© O. Amsellem

Kunst-Trip CôTE D’AZUR

Die Mittelmeerküste von Marseille bis Nizza war schon immer Sehnsuchtsort für Künstler:innen. Die großen Namen des 20. Jahrhunderts haben hier ihre Spuren hinterlassen und werden in Museen zelebriert, aber auch die junge Kunst-Generation liebt die Sonne des Südens.

29.07.2023 - By Maik Novotny

Van Gogh in Arles, Paul Cezanne in Aix-en-Provence, Picasso in Mougins. Das unvergleichliche Licht und die Farben, die es zaubert. Felsen, Zypressen und Meer. Schöne Körper unter südlicher Sonne. Wohl wenige Landschaften haben die moderne Kunst so tief geprägt wie die Französische Riviera. Museen an der Côte d’Azur und im Hinterland widmen sich heute den Heroen des 20. Jahrhunderts, aber auch die Szenen der Gegenwart sind hier aktiv. Kein Zufall, dass die rastlose Hafenstadt Marseille 2020 Schauplatz der »nomadischen Kunst-Biennale« Manifesta war. Denn dieser kulturell so reiche Landstrich wird ständig von frischem Wind jung gehalten. Sei es in Marseille, dem Tor nach Afrika, mit seiner algerisch-migrantischen Kultur, oder im schon leicht nach Italien duftenden Nizza. Sei es am ewigen Laufsteg Cannes mit seinem Jet-Set oder in den ruhigen Bergdörfern des Hinterlands, die immer wieder Fluchtpunkte und Heimat für Künstler:innen waren. Auf in den Süden, auf in die Sonne, hinein ins Cabrio und auf die Küstenstraße der Kultur!

Header Bild: Ein unvergleichlicher Ort der Kunst Die Fondation Maeght in Saint-Paul-de-Vence.

FREITAG

Große Freude herrschte Anfang April dieses Jahres in Marseille. Nach vierjähriger Renovierung wurde das Musée d’Art Contemporain (MAC) wiedereröffnet. Mit seiner Sammlung von Werken der letzten 50 Jahre ist die Erweiterung auch ein politisches Zeichen der Stadtregierung, dass sich Marseille als progressiv verstanden sehen will und die zeitgenössische Kunst als Standortfaktor fördert. Anlässlich der Wiedereröffnung wurde die italienische Künstlerin Paola Pivi mit einer großen Ausstellung gewürdigt, die sich ebenfalls politisch und provokativ gibt. Das passt sehr gut zu dieser an Konflikten nicht gerade armen, aufregenden Hafenstadt.

STAATSTRAGEND KREATIV

Ruhiger und staatstragender geht es dagegen im Musée des Beaux Arts de Marseille zu. Das älteste Museum der Stadt wurde unter Napoleon I. gegründet, der heutige monumentale Bau stammt aus der imperialen Ära von Napoleon III., als Marseille eine Schlüsselstelle für Frankreichs globale Ambitionen einnahm. Heute finden sich in der Sammlung eine Fülle von Werken französischer Maler:innen, vor allem aus dem 17. und 18.Jahrhundert. Der Wunsch nach kulturellen Gegengewichten zum übermächtigen Paris wurde ab den 80er- Jahren wieder stärker, ein Ergebnis dieser Bemühungen ist das 1982 gegründete FRAC Sud, das explizit der jungen kreativen Generation aus der Region ein Schaufenster bieten will. Seit 2013 ist das FRAC in einem schon von weitem sichtbaren neuen Gebäude in der Nähe des Hafens untergebracht. Eine ganz andere, aber zeitgemäße Art der kulturellen Dezentralisierung als im 19. Jahrhundert.

MAC: Musee d’Art Contemporain
Paola Pivi, bis 6.8.2023
musees.marseille.fr/paola-pivi-its-not-my-job-its-your-job-ce-nest-pas-mon-travail-cest-votre-travail

Musée des Beaux Arts de Marseille
Dauerausstellung
musees.marseille.fr

FRAC Sud
Hamish Fulton, bis 29.10.2023
fracsud.org

Flieg übers Meer! Wie ein Flugzeugträger liegt das MuCEM vor dem Fort St. Jean an der Mittelmeerküste in Marseille. Das Museum für europäische und mediterrane Zivilisationen wurde 2013 eröffnet, als Marseille eine der Kulturhauptstädte Europas war.

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Leuchtturm der Kunst Das FRAC Sud in Marseille, hoch aufragendes Gegengewicht zum Pariser Kultur-Zentralismus.

