© Hamonic + Masson Associés

Pariser Architektur: »PARIS MUSS DYNAMISCH BLEIBEN«

Das Architekt:innenteam Jean-Christophe Masson und Gaëlle ­Hamonic ist maßgeblich am Bau von Grand Paris beteiligt. Im RESIDENCES-Interview erklärt Masson, wie sich hier lebendige Quartiere entwickeln lassen und wie man Grand Paris emotional im Bewusstsein der Bewohner:innen verankert.

21.08.2023 - By Maik Novotny

Header Bild: Urbanes Wohnen Das Projekt von Hamonic + Masson für das Eco-Quartier in Saint-Ouen-sur-Seine wird bis 2025 fertiggestellt.

Gaëlle Hamonic und Jean-Christophe Masson gehören mit ihrem Büro Hamonic + Masson & Associés zu den profiliertesten Wohnbauarchi-tekt:innen Frankreichs. Kein Wunder, dass sie zu den Gewinner:innen des Wettbewerbs »Inventons la Métropole de Grand Paris« gehörten, der die besten Ideen und Projekte für die neue Metropole suchte und dabei ganz neue Stadtbilder und Stadtvisionen für die Zwölf-Millionen-Megalopole erzeugte. Im Interview erklärt Jean Christophe Masson, wie Grand Paris zum Erfolg werden kann.

Living Grand Paris ist ein großer Begriff, aber was bedeutet er eigentlich? Zentrum plus Banlieue oder etwas ganz Neues?

Jean-Christophe Masson Grand Paris ist immer noch eine etwas vage Idee. Aber Paris intra muros ist für viele nicht mehr leistbar und attraktiv, vor allem für junge Leute und die Mittelklasse. Die Stadt muss ihre Diversität und ihre Dynamik erhalten, und Grand Paris bietet die Chance dazu. 

Was erwartet man sich von Grand Paris? 

Zuallererst die Querverbindungen, die nicht übers Zentrum führen. Der erste Ring hat schon eine sehr schnelle Entwicklung erfahren, zum Beispiel in Pantin und in den Städten, die über die Seine oder die Parks mit Paris verbunden sind. Die Verlängerung der Metrolinien hat diese Attraktivität verstärkt. Die neuen Metrostationen in den außen liegenden Städten werden noch eine Herausforderung, weil man hier nicht die gleichen Fehler machen darf wie früher. Wir müssen gemischte, lebendige Quartiere entwickeln.

Verändert Grand Paris die Vorstellung der Pariser:innen von ihrer Stadt? Und was wäre Ihre Idealvorstellung dafür?

Beides hat miteinander zu tun. Es gibt einen gewissen Snobismus der wohlhabenden Pariser:innen, die von allen Vorteilen der Stadt profitieren. Aber viele Paare mit Kindern können sich das Wohnen dort nicht mehr leisten. Auch deshalb darf sich Grand Paris nicht wie ein Downgrade anfühlen. Man darf nicht weniger wert sein, wenn man an den Rand zieht. Interessant ist, dass die meisten Pariser:innen einen weiteren Begriff der Metropole haben als Leute aus den Vororten. Die »weiche Mobilität« kann hier zum Erfolgsgaranten werden.

Wie wichtig ist das Metroprojekt Grand Paris Express für die Stadtentwicklung?

Die neuen kreisförmigen Linien werden sehr wichtig für die Querverbindungen und auch jene ins Zentrum. Die Bahnhöfe werden zur wirtschaftlichen Herausforderung mit großem Entwicklungspotenzial, aber auch Kanäle, Parks, Wälder und historische Kulturstätten können neue Attraktoren werden. Das alles muss mit der Entwicklung einer Identität und eines Zugehörigkeitsgefühls einhergehen. Es geht also nicht nur darum, einfach nur Wohnungen zu bauen, sondern es braucht von Anfang an Infrastruktur: Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Spielplätze, Natur. Aber natürlich ist die Qualität des Wohnens der Schlüssel zum Erfolg. Wohnen ist das Abbild der Gesellschaft, Wohnen ist Kultur. Wir ­brauchen heute eine Stadt der Großzügigkeit.

Sie sind selbst auf Wohnbau spezialisiert. Welche Formen qualitativen Wohnens lassen sich in Grand Paris realisieren?

80 Prozent der Stadt sind Wohnen. Es ist wie das Wasser im menschlichen Körper. Wir ­müssen also diese 80 Prozent außergewöhnlich machen, mit der besten Qualität. Die Stadt ist wie ein Buch. Sie erzählt ihre Geschichte durch die Ideen aller vorherigen Generationen. Uns geht es nicht um Nostalgie, aber um die kollektive Kultur als natürliche Umgebung. Jede Stadt sollte ihre passenden gegenwärtigen Antworten dafür finden und nicht einfach irgendwelche Konzepte importieren. 

Wie setzen Sie das konkret in Ihren Planungen für Grand Paris um? 

Nehmen wir zum Beispiel unser Projekt »High Garden« in Rueil Malmaison, etwa acht Kilometer westlich von Paris. Dort wird es eine Mischung aus Wohnen, Handel, Co-Working, Brauerei, Panoramarestaurant und öffentlichen Räumen geben. Hier wird es in Zukunft auch eine Station des Grand Paris Express geben. Kern unserer Idee ist aber die Natur, die alles zusammenhält, mit großen Balkonen, ­hängenden Gärten und einem 400 Quadratmeter großen gemeinsamen Dachgarten. Eine Rooftop-Bar hängt wie in einer Wolke über allem, und ein Panoramaausblick ermöglicht es, das ganze Quartier von oben zu erleben. Das Projekt ist derzeit im Bau und wird 2024 fertiggestellt sein.

Sind Hochhäuser eine sinnvolle Lösung für Grand Paris?

Die Größe der Architektur hängt immer vom jeweiligen Ort ab, hat aber einen direkten Einfluss auf unsere emotionale Reaktion. Daher befürworten wir eine Balance zwischen einer Dichte in der Breite und in der Höhe. Paris hat seit den 1970er-Jahren ein Hochhaus-Trauma erlitten, und es gibt heute leider noch eine starke politische Opposition gegen neue Türme, daher muss man hier sehr sensibel vorgehen.

DIESER ARTIKEL ERSCHIEN IM RESIDENCES 2301.

Denkt in großen Maßstäben »Die Stadt ist wie ein Buch. Sie erzählt ihre Geschichte durch die Ideen aller vorherigen Generationen« – Architekt Jean-Christophe Masson. hamonic-masson.com

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Vision der Stadt-Natur Für Architektin Gaëlle Hamonic sind Grün und Großstadt kein Widerspruch, im Gegenteil: Sie sieht die Landschaft als identitätsstiftend für Grand Paris.

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