© Klaus Fritsch

Leonid und Johannes Rath: Die Glaspoeten von Lobmeyr

Um Luster und Gläser zum Leben zu erwecken, ist präzises Handwerk gefragt. Ein Interview mit Lobmeyr Inhabern Leonid und Johannes Rath über die Faszination von Glas.

12.06.2023 - By Florentina Welley

LIVING Warum fasziniert Sie Glas bis heute?

JOHANNES RATH Mich reizt es, mit den besten Handwerkern die besten Exemplare zu machen. Für mich ist es immer schön, wenn man einen Luster in ein Raumen-
semble einbringt, und das so aufgeht, dass der Luster sich einfügt und man ihn auf den ersten Blick gar nicht wahrnimmt. 

Was macht Lobmeyr-Entwürfe so besonders? 

Ein Designer macht einen Entwurf, berücksichtigt dabei aber nie die Aufhängung. Bei unseren Lustern achten wir auf alle Details, das Design geht bis zur Decke. Außerdem sind alle unsere Produkte wartbar. 

Welche Designer sind in der Lusterwerkstätte zu finden? 

Wir machten mit Marco Dessi den Basket-luster und den »Knight«, mit Bodo Sperlein die Serie »Script«. Aktuell entwickeln wir mit BCXSY aus Amsterdam die »Archive-Lights«, eine Serie didaktischer Lichtobjekte, in Limited Edition. Und Eva Petric arbeitet mit ihren Spitzenmotiven auf historischen Laternenformen.

Was sind heute die schwierigsten Herausforderungen in der Lusterproduktion?

Die Materialbeschaffung wird immer schwieriger, etwa Messingrohre. Früher gab es Rohre in allen Durchmessergrößen, das ist nicht mehr der Fall. Die Mindestbestellmengen gehen hinauf, die Wertschöpfung ist auf Industriebetriebe ausgelegt. Der Zeitaufwand, diese Komponeneten zu bestellen, nimmt zu.   

Haben Sie selbst schon Entwürfe realisiert?

Ja, bei jedem Designprojekt ist man ja auch Bindeglied zur Werkstätte und Übersetzer des Designs. Ich habe mit den Leuten der Werkstätte ein Lampenkonzept entwickelt, aufbauend auf den Wandleuchten der Met Opera. Der »Azeitona« ist in jedem Format und in jeder Größe realisierbar. 

Wie viele historische Luster-Modelle gibt es im Archiv?

Etwa zwischen 4000 und 6000 unterschiedliche Modelle sind in unserem Archiv und können gefertigt werden. Deshalb können wir auch keinen Katalog machen, weil der dick wie ein Telefonbuch wäre. Auch die Met-Luster sind made to measure.

»Nicht Glanz und Glitzer, sondern Spüren des Handwerks ist ein Kunstwerk« Leonid RATH

© Mark Pock

»Licht macht alles andere erst sichtbar«

LIVING Wir sitzen hier wahrlich in einem Glashaus. Sie führen das Unternehmen mit ihren Cousins seit 2000. Was macht die Faszination Glas aus? 

Leonid RATH Das Material an sich bietet so eine Vielfalt. Wir sind von einem Glasvirus befallen! Glas hat eine Vielfalt von Gestaltungsmöglichkeiten, allein das Spiel mit Licht und Glas, das wie ein künstlicher Kristall oder Stein verformt und geschliffen werden kann und so zu einem wertvollen Kunstobjekt wird, ist faszinierend. Die Kunst, so leicht transparente Blasen wie das Musselinglas herzustellen und als Gegensatz dazu die massive Gletscher-Serie von Sebastian Menschhorn, die die Archetypen aus der Natur symbolisiert, ist wunderbar. Aus dem billigsten Grundstoff, Quarzsand, entstehen Kostbarkeiten, das ist wahrer Luxus. 

Welche Glasserien sind die beliebtesten? Gibt es da Highlights, Dauerbrenner? 

Neben den Alphagläsern No. 267, die seitdem wir sie in farbigem Glas produzieren, weltweit gefragt sind, mittlerweile produzieren wir jährlich etwa 10.000 Stück, wird nach dem Trinkservice No. 4 von 1856 von Ludwig Lobmeyr gefragt. Es ist zeitlos schön und könnte fast von Jasper Morrison sein. Auch das Patrician Service von Josef Hoffmann No. 238 ist noch immer beliebt.

