© Lukas Ilgner

Altbauten haben Charme und Einzigartigkeit. Doch worauf muss man bei einer Altbau­sanierung und im Umgang mit dem Denkmalschutz besonders achtgeben? Darüber sprechen der Architekt und Denkmalpflegeexperte Manfred Wehdorn, der Immobilienspezialist und Winegg-Prokurist Hannes Speiser sowie die Haustechnik-Planerin und Allplan-Chefin Susanne Schindler.

08.08.2022 - By Wojciech Czaja

Living Wie wohnen Sie selbst? Wofür schlägt Ihr Herz? Altbau oder Neubau?

Hannes Speiser Mein Herz schlägt für beides. Ich habe lange Zeit in einem Altbau gewohnt, da ich die Großzügigkeit, den Charme und die historische Atmosphäre sehr schätze. Vor Kurzem jedoch bin ich mit meiner Familie in einen Neubau gezogen. Die Flexibilität in der Planung und Entwicklung ist für uns optimal. Beides hat seine Vor- und Nachteile.

Susanne Schindler Ich wohne in einem Einfamilienhaus aus den Neunzigerjahren, habe eine Neubauwohnung in der Seestadt Aspern und ein altes Presshaus im Weinviertel. Unser Allplan-Büro wiederum befindet sich in einem gründerzeitlichen Altbau. Ich mag die Mischung!

Manfred Wehdorn Auch wir haben unser Büro in einem Altbau, und zwar im ehemaligen Gärtnerhaus des Schlosses Margareten, einem Biedermeierhaus mit barockem Kern. Das Ambiente ist großartig, wie man auf den Porträtfotos unschwer erkennt. Mein Wohnen aber findet in einem Neubau statt, den ich selbst vor etwa 30 Jahren für mich und meine Familie gebaut habe.

Herr Wehdorn, Sie haben Ihr Büro 1973 gegründet, haben sich seitdem eine Expertise in der Altbau- und Denkmalsanierung erarbeitet. Wie viele Projekte haben Sie in den letzten 49 Jahren realisiert?

Wehdorn Weit über tausend. Nächstes Jahr feiern wir uns 50-jähriges Bestehen!

Wie kam es zu dieser Leidenschaft?

Wehdorn Als ich in den Architekturberuf eingetreten bin, das war Anfang der Siebzigerjahre, befand sich die Baukultur auf einem absoluten Tiefpunkt. Die Architektur war, was die Qualität betrifft, einfach nur schrecklich. Ich dachte mir: Also, bevor du so etwas fabrizierst, dann baust du lieber um und arbeitest mit dem, was schon da ist!

Ein Appell für Wertbeständigkeit Hannes Speiser, Prokurist bei Winegg, wägt die Vor- und Nachteile von Sanierungen genau ab. Wer sich für eine Altbauimmobilie entscheidet, sagt er, entscheidet sich damit auch für Sicherheit und gehobene Wohnqualität.

Die unsichtbare Technikerin Susanne Schindler ist darauf spezialisiert, Altbauten technisch umzurüsten und mit neuen Energiesystemen zukunftsfit zu machen. Ihr Bestreben ist, ihre Arbeit so subtil und unsichtbar wie möglich in den Altbau zu integrieren.

Vor ihm ist kein Altbau sicher Unter den mehr als 1.000 realisierten Projekten von Manfred Wehdorn findet sich auch die Sanierung der Redoutensäle in der Hofburg. Als Denkmalpfleger schätzt er große architektonische und technische Herausforderungen.

Jetzt haben wir über den Energieträger gesprochen. Doch welche Möglichkeit gibt es, die Wärme und Kälte in die Wohnungen zu leiten? Über klassische Radiatoren?

Schindler Das geht natürlich auch, aber in der Regel arbeiten wie lieber über Niedrigtemperaturlösungen, die weniger Energie ­verbrauchen – also Fußbodenheizungen oder Bauteilaktivierung in Wänden und Decken, wenn das überhaupt möglich ist. Das hängt sehr stark von der Bauweise des Hauses ab, aber natürlich auch von der Raumhöhe und den räumlichen Gegebenheiten.

Geht das auch im Denkmalschutz?

Schindler Bei der Bauteilaktivierung müssen die Wände oder Decken aufgeschlitzt werden, damit man die wärme­führenden Leitungen darin verlegen und wieder verputzen kann. Ob das erlaubt ist oder nicht, muss im Einzelfall entschieden werden. Einer der jüngsten und innovativsten Ansätze, die ich kenne, bezieht sich auf Häuser aus den Sechziger- und Siebzigerjahren: Dort wird auf die Fassade ein Flächenheizsystem mit Dämmung aufgebracht. Die Außenwand wird so zum Energiespeicher, und man schafft eine Temperierung der Wohnräume.

