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Design am Wein: Etiketten und ihre Historie

Das Etikett einer Weinflasche gibt einerseits Auskunft über Art und Ursprung des Inhalts und dient andererseits als Visitkarte, mit der sich Produzent:innen vom Mitbewerb abgrenzen. Es gibt heute Millionen unterschiedlicher Ausführungen – von traditionell über minimalistisch bis extravagant. LIVING lädt zu einer Zeitreise in die bunte Welt der Etikette.

13.03.2024 - By Peter Moser

Titelbild: Idee und Umsetzung: Das Napa-Weingut Realm Cellars beauftragte den Spanier Sergio Albiac, für seinen »Moonracer«-Wein insgesamt 4.800 unterschiedliche nummerierte Handdrucke zu kreieren. realmcellars.com

Wer sein Heim mit Werken von Ausnahmekünstlern wie Marc Chagall, Pablo Picasso, Salvador Dalí, Henry Moore, Joan Miró, Andy Warhol, Francis Bacon, David Hockney und Keith Haring schmückt, ist entweder ein:e ebenso betuchte:r wie geschmackssichere:r Sammler:in – oder aber Weinenthusiast:in mit einem Hang zu Bordeaux. Denn die besagten Künstler haben allesamt Etiketten für das Kultweingut Rothschild gestaltet – und damit den Grundstein für eine Entwicklung gelegt, die bis heute anhält: nämlich Weinetiketten nicht einfach nur als schlichtes Informationsmedium zu nutzen, sondern diese so zu gestalten, dass sie – gleichsam als Visitkarten der Winzer:innen – die gesamtheitliche Essenz eines Weinguts auf wenigen Quadratzenti-metern Papier transportieren. Und im Idealfall auch noch gut und ansprechend aussehen.

Die ersten »Wein-Etiketten«

Seit mit Wein gehandelt wird, werden die Transportbehälter markiert. Die Sumerer verwendeten dafür Rollsiegel und Stempel, Griechen wie Römer banden bereits Anhänger aus Keramik oder Holz an die Amphoren, auf denen sie Informationen wie Jahrgang, Herkunft und sogar Weingartenlage vermerkten. Bis weit in die Renaissance änderte sich daran nichts Grundlegendes, gleich ob man den Wein in Tongefäßen, Lederschläuchen oder Fässern transportierte. Mit der Entwicklung der Glasflasche im 17. Jahrhundert wurde erstmals Wein auch in dieses Gebinde abgefüllt und man klebte handgeschriebene Zettel auf – ein Anfang, aber noch eine Ausnahmeerscheinung. Als aber zu Beginn des 19. Jahrhunderts Weinflaschen erstmals auch industriell und damit relativ preiswert hergestellt werden konnten, exportierten zunächst vor allem die Häuser aus der Champagne ihre Schaumweine im großen Stil. Relativ rasch war auch klar, dass die Etiketten auf den Flaschen wesentlich vielfältiger verwendbar waren als nur für die Basic-Informationen zum Inhalt. Etiketten wurden rasch zu einem eigenen Stilelement. Eine Handvoll Weingüter setzte bereits früh auf individuell gestaltete Etiketten und ließ diese oft sogar von eigens engagierten Grafikern oder Künstlern entwerfen. Einige Designs erwiesen sich dabei als höchst langlebig, etwa jenes des Pfälzer Weinguts Reichsrat von Buhl aus Deidesheim, das der spätere Münchner Secessionist Franz von Stuck entwarf und das, abgesehen von einem dezenten Facelifting, auch nach 120 Jahren fast unverändert in Gebrauch ist.

Die Rothschild-Weine wurden schon früh künstlerisch gestaltet.

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Im Laufe der Zeit entwickelten sich Etiketten von reinen Info-Sujets hin zu künstlerischen Image-Visitenkarten.