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SAMSTAG

Von Marseille nehmen wir die Küstenroute nach Osten. Gleich drei nationale Museen in der Region Alpes-Maritimes sind einer Künstlergröße der Moderne gewidmet. Einer davon ist Fernand Léger. Er verbrachte die letzten Jahre seines Lebens im kleinen Ort Biot, wo seine Witwe nach seinem Tod beschloss, ein Museum einzurichten, mit einem monumentalen  Wandmosaik, das Léger ursprünglich für ein Stadion in Deutschland angefertigt hatte. Heute umfasst das Museum fast 500 Werke Légers, mit denen in wechselnden Austellungen andere Künstler wie etwa Gilbert & George in freundlichen Dialog treten.

KUNST UNTER KIEFERN

Eines der schönsten Museen der Region wartet im malerischen St.Paul de Vence auf uns. Die Fondation Maeght, gegründet vom gleichnamigen Sammlerehepaar und 1964 eröffnet, ist ein modernes Dorf aus Stein, Beton und Licht, eingebettet zwischen großen Kiefern. Hier sind weitere gewichtige Namen versammelt, darunter Braque, Miró und Giacometti, und in der luftigen Architektur des Katalanen Josep Lluis Sert werden Kunst und Natur elegant verwoben. Eine Preziose für Designliebhaber ist die Villa E-1027 in Roquebrune-Cap-Martin. Die in Irland geborene und in Paris lebende Architektin Eileen Gray schuf hier eine Ikone der Moderne als Manifestation einer intensiven Affäre. 1927 baute sie für sich und ihren Liebhaber, den  rumänischen Architekten Jean Badovici, ein Sommerhaus auf den Klippen der Côte d’Azur. Für dieses Haus entwarf sie auch den gläsernen Beistelltisch,  eines der berühmtesten Möbelstücke des 20. Jahrhunderts. Später verfiel das Haus zur Ruine, heute ist es restauriert wieder zu besichtigen.

Musée national Fernand Leger
Pierrick Sorin, bis 15.12.2023
musees-nationaux-alpesmaritimes.fr

Fondation Maeght
Jean Paul Riopelle, bis 12.11.23
fondation-maeght.com

Villa E-1027, Eileen Gray
capmoderne.com

Heiterer Willkommensgruß Das riesige Mosaik an der Fassade des Musée Fernand Léger.

© Musée Fernand Legér

Meerblick für Madame Die Villa E-1027 von Eileen Gray an der Côte d’Azur wurde nach jahrzehntelangem Zerfall originalgetreu renoviert.

© Picturedesk

SONNTAG

Neben Fernand Léger in Biot und Pablo Picassos Deckengemälden in Vallauris bei Cannes ist Marc Chagall der dritte, dem Frankreich ein nationales Museum im Süden gewidmet hat. Der Bau in Nizza begann noch zu Lebzeiten und unter Beteiligung des Künstlers. Nach
seinem Tod ging ein großer Teil seines Nach-lasses an das Museum, das heute somit eine einzigartige Reise in die von Mythen und Archaik angereicherte Bildwelt Chagalls bietet. Auch Henri Matisse war eng mit der Stadt Nizza verbunden. Hier schuf er viele seiner bedeutendsten Werke, und hier starb er auch 1954. Dass es auch ein Matisse-Museum in der Stadt gibt, überrascht daher nicht. Eingerichtet wurde es in einer Villa nahe seines ehemaligen Wohnorts, in den 90er-Jahren wurde es mit einem neuen Flügel vergrößert. Neben Matisses Malerei sind hier auch viele der Objekte zu sehen, mit denen er sich umgab und die ihn in seinem Atelier inspirierten.

SCHULE VON NIZZA

Weniger bekannt als Chagall und Matisse dürfte die Schule von Nizza sein, eine lose Folge von künstlerischen Strömungen, die in den 50er- Jahren mit dem Träumer Yves Klein begann und in den 70er-Jahren mit der Gruppe Supports/Surfaces endete. Schon 1977 feierte das Centre Pompidou in seiner Ausstellung «À propos de Nice” die Produktivität dieser Szene. Das 1990 gegründete MAMAC übernimmt heute diese Rolle, zeigt Einzel- und Gruppenausstellungen von Weltrang und hat eine der größten Sammlungen von Niki de Saint Phalle. Wir beschließen unsere Tour du Sud mit einem Pastis in der Altstadt – wer will, darf auch, als Hommage an Yves Klein, einen Sprung ins blaue Meer wagen.

MAMAC
Thu-Van Tran, bis 1.10.23
mamac-nice.org

Musée National Marc Chagall
Chagall and me, bis 4.9.23
musees-nationaux-alpesmaritimes.fr

Musée Matisse
Matisse in the 1930s, bis 24.9.23

Archaischer Tempel Der monumentale Bau des 1990 eröffneten MAMAC. 

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Chez Henri Das Musée Matisse in Nizza.

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Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 05/2023

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