Sind solche kostbaren Designerstücke vergleichbar mit jenen, die einst für den K.-u.k.- Hof gemacht wurden und die heute in der Silberkammer stehen?

Ja durchaus. Denn die handwerklichen Techniken sind ja nahezu dieselben geblieben. 

Warum arbeiten Sie bis heute mit Designern zusammen?

Jede Generation hat ihren eigenen Stil und ihre Hochphase. Wir arbeiten mit externen Designern zusammen, damit wir die Bedürfnisse unserer Zeit anpassen. Das Handwerk muss die Idee des Designs erwecken und spürbar machen. 

Auf welche Design-Kooperationen dürfen wir uns heuer freuen? 

Auf formafantasma, Sebastian Menschhorn, BCXSY, Nives Widauer, deren Entwürfe in Kooperation mit der Vienna Design Week gezeigt werden, und etliche andere. Ab April gehen wir mit einer neuen Website online. Auf einem Poster können dann weltweit 200 Orte abgerufen werden, die Lobmeyr-Produkte vertreten, wie Händler, Museen, Restaurants etc., auch eine Wien-Karte wird es geben. Gleichzeitig starten wir im Geschäft auf der Kärntner Straße eine Ausstellung über unsere Design-Ikonen, die die Grenzen des Glashandwerks ausloten. Ab Juni gibt es eine Ausstellung im MAK mit dem leider unpassenden Titel »Glanz & Glamour«, im Herbst weitere in Prag, sowie die Vienna Design Week und die Maison Objet. Ganz neu werden wir dazu das Trinkservice Nr. 1 aus den 20er-Jahren produzieren, worauf wir uns sehr freuen. 

Welche internationalen Händler beliefern Sie? Wo liegt der Schwerpunkt beim Export: Luster oder Gläser?

Wir haben zum Glück laufend Aufträge in die ganze Welt. So beliefern wir die weltweiten Geschäfte von Tiffany & Co. und rund 400 Händler weltweit, darunter auch Mode- und Interior-Händler wie matches fashion oder auch den neuen Online-Interior-Händler ABASK, sowie Bergdorf Goodman, die Liste ist lang. Luster und Gläser teilen sich etwa 50:50 auf.

Welche kostbaren Gläser bahnen sich gerade den Weg in die Haushalte dieser Welt?

Lustigerweise boomt gerade die Oriental-Serie, wie ich sie nenne. Auf diese blumenverzierten Gläser stehen mittlerweile alle stilbewussten Damen der amerikanischen Gesellschaft. Entdeckt wurde das Glas übrigens von Lauren Santa Domingo, bei einem kleinen Händler in Monaco, die es mit ihrem Moda Operandi Webshop begehrt machte.

Wie viele Gläser werden graviert und geblasen pro Jahr?

Pro Jahr stellen wir in Ungarn und Tschechien etwa 50.000 Gläser her. Davon werden etwa zehn Prozent mit einem Gravurschliff bei uns in der Salesianergasse veredelt. 

Hat sich das Angebot im Stammgeschäft auf der Kärntner Straße in 200 Jahren verändert?

Ja, sehr. Jetzt gibt es auch Handelsware, die zu unserem Glas passt, von Venini bis
Nymphenburg, oder die von unseren Designern entworfen wurde, wie etwa von Marco Dessi für Augarten oder POLKA für Herend. Früher war nur ein Drittel der Glasware von Lobmeyr, zwei Drittel Handelsware. Dieses Verhältnis konnten wir in den letzten Jahren umkehren, auch im Umsatz. 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

In unserer Firma soll die Qualität bestehen bleiben und wir möchten sie gut in die nächste Generation bringen.

LESEN SIE AUCH DIE ARTIKEL 200 LOBMEYR & DAS INTERVIEW MIT ALDO BAKKER

Erschienen in:

Falstaff LIVING Jubiläumsausgabe

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Lifestyle & Genuss – das sind die zentrale Themen der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 24/03