(c) Tommi Aittala

Klaus Haapaniemi: »Mythen sind lebendig«

Der Finne Klaus Haapaniemi entführt in seinen Entwürfen in eine magische Fantasiewelt bevölkert von Eulen, Füchsen und Hasen. Die Natur seiner Heimat inspiriert ihn – aber auch sein eigener schwarzer Kater. Sogar der isländische Popstar Björk ist ein Fan. Der LIVING-Talk.

16.04.2024 - By Karin Cerny

Klaus Haapaniemi ist einer der bekanntesten finnischen Designer. Aber zugleich ist er auch ein erstaunlich unkomplizierter Mensch. Keine Presseagentur antwortet, wenn man um ein Interview anfragt. Klaus meldet sich persönlich, gibt sofort seine Telefonnummer weiter: »Ruf mich einfach die Tage an, ich habe Mittwoch und Donnerstag Zeit.« Gerade hat der international gefragte Designer für die traditionsreiche finnische Marke Iittala eine neue Geschirrserie entworfen: »Taika Sato« – wobei »Sato« übersetzt »Ernte« bedeutet –, zeigt buntes Obst und Gemüse auf Tellern, Tassen und Vasen.

FINNISCHE WÄLDER

Es handelt sich um ein Update einer Erfolgsgeschichte: Bereits 2007 entwarf Haapaniemi seine erste »Taika«-Serie, auf der Eulen und Pfauen in eine magische Fantasiewelt entführten. Haapaniemi beweist, dass skandinavisches Design nicht minimalistisch sein muss. Seine Entwürfe erzählen Geschichten, die sich im Kopf der Betrachtenden entwickeln. Sie locken uns in finnische Wälder, die voller Märchen- und Fabelwesen sind. Sie zeigen eine wild wuchernde Natur, die manchmal sogar etwas unheimlich sein kann. Kein Wunder, dass der isländische Popstar Björk ein großer Fan ist. Für sie hat er 2017 ein Stoffmotiv entworfen, das von den Lavafeldern inspiriert ist, die in der Nähe von Björks Sommerhaus liegen.

LIVING Waren Sie als Kind ein Fan der Mumins?

KLAUS HAAPANIEMI Klar, für alle in Finnland ist die Fantasiewelt von Tove Jansson sehr präsent. Jede:r hat Erinnerungen und eine Meinung zu ihrer Kunst. Fabeln und Volksmärchen sind ein wichtiger Einfluss für meine Entwürfe. Es gibt so viele davon in Finnland, nicht nur die inzwischen auch international berühmten Mumins. Mythen sind erstaunlich lebendig geblieben, auch die Tradition, sich Geschichten zu erzählen. Vielleicht, weil der Winter bei uns so lange dauert – und es so dunkel ist. Die Leute haben sich Märchen über Trolle, Gnomen, Hexen und seltsame Geschöpfe aus der Natur ausgedacht, um die Fantasie anzuregen.

Wollen Sie mit Ihren Entwürfen Geschichten erzählen?

Ich hoffe, dass die Menschen ihre eigenen Geschichten erfinden, wenn sie meine Designs sehen. Dass sie ihre Vorstellungskraft verwenden, um zu erkunden, was dargestellt ist. Ich bin kein Mann der großen Worte. Ich würde sagen, ich bin ein Geschichtenerzähler, aber auf einer visuellen Ebene.

Geheimnisvolle Welten: Obwohl viele seiner Arbeiten Humor beweisen, liebt Haapaniemi auch das Unheimliche und Unterbewusste. klaush.com

(c) Klaus Haapaniemi

Lavafelder: Für Björk wurde dieses Muster entworfen: »Black Lake« ist aber mittlerweile auch im regulären Handel erhältlich.

(c) Klaus Haapaniemi

hre Entwürfe sind bunt, aber manchmal auch unheimlich.

Das würde ich auch sagen. Es gibt diese Unterströmung, dieses Unterbewusste, das auch dunkel und unheimlich sein kann.

Woher holen Sie Ihre Inspiration?