Wehdorn Solche Innovationen wird es auch im Denkmalbereich geben müssen! Ich denke da nur an Photovoltaik, denn bei einem denkmalgeschützten Gebäude kann man nicht einfach PV-Paneele wie bei einem Einfamilienhaus aufs Dach knallen. Hier wird es gebäudeintegrierte Lösungen brauchen, die sich in puncto Farbe, Materialität und Konstruktion unauffällig in eine historische Dachlandschaft einfügen.

Speiser Auch bei der Digitalisierung im Bereich Fintech und Proptech rechne ich in Zukunft noch mit spannenden Innovationen, die die Altbausanierung in den kommenden Jahren noch attraktiver machen werden. Es tut sich viel in diesem Sektor.

Kommen wir zum Ende. Von welcher Sanierung träumen Sie?

Wehdorn Ich wünsche mir, dass wir auch im Altbau und Denkmalschutz in Zukunft mehr und mehr den Freiraum mitdenken.

Schindler Ich träume von einem Smart-Block, also von der Gesamtsanierung und Errichtung eines Niedertemperaturnetzes für einen zusammenhängenden historischen Straßenblock.

Speiser Unser Projekt »The Fusion« ist schon ein Traum. Er wird gerade ­Wirklichkeit!

Und welches Bauwerk würden Sie niemals sanieren wollen?

Schindler Den Stephansdom.

Speiser Repräsentative Bauwerke an der Ringstraße soll man modernisieren, aber wir dürfen diese Häuser in ihrer Grundstruktur nicht verändert.

Wehdorn Vor mir ist kein Haus sicher. Als Denkmalpfleger ist mir jede Heraus­forderung willkommen.

DIE LIVING-SALON-GESPRÄCHSPARTNER:INNEN

Manfred Wehdorn (80) studierte Architektur und Violine und gründete 1973 sein eigenes Architekturbüro mit Fokus auf Sanierung und Denkmalschutz. Internationale Bekanntheit erlangte er mit dem Wiederaufbau der Redoutensäle nach dem Hofburg-Brand 1992. Zu den weiteren Projekten zählen u. a. Stift Melk, Stift Admont, Gasometer sowie die Revitalisierung des Wiener Gartenbaukinos. wehdorn.at

Susanne Schindler (66) studierte Facility-Management und arbeitet seit 1980 für Allplan, seit 1984 als geschäftsführende Gesellschafterin. Das Wiener Consulting-Unternehmen ist auf Gebäudetechnik, Bauphysik und innovative Energielösungen spezialisiert und realisiert derzeit u. a. die ehemalige k. u. k. Postdirektion und den Campus der ÖAW in Wien. Außerdem ist sie Vizepräsidentin des Verbands der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe (VZI) allplan.at, vzi.at

Hannes Speiser (37) studierte Bauingenieurwesen und Immobilienmanagement und ist seit 2008 in der Immobilienentwicklung tätig. Seit 2017 ist er Prokurist bei der Winegg Realitäten GmbH und zuständig für die Projektentwicklung. Aktuell realisiert Winegg das Sanierungsprojekt »The Fusion« im vierten Wiener Gemeindebezirk. winegg.at, the-fusion.at

Aufmarsch im Altbau Gekommen, um über Sanierung zu diskutieren: Architekt Manfred Wehdorn leitet seit fast 50 Jahren ein Büro, das auf Sanierung und Denkmalschutz spezialisiert ist. Susanne Schindler ist Geschäftsführerin des Wiener Consulting-Unternehmens Allplan mit einer langjährigen Expertise in der Gebäudetechnik. Und Hannes Speiser ist Prokurist bei Winegg Realitäten, dessen Immobilienportfolio viele historische Altbausanierungen umfasst.

Aufmarsch im Altbau Gekommen, um über Sanierung zu diskutieren: Architekt Manfred Wehdorn leitet seit fast 50 Jahren ein Büro, das auf Sanierung und Denkmalschutz spezialisiert ist. Susanne Schindler ist Geschäftsführerin des Wiener Consulting-Unternehmens Allplan mit einer langjährigen Expertise in der Gebäudetechnik. Und Hannes Speiser ist Prokurist bei Winegg Realitäten, dessen Immobilienportfolio viele historische Altbausanierungen umfasst.

© Lukas Ilgner

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 05/2022

Genuss – das ist zentrales Thema der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

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