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»Palermo ist eine unglaublich vitale Stadt«

Andrea Cusumano, Gründer der BAM-Biennale Arcipelago Mediterraneo und ehemaliger stellvertretender Kultur­bürgermeister von Palermo, über den ungezähmten Charakter einer Stadt, die mittendrin und am Rande zugleich liegt.

22.09.2023 - By Maik Novotny

LIVING  Was war die Motivation für die Gründung einer Kunst-Biennale in Palermo?

Andrea Cusumano 2016 war ich stellvertretender Bürgermeister für Kultur, und Luciano Benetton fragte mich, ob er hier sein großes Sammlungsprojekt Imago Mundi präsentieren könne. Als Stadtverwaltung arbeiteten wir bereits daran, Palermo als offene Stadt einer Willkommensgesellschaft zu etablieren. Ich entschied mich dafür, einen größeren Event rund um Benettons Idee zu schaffen: Eine Biennale, basierend auf der Vision eines Mittelmeers als Horizont der Hoffnung anstatt als tödliche Mauer. So entstand die BAM-Biennale Arcipelago Mediterraneo. Benetton gefiel das, und gemeinsam mit Enrico Bossan, dem damaligen Direktor von Fabrica, machte er sich ans Werk.

Wie verlief der Start?

Ich hatte sehr intensiv an einer komplexen Struktur und einem dichten Programm gearbeitet. Gleichzeitig bewarben wir uns erfolgreich als Italienische Kulturhauptstadt 2018; im selben Jahr war Palermo der Ort für die nomadische Biennale Manifesta. Die BAM-Biennale 2017 sollte als Vorbereitung dieser großen Events und ihrer Themen dienen. Es wurde eine sehr dynamische Biennale, die die lokale multiethnische Kunst-Community und internationale Kreative zusammenbrachte. Sie begründete auch die Idee einer Biennale, die die gesamte Stadt als Schauplatz in Beschlag nahm.

Die letzte Biennale endete im Jänner 2023. Was waren für Sie die Highlights im Rückblick?

Ein sehr wichtiges Element von BAM ist ihr experimenteller Ethos. Wir versuchen immer, Formate zu ändern und anzupassen. Die erste Ausgabe widmete sich der inselhaften Natur menschlichen Wissens, die zweite 2019 mit dem deutschen Titel »Übermauer« versuchte, ebendiese Mauern zu überwinden, die dritte unter dem Titel INSATURO (Unsaturated) basierte auf der Idee, dass eine Kunstschau ein Ort der Erkundung sein konnte anstatt ein rein kuratorisches Programm. Daher arbeiteten wir direkt mit Künstler:innen und Kollektiven.

Hatte die Manifesta 2018 langfristige Auswirkungen auf die Kunstszene Palermos? 

Ich glaube schon. 2018 war Palermo eine der weltweit meistbeachteten Städte, und ausnahmsweise nicht wegen der Mafia, sondern wegen Kunst und Kultur.

Palermo ist in den letzten Jahren zu einer Kunst-Destination in Italien geworden. Was macht die Kunstszene hier so besonders? 

Palermo ist eine unglaublich vitale Stadt. Sie hat ein multikulturelles Erbe – sie war phönizisch, normannisch, französisch, spanisch, österreichisch, italienisch. Das spiegelt sich heute in ihrem Selbstverständnis als Ort des Zu-sammenlebens. Palermo hat ein attraktives historisches Erbe inmitten wunderschöner Natur. Aber vor allem ist es, glaube ich, ein Ort, der seinen Charakter behalten hat. -Palermo lässt sich nicht angleichen und nivellieren, es hat einen selten gewordenen poetischen Sinn für Menschlichkeit. Das ist für Besucher:innen oft eine Überraschung. Als Bewohner:in liebt und hasst man die Stadt zugleich, wahrscheinlich beides aus denselben Gründen.

Palermo hat eine lange Tradition als kulturelle Schnittmenge von Europa und Nordafrika.
Beeinflusst das die künstlerische Produktion in der Stadt?

Schwer zu sagen. Wir sind ein Übergangsort. Obwohl wir uns im Zentrum des Mittelmeers befinden, scheinen wir auf eine Weise immer am Rande zu sein, sei es von Europa, Afrika oder des Orients. Kunst und Musik wurden hier immer von allen Traditionen beeinflusst, aber am treffendsten ließe es sich so formulieren, dass wir sowohl mediterran als auch europäisch und afrikanisch sind und das auf unsere Art widerspiegeln.

Was sind die Pläne für die Zukunft der Biennale?

Wir planen eine Verbindung von Palermo mit anderen Städten, beginnend mit Agrigento, der Stadt der griechischen Tempel im Süden Siziliens. Noch sind wir am Anfang, aber der Ball rollt, und es wird ein »verrückter Kompass« werden. Also: Stay tuned!

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Andrea Cusumano ist Künstler und Kurator. Er lehrte am Central Saint -Martins und dem Goldsmiths in London und ist Gründer und Direktor der BAM-Biennale Arcipelago Mediterraneo.Von 2014 bis 2019 war er stellvertretender Bürgermeister für Kultur und leitete in dieser Funktion die Projekte Italienische Kulturhauptstadt 2018 und Manifesta 12. bampalermo.com 

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