloase werden. Und wir wollen ein Tanzcafé aufleben lassen. Am 16. November machen wir einen ersten Schritt mit einem gepflegten After-Work-Event und werden sehen, wie das ankommt. Vielleicht machen wir dann einen »Club 1873« im Keller. Außerdem will ich unseren Salon als einen »Versuchsraum« nutzen und hier mit Architekten und Designern eventuell Neues ausprobieren, schauen, wie ein Grand Café der Zukunft aussehen könnte. Wir bleiben gespannt … Ich auch. Im Kaffeehaus wird einem nie fad.

Berndt Querfeld im LIVING Wordwrap

Ihr Lieblingskaffee?

Mokka, kurz, heiß, schwarz.

Welche Mehlspeise dazu?

Lauwarmer Apfelstrudel mit Schlagobers.

Wiener Charme ist …

Granteln – heißt aber nicht unfreundlich.

No-Go im Kaffeehaus?

Den Gästen ein Zeitlimit zu setzen.

Ihr Credo als Gastronom und Cafetier?

Stillstand ist Rückschritt.

Spannender Trend der letzten Jahre …

Hafermilch.

Berndt Querfeld, Gastronom 
»Man muss sich gut überlegen, wie man sich positioniert: Wo bewahrt man Altes, wo geht man mit der Zeit?«

Berndt Querfeld, Gastronom »Man muss sich gut überlegen, wie man sich positioniert: Wo bewahrt man Altes, wo geht man mit der Zeit?«

(c) G. Menzl

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 07/2023

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Lifestyle & Genuss – das sind die zentrale Themen der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 24/03