(c) Katharina Schiffl

Elīna Garanča: »Open-Air Konzerte sind wie Science-Fiction«

Nach einem grandiosen Auftritt im Parsifal an der Wiener Staatsoper blickt Mezzosopranistin und Kammersängerin Elīna Granača bereits in Richtung Sommer. Neben einem Auftritt bei den Salzburger Festspielen gibt die Lettin in Kitzbühel und Stift Göttweig zwei große Open-Air Konzerte. Mit LIVING sprach Elīna Granača über Idole, Newcomer und die Ordnung zu Hause.

26.04.2024 - By Verena Schweiger

Ein samtig voll schwingendes Timbre, mit vitaler Fülle gerundete, tiefe Phrasen und kontrolliert-strahlende Höhen: dafür ist die lettische Kammersängerin Elīna Garanča bekannt. Bruchlos und technisch meisterhaft verbindet sie diese vor dem Hintergrund einer stets nuancierten Rollengestaltung. Klassik Fans auf der ganzen Welt lieben und verehren ihren Mezzo-Sopran dafür. Gerade brillierte sie erneut als Kundry in Richard Wagners »Parsifal« an der Wiener Staatsoper, nun plant Elīna Garanča bereits den Sommer. Zwei Open Air Konzerte, in Stift Göttweig (»Klassik unter Sternen«, 3. Juli) und tags drauf in Kitzbühel (»Klassik in den Alpen«, 6. Juli), stehen Anfang Juli in ihrem dicht gefüllten Terminkalender. Ende August folgt ein Liederabend mit Pianist Malcom Martineau bei den Salzburger Festspielen, für den sie vor allem Stücke ihres lettischen Landsmann Jāzeps Medinš programmiert hat.

Open-Airs mit Stars und Newcomer:innen

In Tirol und Niederösterreich flankieren stimmlich der peruanische Tenor Iván Ayón Rivas sowie die spanischen Sopranistin Serena Sáenz Elīna Garanča. Im Duett mit Letzterer sang sich die Lettin beim 66. Wiener Opernball mit der beliebten Arie »Barcarole« aus Jacques Offenbachs »Hoffmanns Erzählungen« in die Herzen der Ballgäste und TV-Zuseher:innen (Falstaff LIVING berichtete). Es war das erste rein weibliche Duett, das bei einer Opernball-Eröffnung programmiert wurde, doch an Premieren ist die Kammersängerin gewöhnt. Auch für die beiden Open-Air Konzerte, die Elīna Garanča in diesem Jahr Opern-Ikone Maria Callas widmet, hat sie einen Erstauftritt im Gepäck: die Arie »O ma lyre immortelle« aus Gounods Oper »Sapho«. Offenbach, Ravel, Verdi, Lehár, Johann Strauss Sohn, Bellini und Puccini versprechen weitere Sternstunden unter freiem Sommer-Himmel. Ein großes Anliegen ist dem Weltstar auch die Förderung des Gesangsnachwuchs. »ZukunftsStimmen« titelt das von Elīna Garanča initiierte Nachwuchsprogramm verheißungsvoll. Der Wiener Jung-Bariton Clemens Alexander Frank gibt in dessen Rahmen 2024 sein Debüt an der Seite der Mezzo-Sopranistin. Neben einer finanziellen Förderung und einem persönlichen Coaching von Elīna Garanča, wird Frank in Göttweig und Kitzbühel auf der Bühne und vor großem Publikum stehen dürfen. LIVING traf die Kammersängerin zum Talk.

LIVING In Kitzbühel und Göttweig werden Sie im Juli zwei große Open-Air Konzerte singen. Inwiefern ist es stimmlich, da akustisch ein Unterschied unter freiem Himmel im Vergleich zu Auftritten in Opern- und Konzerthäusern zu singen? Ist die Vorbereitung darauf eine andere?

Elīna Garanča Ich kann meine Technik nicht verändern, nur weil ich ein Open Air Konzert singe. Natürlich muss ich meine Stimme, dem Timbre der Musik entsprechend anpassen und immer wieder neue Farben und Emotionen finden, aber sonst ändert sich nicht viel. Als Profis bereiten wir uns gleichermaßen intensiv auf kleine oder große Veranstaltungen vor, unabhängig davon, ob sie drinnen oder draußen stattfinden. Kondition, Ausdauer und Konzentration braucht es immer. Auch wichtig ist die stimmliche Pflege, die man im Vorfeld machen kann und soll.

Wird der Wettergott vorab besungen?

Natürlich gibt es einige Faktoren, die außerhalb unserer Kontrolle liegen und auf die wir uns nicht vorbereiten können, wie eben das Wetter. Insbesondere in den Bergen kann es unberechenbar sein. Der Himmel ist klar, und plötzlich, nur zwei Arien später, sitzen Tausende von Menschen vor uns in ihren Plastik-Regenmänteln, wie in einem Science-Fiction-Film. Doch genau das macht Auftritte unter freiem Himmel so aufregend!

Dem Opernstar liegt die Förderung des Gesangsnachwuchses sehr am Herzen.

(c) Katharina Schiffl

Standesgemäß im Dirndl singt Elīna Garanča beim Festival »Klassik in den Alpen«.