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Es begann mit Rothschild

Es war aber der legendäre Visionär Baron Philippe de Rothschild in Bordeaux, der die Idee perfektionierte, bereits berühmte Künstler:innen als Botschafter für seinen Premier Cru Classé Château Mouton Rothschild zu beschäftigen. Bereits in den 1920er-Jahren engagierte er den Art-déco-Grafiker Jean Carlu aus Paris für seine Etiketten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zelebrierte der Baron den denkwürdigen und zugleich qualitativ herausragenden Jahrgang 1945, indem er das Etikett von einem jungen Illustrator namens Philippe Jullian mit einem simplen V für Victory schmücken ließ. Und weil das – zum Glück – nur einmal möglich war, engagierte Rothschild in der Folge jedes Jahr herausragende bildende Künstler:innen für die Gestaltung seiner Etiketten. Neben den eingangs genannten fanden so etwa auch Größen wie Georges Braque, Balthus, Lucian Freud, Niki de Saint Phalle, Jeff Koons oder Gerhard Richter Eingang in die illustre Liste. 2004 durfte sich sogar der nunmehrige König Charles III. von England am Mouton-Label versuchen. Manchmal geht die künstlerische Auseinandersetzung mit der Flasche aber noch weit über die Fläche des Etiketts hinaus. Das Champagnerhaus Taittinger etwa ließ Künstler die Flaschen für seinen edlen Schaumwein komplett gestalten. Den Anfang machte der Jahrgang 1983 mit einer komplett goldbezogenen Flasche von Victor Vasarely, es folgten Namen wie Arman, André Masson, Roy Lichtenstein oder Robert Rauschenberg. Aber kein anderer trieb bislang die Idee der künstlerischen Ausgestaltung so auf der Spitze wie der aus Österreich stammende Winzer Manfred Krankl mit seinem kalifornischen Weingut Sine Qua Non, der seit seinem aller­ersten Wein 1994 jeder einzelnen Füllung einen anderen Namen und einen anderen optischen Auftritt gönnte. Die Grafik für das Etikett stammt dabei vom Winzer höchstpersönlich, oft wechselt auch die Flaschen­form. Jede Cuvée ist somit ein neues Sammelstück – zusätzlich nicht selten geadelt mit 100 Parker-Punkten. Kein Wunder, dass von diesen limitierten Raritäten selbst ausgetrunkene Flaschen hohe Preise erzielen.

Unendliche Etiketten-Vielfalt

Einen ganz anderen Weg beschritt der bekannte Schweizer Weinhändler Philipp Schwander, MW, mit einer weltweit noch einzigartigen Idee, die er mit seinen eigenen Weinen aus Spanien, die unter dem Namen Sobre Todo verkauft werden, umsetzte. Da ihm die letzte Serie der Schweizer Banknoten aus dem Jahr 2016 so gut gefallen hatte, engagierte er kurzerhand die Grafikerin Manuela Pfrunder für seine ­Etiketten. Diese reiste daraufhin mehrmals zu Schwander ins Priorat, um sich inspirieren zu lassen, und modellierte sogar einen Rebstock. Ein solcher findet sich nun auch auf dem Etikett, das von Armin Waldhauser, einem langjährigen Banknotengraveur, gestochen wurde. Heute bietet die Welt der Weinetiketten eine nahezu unendliche Vielfalt an optischen Attraktionen. Neben Klassikern wie etwa den unverwechselbaren Flaschen von Sassicaia, Opus One oder jenen vom Wachauer Spitzenwinzer Emmerich Knoll, die man noch aus 100 Metern Entfernung erkennen kann, stehen heute neue Ikonen, mit modernster und zum Teil sehr aufwendiger Technik gestaltet. Der Kreativität sind dabei kaum Grenzen gesetzt und man darf sich darauf freuen, womit Künstler:innen und Winzer:innen in Zukunft – neben Nase und Gaumen – das Auge der Weinfreund:innen begeistern werden.

Eine Flasche als Skulptur: Designer Richard Von Saal setzte bei der Gestaltung von »The Absurd« auf eine absurde Collage als Ebenbild der Cuvée, die sie beinhaltet. realmcellars.com

Etikettlos schön: Es muss nicht immer das klassische Papieretikett sein. Neue Verfahren erlauben heute völlig neue Wege der Flaschengestaltung. cfnapa.com

Geschichtsbewusst: Die Designer:innengruppe Denomination, Spezialist für besonders exklusive Weinetiketten, hat Studios in Sydney, London und San Francisco. denomination.com

Das Auge trinkt mit: Für das australische -Weinlabel Wild Folk ließen sich die Grafiker:innen von Denomination vom Wesen des Natural Wine leiten. denomination.com

Erschienen in:

Falstaff LIVING 08/2023

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