Design für Micro-Apartments: Small Places, Big Ideas

Tiny Spaces, also winzige Wohneinheiten, verändern vor allem in Ballungsräumen die Wohnkultur. LIVING hat sich angesehen, wie man kleine Flächen optimal nutzt, und macht einen Streifzug durch die Welt der Micro-Apartments.

29.11.2023 - By Manfred Gram

Header Bild: Blockbuster Im Amsterdamer Domūs Houthaven sind auf zehn Stockwerken 235 smarte, durchgestylte und geplante Micro-Apartments untergebracht. Farb- und Lichtkonzepte waren bei der Planung zentral. Wird’s zu eng, gibt es Gemeinschaftsräume zum Kochen, Feiern oder Socializen. shift-au.com

Fakten auf den Tisch. In Städten wird Wohnraum knapp. Eine – nicht ganz unlogische – Lösung für dieses Problem sind Micro-Apartments. Darunter subsumiert man winzige Wohneinheiten, die genau und maßgeschneidert auf die Bedürfnisse einer Person abgestimmt sind. Singles zum Beispiel. Oder Digitalnomad:in­nen. Oder Wochenpendler:innen. Anders formuliert: Urbanisierung, Digitalisierung und demografischer Wandel werden in absehbarer Zeit starken Einfluss auf die Wohnkultur haben. Denn hat man nur wenig Raum zum Wohnen zur Verfügung, braucht es clevere Ideen, um diesen optimal zu nutzen. Da schlägt dann die große Stunde kreativer Designer:innen, Archi­tekt:innen und Innenarchitekt:innen. Wie Astrid Driller. Die Innenarchitektin arbeitet bei Vitra und hat sich unter anderem auf das Zukunfts­thema Micro-Living spezialisiert. Sie weiß, worauf man in kleinen Wohnungen besonders achtgeben muss, um ein Maximum an Lebensqualität herauszuholen. »Gerade Farben und Licht spielen eine große Rolle. Dabei muss man gar nicht immer ausschließlich helle Räume schaffen, auch dunklere Farbtöne können in kleinen Räumen gut wirken«, so die Expertin, die dabei auf die Wichtigkeit einer guten Grundbeleuchtung hinweist. »Auch mit Stoffen, die man etwa als Wand- oder Türverkleidung, aber auch als Raumteiler einsetzen kann, lässt sich viel Behaglichkeit generieren.« Essenziell ist aber das Schaffen von ­Stauraum. Wie das geht? »Die beste Lösung ist tatsächlich immer eine vom Tischler. So kann individuell auf die Architektur eingegangen werden, große Höhen können genutzt und versteckte Winkel verkleidet werden«, rät Driller und betont gleichzeitig die Bedeutung guter Kommunikation: »Nur im Dialog kann man herausarbeiten, wofür tatsächlich Stauraum benötigt wird. Denn je weniger man verstauen muss, umso besser.«

Cleverer Minimalismus

Nicht selten werden einem mittlerweile aber bereits (mögliche) Lösungsvorschläge vorge­geben. Auch, da Immobilienunternehmen und Projektentwickler:innen auf sogenannte »Tiny Spaces« als lukratives Geschäftsmodell aufmerksam geworden sind. Das führt immer wieder zu spannenden und/oder preisge­krönten Projekten. Wie etwa vom in London ansässigen Architekturstudio Proctor & Shaw, das mit seinem »Shoji Apartment« im ange­sagten Viertel Belsize Park überschaubare 29 Quadratmeter eines in die Jahre gekommenen Wohnblocks grandios gestaltete. Zwei Innenwände wurden dafür entfernt und ließen so einen offenen Wohn-, Küchen- und Essbereich entstehen. Für den Schlafbereich nutzte man die Raumhöhe (3,4 Meter) aus und konstruierte einen Holzwürfel, der mit lichtdurchlässigen Paneelen umhüllt ist, die an japanische Shoji-Schirme erinnern sollen. Zum Bett (King-Size) gelangt man über eine Treppe und der Raum unter dem Bett fungiert als begehbarer Kleiderschrank. »Wir wollten mit dem Projekt einen Beitrag zur aktuellen Debatte leisten, wie man die Qualität eines Raums misst und was das für das zukünftige Leben in der Stadt bedeuten könnte«, erklären die Architekten. Zwingend notwendig sind durchgeplante Einbausysteme zwar nicht, ein einheitliches Wohnkonzept ist aber von Vorteil. Dabei spielt auch Multifunktionalität ein Rolle. Dass seit einigen Jahren wieder Betten aus der Wand kommen oder Kleiderkästen sich als Home­offices entpuppen, hat auch mit kleiner werdenden Wohnflächen zu tun. Das kann dann auch ein bisschen aberwitzig sein, wie etwa beim Wohnkubus »Kammerspiel« des Designers Nils Holger Moormann. Das Riesenmöbel funktioniert als Raum im Raum, der – flexibel einsetzbar – Bereiche wie Schlafen, Entspannen oder Arbeiten abdeckt. Er braucht aber, um zur Geltung zu kommen, Platz. Ist dieser vorhanden, ist er eine logische und recht smarte Problemlösung.

Oben übernachten In einer Londoner Bestandswohnung mit 29 Quadratmetern wird die ­Raumhöhe genutzt, u. a. mit einer ­genialen Hochbettkonstruktion, die mit lichtdurchlässigen Paneelen elegante Grenzen zieht. Der Raum darunter dient als begehbarer Kleiderschrank. proctorandshaw.com

© Stale Eriksen

Wunderkammer Nils Holger Moormann schafft mit seinem Wohnkubus »Kammerspiel« Tatsachen mit ausreichend Stauraum für die deutsche B&O Gruppe. Geschlafen wird am Dach. An den Seiten lassen sich eine Sofalandschaft oder auch ein Arbeitsplatz einrichten. moormann.de

© Nils Holger Moormann

Loft-Feeling In einem Apartmentblock aus den 1980er-Jahren in Melbourne wurde auf lediglich 24 Quadratmetern ein Miniloft ver­wirklicht. Die Schlafkoje wurde integriert, bei den Materialien verwendete man vor allem Holzspanplatten, für mehr Raumtiefe sorgt eine Spiegelwand. studio-edwards.com

(c) Peter Bennetts

Topform Für das Projekt »Ferguson« in Glasgow arbeiteten Architekten, Entwickler und Designer eng
zusammen und zeigten, wie man mit clever eingesetzten geo­metrischen Formen, Farb- und Lichtideen auf kleinen Flächen große Wirkungen erzielt. arrantland.com

© Pierce Scourfield

Zauberwürfel Till Könnekers »Living Cube« ist ein modulares Möbelsystem, das acht bis zwölf verschiedene Möbelstücke kompakt vereint. So kann ein Würfel beispielsweise Schlafplatz, Garderobe, Arbeits­bereiche und Stauraum kombinieren. tillkoenneker.work

© Till Könneker

Erschienen in:

Falstaff LIVING 08/2023

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