(c) Guido Castagnoli

ROSSANA ORLANDI BLICKT AUF DEN SALONE DEL MOBILE 2024

Sie gilt als Grande Dame der Mailänder Designweek und ihr Instinkt für Design ist untrüglich. Im LIVING-Gespräch erzählt Rossana Orlandi, die vor drei Jahren eines unserer Covers zierte, schon jetzt von ihren Plänen für den diesjährigen Salone und ihrer konsequenten Haltung zum Thema Nachhaltigkeit.

25.03.2024 - By Marlene Mayer

Titelbild: Geschmackssicher: Rossana Orlandi hat einen Blick für gutes Design. Sie entdeckte etwa auch den »Bush of Iron« von Nacho Carbonell.

2021 strahlte sie von unserem LIVING-­Cover, seitdem verbindet uns eine respektvolle Freundschaft, die sich immer wieder in interessanten Gesprächen fortsetzt. Rossana Orlandi, Galeriebesitzerin in Mailands Via Matteo Bandello und damit Herrin über eine der originellsten Design-Fundgruben in der Branche, denkt gar nicht ans Aufhören, ganz im Gegenteil. Die 78-jährige Avantgardistin arbeitet quasi ununterbrochen, kuratiert mehrere Ausstellungen im Jahr (zuletzt etwa für die exklusive Kunst- und Designmesse Nomad in St. Moritz), setzt bleibende Impulse in Sammler:innen-Kreisen, treibt Designer:innen zu Höchstleistungen an und macht sich dabei konsequent für ihre Überzeugungen stark. Ihr Herzensthema lautet Nachhaltigkeit, mit ihrem »RO Plastic Prize« setzte sie jahrelang eine produktive Initiative. Denn Orlandi fordert nicht weniger als konkrete Lösungskompetenz von Designer:innen ein und sagt: »Die großen Probleme unserer Zeit zu adressieren, muss immer das oberste Prinzip sein.« Schon jetzt steht fest, dass der Spazio Orlandi auch beim diesjährigen Salone del Mobile zu einer Fundgrube des Außergewöhnlichen wird. Der LIVING-Talk über »Emotionability« und weiche Stoffe als Verpackungsmaterial.

LIVING Ihre Galerie ist jedes Jahr ein wichtiger Fixpunkt des Salone. Was können wir heuer von Ihnen erwarten?

Rossana Orlandi Wir haben wieder sehr schöne Projekte mit vielen jungen Talenten. Es sind diesmal mehr als 50. Das größte Projekt ist aber unsere Kollaboration mit Ron Arad. Er wird seinen fabelhaften Stuhl »Dana« präsentieren, der aus recyceltem Kunststoff besteht. Die Arbeiten am Prototyp haben fast zwei Jahre gedauert, das Ergebnis ist nun wirklich wunderschön.

Was mögen Sie besonders an Ron Arad?

Oh, ich mag seine Energie, seine Kreativität. Es macht einfach Spaß mit ihm und er hat ständig neue Ideen. Ich kenne ihn schon seit vielen Jahren, im Zuge unserer Zusammen­arbeit habe ich ihn nun zum ersten Mal in seinem Studio in London besucht. Dort ist es wirklich fantastisch, das ist pure Kreativität.

Sie verzichten heuer auf die Vergabe des »RO Plastic Prize«. Warum?

Wir haben den Preis fünf Jahre lang vergeben und hatten insgesamt mehr als 3.000 Bewerbungen. Das war schön und hat viel in Bewegung gesetzt. Aber wir wollen jetzt weitergehen und etwas noch Stärkeres machen – was genau, das werden wir während des Salone del Mobile ankündigen.

Können Sie uns schon sagen, in welche Richtung es gehen wird?

Wir werden uns noch fokussierter und konzentrierter mit Nachhaltigkeit beschäftigen und dabei die konkreten Bedingungen in den Blick nehmen. Heutzutage spricht ja jeder über Nachhaltigkeit, aber meistens handelt es sich doch bloß um Fake News.

Beim LIVING-Foto-Shooting: Mehr als 50 junge Designpositionen präsentiert Galeristin Rossana Orlandi beim diesjährigen Salone. rossanaorlandi.com

(c) Piero Biasion

Sie kritisieren den allgemeinen Umgang mit dem Thema?

Ja, denn es sollte wirklich ernst genommen werden, und zwar in jedem Detail, bei der Produktion, beim Umgang mit Abfall, bei der Weiterentwicklung von recycelten Materia­lien. Doch wenn man das Verhalten der meisten Hersteller:innen analysiert und genau schaut, wird schnell klar, dass die meisten nur reden, aber wenig machen.

Welche Maßnahmen setzen Sie in Ihrer Arbeit? 

Wir nehmen Nachhaltigkeit ernst und achten auf jedes Detail. Nur ein Beispiel: Bei einer unserer letzten Ausstel­lungen wurden wir etwa nach dem Aufbau nach unserem Müll gefragt. Die Verwunderung war groß, als sich herausstellte, dass wir gar keinen hatten. Weil wir eben prinzipiell nur wiederverwendbare Kisten und weiche Stoffe als Verpackungsmaterial verwenden. Das macht mich wirklich sehr zufrieden.

Was meinen Sie, hat sich der Salone in den vergangenen Jahren sehr verändert?

Ich denke, dass sich die Messe sehr verbessert hat. Es gibt eine noch stärkere Konzentration an Neuem, und Präsidentin Maria Porro ist einfach fantastisch. Darüber hinaus habe ich schon von vielen neuen Initiativen in diesem Jahr gehört. Ich hoffe aber, dass es nicht zu viele werden – ich bin mehr für Qualität als für große Zahlen.

Das Angebot ist wirklich enorm groß. Denken Sie manchmal, es ist zu viel?

Absolut. Aber es ist auch viel Energie da, und das ist wieder gut. Es hängt im Grunde von der Qualität ab. Die Leute dürfen nicht anfangen, einfach irgendetwas zu zeigen.

Sie nutzen gerne den Begriff »Emotionability«, wenn Sie von Ihrer Arbeit sprechen. Können Sie die immer sofort erkennen?

Ja! Wenn ich neue Stücke sehe und mir entfährt ein »Wow«, dann ist das im Grunde schon »Emotionability«. Der Funke muss überspringen. Emotionalität ist in gewisser Weise der Schlüssel für gutes Design. Design darf man nicht erklären müssen, man muss es fühlen.

Wann hatten Sie zuletzt so einen Moment?

Zurzeit ist für mich das Wichtigste, mit anderen Kreativen in Verbindung zu gehen. Wir leben im Grunde in einer furchtbaren Welt, die Menschen sind verunsichert, zurückgezogen. Umso glücklicher macht mich die Zusammenarbeit mit meinen Designer:innen, die gemeinsame Weiterentwicklung. Für mich ist das der allerwichtigste Punkt: gemeinsam stark zu sein, gemeinsam zu arbeiten und dabei etwas zu verändern.

Denken Sie, es ist die Aufgabe von Design, die großen Probleme unserer Zeit zu lösen?

Absolut. Design muss immer ein Problem adressieren. Das muss stets das oberste Prinzip sein. Design muss auch schön sein. Aber es darf nicht unnütz sein, dagegen bin ich wirklich allergisch.

Talentschau: Der belgische Designer Jan Ankiersztajn ist auch in -diesem Jahr mit einer Limited Edition in Orlandis Galerie präsent.

(c) beigestellt

Erschienen in:

Falstaff LIVING 02/2024

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