(c) Jarosinski & Vaugoin

In aller Munde: Die Geschichte des Bestecks

Vom Teufelswerkzeug zum teuersten Luxus- und Designobjekt, vom antiken Tafelsilber bis zum Custom-Made-Besteck für Fine Dinings – das Design von Messer, Gabel und Löffel hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Das hat nicht zuletzt mit modernen Essgewohnheiten zu tun.

04.04.2024 - By Florentina Welley

Titelbild: Handwerkskunst: Die Besteckserie »No 143« aus Silber wird bis heute von Jarosinski & Vaugoin in Wien von Hand produziert. vaugoin.com

Längst ist es selbstverständlich, dass neben jedem Teller auch ein Besteck liegt. In der Gestaltung sind dabei selbstverständlich allerlei Unterschiede festzumachen. So scheinen Luxus und Romantik nie aus der Mode zu kommen und antike Modelle aus 925er-Sterlingsilber in Dekors zwischen Barock und Art déco werden aktuell besonders gerne auf Festtafeln gelegt. Aber auch schlichte zeitlose Edelstahl-Varianten werden nach wie vor nachgefragt. Während heute munter zwischen verschiedenen Stilen gustiert wird, war das Gedeck einst alles andere als selbstverständlich. Selbst auf königlichen Höfen wurden bis zum 18. Jahrhundert neben kostbaren Kristallgläsern und Porzellan nur große Tranchier-Messer auf den Tisch gelegt. Das Schneiden von Fisch und Fleisch überließ man Dienern.

Bestecke: Meisterwerke am Tisch

Besteck war wertvoll. Meist aus Gold und Silber, die Griffe aus seltenen Materialien wie Elfenbein, Perlmutt, Koralle, Bernstein, Bergkristall oder Buchsbaumholz. So sind antike Essbestecke, Meisterwerke der Handwerkskunst, heute begehrte Sammlerstücke. Wie etwa ein kleines sechseckiges, recht unscheinbares Holzkästchen. Es brachte seinem früheren Besitzer immerhin 1,8 Millionen Euro ein. Denn in der Holzbox steckte das älteste, vollständig erhaltene Besteckset Europas: Das »Basse-taille«-Besteck von 1615, aus der Werkstatt des Augsburger Silberschmieds David Altenstetter, bestehend aus 36 Teilen aus Emaille und Gold, wurde bei Christie’s London 2005 versteigert.

Besteck per Post: Anlässlich des 100. Geburtstag des Designers wurde das Besteck »2060« von Carl Auböck für Amboss im Vorjahr als Sondermarke aufgelegt.

Für kleine Hände: Gio Ponti orientierte sich bei der Gestaltung des Edelstahl-Essbestecks »Conca« 1951 an den Essgewohnheiten von Kindern. sambonet.com

(c) Sambonet

Die bewegte Geschichte des Bestecks

Während der Renaissance wurden übrigens vorwiegend Löffel und Messer verwendet, Bestecke als einheitlicher Satz aus Messer, Gabel und Löffel kamen erst ab dem 17. Jahrhundert auf den Tisch. Auch in der Form fand eine Evolution statt: Die Gabel veränderte sich etwa mit dem Aufkommen von Gemüse­speisen und wurde erst zwei-, dann drei- und schließlich vierzinkig. Bis ins 19. Jahrhundert brachten Gäste stets ihr eigenes Besteck zum Dinner mit. Erst im Zuge der Industrialisierung wurde es zur leistbaren Massenware. Besteckserien wurden sechs- bis zwölfteilig, und auch die Gabel langsam gesellschaftsfähig. (Wer eine Gabel statt der Finger zum Essen benutzte, galt lange als Gotteslästerer, vor allem Männer aßen lieber mit den Fingern.) Die Entwicklung von Gabel, Messer und Co. zu modern geformten Gebrauchsgegenständen ist auch den Bauhaus- und Jugendstil-Künstler:innen der Wiener Werkstätte zu verdanken. Berühmt wurde dabei etwa das Besteck der Serie »2060« aus gebürstetem Edelstahl, das Carl Auböck III 1955 für die Manufaktur Amboss entwarf. Mit einer Custom-Made-Serie setzte Carl Auböck V nun an den Entwürfen seines Großvaters wieder an und fertigte ein Neu­silber-Besteck für den Gastronomen Tobias Wachsenegger, ehemaliger Souschef im »Noble Savage«. Die Formen entsprechen dabei der Beschaffenheit der Speisen auf der Menükarte: Messer wurden verzahnt, Gabel- und Löffelformen an die Konsistenzen der Saucen angepasst, Oberflächen aus Messing mit Silber passiviert, damit Geschmäcker besser haften. Der Mailänder Vertreter des italienischen Rationalismus, Gio Ponti, richtete seine Besteckformen bereits in den 50er-Jahren nach den menschlichen Essgewohnheiten aus, etwa beim Kinderbesteck »Conca«. Alessi, das schon 1921 Bauhaus-Produkte herstellten und seit den 1980er-Jahren Designer wie Hans Hollein, Memphis Group oder Virgil Abloh verpflichtete, produziert auch heute noch Bestecke aus Edelstahl.

Beständiges Silber

Aber auch handgefertigtes Tafelsilber kommt selbstverständlich hie und da noch auf den Tisch. Etwa das 150-teilige Besteck, das die Silbermanufaktur Robbe & Berking aus 24-karätigem Gold für eine Kundin anfertigte – Kostenpunkt: knapp 300.000 Euro. Auch die Wiener Silberschmiede Jarosinski & Vaugoin, weltweit eines der letzten Unternehmen, das Silberbestecke von Hand fertigt, pflegt ihre Tradition. Gemeinsam mit Designern, wie Sebastian Menschhorn oder Thomas Feichtner, passt sie Löffel, Gabel und Messer in Form und Material weiterhin dem Geschmack an.

Centerpiece: Die Besteckserie »Conversational Objects« von Virgil Abloh für Alessi, hängt auf einem Ständer in der Mitte des Tisches, die Gäste sollen sich selbst bedienen. alessi.com

(c) Alessi

Antiker Schatz: Dieses Renaissance-Besteck wurde bei Christie’s London 2005 um 1,8 Millionen Euro versteigert. christies.com

(c) Christie's

Erschienen in:

Falstaff LIVING 02/2024

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