Ich hatte diese wundervolle Katze, die mich wirklich inspiriert hat. Mein schwarzer Kater hieß Putte und ist auf vielen meiner Entwürfe zu sehen. Er ist leider vor eineinhalb Jahren verstorben. Er war bereits 19 Jahre alt. Aber ich wusste, dass es Katzen gibt, die fast 30 werden. Also habe ich lange gehofft, dass er noch bei mir bleibt. Die Natur fasziniert mich, auch wilde Tiere wie Eulen oder Füchse. Bären und Wölfe leben hier im Norden inmitten der Menschen.

Viele denken bei nordischem Design an Minimalismus. Ein Klischee?

In den 1950er-Jahren, als die modernistische Phase in Finnland begann und alles industriell produziert wurde, wurde Minimalismus zur Norm. Aber vorher war es gerade in Finnland viel reicher an Formen und Farben. Unser Studio ist in einem alten Gebäude im Zentrum von Helsinki. Das Haus wurde von Eero Saarinen entworfen und ist voll mit mytho­logischen Kreaturen wie Trollen und Hexen, die in Holz geschnitzt oder in Stein gemeißelt wurden. Ich finde das sehr inspirierend. Junge Designer:innen versuchen heute verstärkt, ihre Wurzeln zu erkunden.

Auf einem Ihrer Drucke sitzt ein Huhn auf einem Oktopus. Wie wichtig ist Humor in Ihrem kreativen Kosmos?

Man findet ihn in vielen meiner Entwürfe, auch um die Leute staunen zu lassen. Damit man nicht alles gleich versteht, sondern es einen herausfordert, was man da eigentlich zu sehen bekommt. Mit simplem Realismus würde das nicht funktionieren.

Sie haben Ihr Label 2002 gemeinsam mit Ihrer Frau Mia Wallenius gegründet. Was verbindet Sie ästhetisch?

Wir haben beide einen Background in der Mode, aber haben uns zu Beginn mehr für Interior interessiert. Erst später haben wir uns an Kleidung getraut, aber wir wollen Dinge herstellen, die länger halten. Wir wollen zeitloser sein und konzentrieren uns auf Qualität und Nachhaltigkeit. Wir finden, es macht keinen Sinn, so viel zu produzieren. Wir arbeiten auch gern mit Partner:innen zusammen, die wir mögen und verstehen. Iittala war ein perfekter Partner für uns.

Bei den Früchten auf dem Iittala-Geschirr denkt man zuerst, man kennt sie. Aber sie sind ­erfunden, oder?

Das war meine Idee für die Kollektion. Es wäre zu einfach gewesen, Obst und Gemüse zu zeichnen, das es schon gibt. Es sollte um Früchte gehen, die aus meiner Fantasie stammen. Ich denke mir immer, alles, was man sich vorstellt, kann auf die eine oder andere Art existieren – in der Zukunft oder in der Vergangenheit. Ich wollte die Freiheit haben, Farben und Formen zu verwenden, wie ich möchte.

Wie ist der Kontakt zu Björk zustande ­gekommen?

Sie war eine Stammkundin in unserem Shop in London. Und dann hatte sie die Idee, etwas für ihr Sommerhaus in Island entwerfen zu lassen. Sie hat uns von den Lavafeldern erzählt, die in der Nähe ihres Hauses liegen. Wir haben dann maßgeschneiderte Möbel und Teppiche entworfen, um Björk eine Lava-Fantasielandschaft ins Haus zu holen. Der Transport der Gegenstände war allerdings eine Herausforderung. Björks Sommerhaus liegt entlegen, die Straßen waren katastrophal. Und der Timeslot war sehr, sehr kurz, bevor der Winter eine Lieferung unmöglich gemacht hätte.

Sind Sie gerade in Helsinki?

Ja, wir arbeiten in unserem Studio. Gestern haben wir ein Eisloch geschlagen, um nach der Sauna abzutauchen. Es ist gerade alles sehr ruhig, wie im Winterschlaf. Einen Großteil unserer Zeit verbringen wir aber mittlerweile in Berlin. Wir mögen die kreative Stimmung in Kreuzberg. Viele sehen Berlin als urbane Metropole, aber ich nehme mein Rad und verbringe so oft wie möglich den ganzen Tag im Umland, um Seen und Felder zu erkunden und Tiere und Wälder zu beobachten.

Erschienen in:

Falstaff LIVING 02/2024

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