(c) Katharina Schiffl

In diesem Jahr legen Sie bei den beiden Konzerten den Schwerpunkt auf Maria Callas.

Ich denke oft, dass »über die Grenzen hinausgehen« die erste Sprache von Maria Callas war. Ihre Fähigkeit alles zu transformieren und zu verstärken - von ihrer Persönlichkeit, ihrer Stimme, der Darstellung ihrer Charaktere bis hin zu Hingabe, Leidenschaft und Liebe - raubt mir jedes Mal aufs Neue den Atem. Maria Callas hat Geschichte geschrieben, sie war unvergesslich und revolutionär in ihrer Ausdrucksweise. Sie hat ihr intensives Leben ohne Angst, authentisch zu sein, egal in welcher Situation, egal um welchen Preis, gelebt. Am selben Tag, an dem ich meinen ersten Geburtstag feierte, hat die Welt Maria Callas verloren. Vor einigen Monaten wäre sie 100. Jahre alt geworden (2.12.1923, Anm. d. Red.) und ich dachte, dass es eine fantastische Gelegenheit wäre, mit dem diesjährigen Programm diesem nie sterbenden und immer wieder überraschenden Star zu gedenken.

Im Rahmen der Open-Air Konzerte fördern Sie Gesangsnachwuchs. Wie findet die Auswahl statt?

Junge Sänger konzentrieren sich oft zu sehr auf die Technik und darauf, alles richtig zu machen, aber das ist ein Prozess. Es kann Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern, bis man dieses Stadium erreicht. Wichtiger ist für mich die Kombination aus Potenzial und Authentizität. Heutzutage gibt es so viele junge Wunderkinder mit unglaublichen technischen Fertigkeiten, die sie in einem sehr jungen Alter erlernt haben, aber oft bringen sie nicht mehr als eine Abfolge von lauten, hohen Tönen in perfekter Tonhöhe heraus. Sicherlich ist die Technik wichtig, aber eine überzeugende Geschichte voller Emotionen ist viel interessanter. Eine Darbietung, die mich innerlich bewegt, ist für mich einer der untrüglichen Indikatoren dafür, dass der Teilnehmer auch dem Publikum etwas zu bieten hat. Es ist immer sehr aufregend, die neue Generation auf der Bühne zu treffen, denn sie bringen diesen Strom neuer, frischer Energie und Begeisterung mit sich.

Seit vielen Jahren liegt Ihnen das Genre Lied sehr am Herzen. Bei den diesjährigen Salzburger Festspielen stellen Sie gemeinsam mit Pianist Malcom Martineau den hierzulande selten gespielten lettischen Komponist Jāzeps Medinš prominent in den Fokus.

Ich spüre, dass es höchste Zeit ist, die Komponisten aus Lettland und ihre Werke ins Rampenlicht zu holen und international zu würdigen. Schon als Kind habe ich diese Komponisten und ihre Stücke durch meine Mutter kennengelernt, die sie gesungen hat. Als ich dann im Erwachsenenalter die Noten sah, kam mir die Melodie sofort bekannt vor. Sie war ein Teil von mir. Diese Stücke sind wirklich tief in mir verwurzelt. Es macht mich unheimlich glücklich und stolz, dass ich sie nun einem breiten internationalen Publikum präsentieren kann, sei es in Salzburg oder anderswo. Ich kann es kaum erwarten!

Klassischer Gesang ist höchste Präzisionsarbeit. Sind Sie privat ähnlich perfektionistisch organisiert? Spiegelt sich das in Ihrem Zuhause wider?

Ganz genau. Man kann einer »Jungfrau-Frau« die perfekte Welt wegnehmen, aber man kann der »Jungfrau-Frau« nicht das Streben nach Perfektion ausreden (lacht). Ich strebe wirklich nach Ordnung, wann immer es möglich ist, aber wenn es um Prioritäten, wie meine Familie oder meine Arbeit geht, bin ich natürlich nicht bereit, meine geistige oder emotionale Kapazität für zweitrangige Dinge aufs Spiel zu setzen, nur damit alles um mich herum stimmt und gerade steht.

Konzertinfos:

KLASSIK OPEN AIR KOMPAKT

Klassik unter Sternen
Mittwoch, 3. Juli 2024 / 19.30 Uhr
Stift Göttweig

Klassik in den Alpen
Samstag, 6. Juli 2024 / 20.30 Uhr
Kitzbühel, Pfarrau-Park

Tickets erhältlich unter:

Klassik unter Sternen + Klassik in den Alpen
www.oeticket.com oder +43 1 96 096
In allen Raiffeisenbanken in Wien & Niederösterreich mit Oeticket-System oder shop.raiffeisenbank.at

Klassik in den Alpen
Zusätzlich über Kitzbühel Tourismus: info@kitzbuehel.com oder telefonisch unter +43 5356 6666-0

SALZBURGER FESTSPIELE

Liederabend Garanča Martineau
Dienstag, 20. Aug. 2024 / 21.00 Uhr
Großes Festspielhaus
Hofstallgasse 1, Salzburg

Tickets unter +43662 8045-500 oder www.salzburgerfestspiele.at

Auftritt vor großem Publikum: Die geplanten Open-Air Konzerte locken mit einem Maria Callas-Schwerpunkt.

(c) Katharina Schiffl

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