Gstaad: Das gediegene Paradies
Traum in Weiß Ein Hauch von »Zauberberg«: Das auf einem Felsen thronende Hotel »Gstaad Palace« ist das Wahrzeichen von Gstaad und Treffpunkt der Hautevolee. palace.ch
The last paradise in a crazy world« – so euphorisch urteilte einst die Schauspielerin Julie Andrews über Gstaad. Ein Paradies ist der Ort im Schweizer Saanenland auch heute noch für viele. Auf 7.000 Einwohner:innen kommen hier ebenso viele Kühe – und 60 Millionen Franken Steuereinnahmen. Vor einem Jahrhundert wurde Gstaad als Winterlager für Europas teuerstes Internat am Genfersee entdeckt, ein Treffpunkt für die Hautevolee ist es bis heute geblieben. Doch wer hier an protzig zur Schau gestelltes Bling-Bling denkt, liegt ganz falsch. Das findet man in St. Moritz. Gstaad dagegen ist ein Berggipfel der Schweizer Diskretion. »St. Moritz ist dramatisch, Gstaad soft und charmant, die Dinners sind eher privat, die Chalets teurer«, sagte einmal der Kunstsammler Friedrich Christian »Mick« Flick, der ebenso wie sein Bruder Gert-Rudolf »Muck« Flick ein Chalet in Gstaad besitzt.
PREISGIPFEL
Während man in St. Moritz gesehen werden will, wissen in Gstaad nur Eingeweihte, welche Celebrity in welchem Chalet wohnt – und sie behalten ihr Wissen für sich. Zwar werden auch hier große und teure Partys gefeiert, doch auch das eher zu Hause und mit äußerst exklusiver Einladungspolitik. Auch die Kundschaft unterscheidet sich von der Rivalin im Engadin: Hier haben vor allem Schweizer, Deutsche, Griechen und Italiener ihre Zweit- bis Neuntwohnsitze, die Russen bevorzugen St. Moritz. Eindeutig am Gipfel steht Gstaad, wenn es um die Immobilienpreise geht. Diese haben in den gesamten Schweizer Alpen während der Coronapandemie noch einmal eine weitere Steilwand erklommen. Schweizer Immobilien gelten schließlich als sichere Anlage in Krisenzeiten, daher haben vor allem hochpreisige Regionen noch einmal zugelegt. Zudem stiegen laut Angaben der Schweizer UBS-Bank die Preise in Deutschland und Österreich deutlich stärker an, was Schweizer Ferienwohnungen in Relation einen Vorteil verschaffte. Laut »Knight Frank‘s Global House Price Index« stiegen die Preise in den Schweizer Alpen während der Pandemie um durchschnittlich 13,9 Prozent. In Gstaad kostet der durchschnittliche Quadratmeter 2023 laut Schweizer Immobilienpreisindex 13.000 Euro, das sind vier Prozent mehr als im Vorjahr. Der Durchschnittspreis für derzeit auf dem Markt befindliche Wohnungen beträgt 2,4 Millionen Euro, für ein Haus muss man gemittelt 7,5 Millionen Euro bezahlen, oft aber deutlich mehr – als Rekord gelten 90 Millionen im Jahr 2018. Diesen Wert sieht man den Chalets von außen nicht unbedingt an. Kaum eines sticht besonders heraus, sie wirken geradezu bescheiden und architektonisch fast banal. Und das ist durchaus gewollt. Seit 1956 achtet die Gemeinde mit strengen Bauvorschriften auf Einheitlichkeit: viel Holz, 30 Grad Dachneigung und praktisch keine neuen Baulandwidmungen. Das schränkt den Markt ein: Laut Schätzungen einheimischer Makler:innen wechseln nicht mehr als 15 Chalets pro Jahr den bzw. die Besitzer:in. Der Markt ist also sehr überschaubar und wird mit Gstaad-typischer Diskretion geschützt und gehegt – auf Anfragen nach Objekten und Hintergrundinformationen erntet man hier eine freundliche, aber bestimmte Absage. Auch hier gilt wie so oft: Die Kundschaft möchte in Ruhe gelassen werden, und man kommt ihrem Wunsch selbstverständlich nach.
SCHLUPFLOCH IM GESETZ
Das mag auch daran liegen, dass manche Käufer:innen gute Gründe haben, diskret zu bleiben. Zuletzt sorgte der Fall des Chalets »Flora« für ein ungewohntes Maß an Aufsehen. Dieses gehört einem kasachischen Staatsbürger, dessen Familie (mit einem Naheverhältnis zum dortigen Präsidenten) hier gleich mehrere Wohnungen besitzt, die auf unterschiedliche Familienmitglieder laufen. Ein Trick, um die sogenannte Lex Koller zu umgehen – jenes Gesetz sieht Einschränkungen für Ausländer:innen, die in der Schweiz Immobilien kaufen, vor. Im Juni dieses Jahres verlautete es schließlich, dass die 300 Quadratmeter große Villa »Flora« zwangsversteigert werde, weil eine Versicherungsrechnung nicht bezahlt wurde. Und auch Mohammed Saud Bahwan, Zentralbanker aus Oman, verfügt über deutlich mehr als ein Objekt in Gstaad. Man sieht: Die Schweizer Diskretion hat so ihre Verlockungen. Doch zum Glück gibt es Robbie Williams, der immer für gute Nachrichten zu haben ist. Auch er ist laut dem Portal immobilier.ch vom Genfersee kürzlich nach Gstaad gezogen. »Hier kann ich gut schlafen«, lobte der Sänger seine Schweizer Wahlheimat. »Ich schätze hier den Frieden, die Ruhe und die Sicherheit, die ich nirgendwo sonst fühle.« The last paradise in a crazy world.