Proptechs: Digitalisierung bei Immobilien
Wenn intelligente Heizsysteme zu einem sexy Tool werden, ist eine Trendwende in der Immobilienbranche gewiss. Wie Proptechs Eigentümer:innen und Bauträger:innen nun auf neuen Wegen helfen.
26.01.2024 - By Magdalena Meergraf
Header-Bild: »mirror« in Graz-Reininghaus Bewohner:innen des preisgekrönten Hochhauses buchen Sauna und Gemeinschaftsräume über eine exklusive App des Proptechs Pocket House.
Digitale Technologien sind in der Immobilienbranche stets auf fruchtbaren Boden gefallen. Hausbesichtigungen via Virtual Reality, anschauliche 3D-Wohnungsmodelle oder Smart Locks galten schnell als die neuen »Nice-to-have«-Gadgets. Aktuell sind es aber vielmehr »Must-have«-Technologien, die den Ton angeben. Denn die neue EU-Taxonomie sowie die erforderliche Modernisierung von Gebäuden in Verbindung mit dem Arbeitskräftemangel und den steigenden Energiekosten haben Unternehmen dazu veranlasst, nach effizienteren Lösungen zu suchen. Gefunden haben sie diese in den digitalen Innovationen auf dem Proptech-Sektor.
Traditionsbranche in Bewegung
Die Bezeichnung Proptech, kurz für Property Technology, bezieht sich auf alle Aspekte moderner Technologien im Immobilienumfeld: von der Finanzierung über den Bau und die Vermarktung bis hin zum Wohnen. »Gerade Krisensituationen führen dazu, bestehende Strukturen zu überdenken. Dies gilt auch für die Immobilienbranche. Sie hat dank der jüngsten Krisen die echten Stärken der Proptechs erkannt«, sagt Julia Arlt, Obfrau der Austrian PropTech Initiative (apti), im Talk mit RESIDENCES. Digitalisierung sowie Automatisierung vereinfachen und vergünstigen nicht nur verschiedene Abläufe. Beides kann auch den Wert einer Immobilie massiv steigern. »Kaffee wurde zu Nespresso, Autos wurden zu Tesla. Und Wohnungen werden nun zu energieeffizienten Immobilien. Diese haben enorm an Attraktivität und Marketingwert gewonnen«, weiß Expertin Julia Arlt aus Erfahrung.
Lieblingsthema Effizienz
Der neue Fokus liegt auf Nachhaltigkeit und somit auf dem gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Federführend in diesem Bereich ist Gropyus. Das deutsch-österreichische Start-up bietet unter Einsatz modernster Technologie Mehrfamilienhäuser in Fertigbauweise an. Das gesamte Bausystem wurde firmenintern geplant und setzt primär auf Holz. Die einzelnen Module können in der eigenen Fabrik gefertigt und auf der Baustelle in kürzester Zeit zu mehrstöckigen Häusern verbunden werden. Sämtliche Schritte sind vollständig digitalisiert. Doch nicht nur Planung und Bau übernimmt Gropyus selbst, das Start-up hat außerdem ein Betriebssystem entwickelt, welches vom Licht bis zur Jalousie alles regelt und in jedes Gebäude bereits integriert ist. Diese Verbindung von Effizienz mit Komfort und schönem Design ermöglicht ein Wohnerleben, wie es sonst nur in Luxusimmobilien Standard ist. »Bei Gropyus kommt alles aus einer Hand und wir hören nicht mit der Übergabe der Schlüssel auf. Wir denken das ›Produkt Wohnen‹ neu und ganzheitlich«, sagt Geschäftsführer Markus Fuhrmann. Der Immobilienriese Vonovia stieg zuletzt mit 100 Millionen Euro in das Start-up ein. Somit gilt Gropyus in der Branche mittlerweile als »Soonicorn«, also als baldiges »Unicorn« – damit sind Firmen mit einer Bewertung von über einer Milliarde gemeint.
Kosten senken ohne Aufwand
Ähnlich große Träume verfolgt auch das deutsche Start-up aedifion. Das vielversprechende Proptech hat eine Software entwickelt, mit der Immobilienbesitzer:innen ihre Betriebskosten analysieren und senken können. Erfolgsgeschichten wie die des Bürokomplexes »One Cologne« oder des »Kaiser Hofs« in Köln zeigen, dass beachtliche Einsparungen von bis zu 30 Prozent möglich sind. Das Hauptprodukt von aedifion besteht in einer Cloud-Plattform, die alle Daten eines Gebäudes in Echtzeit sammelt und Erkenntnisse daraus in optimale Energienutzung umsetzt. Dabei wird klassische Ingenieurtechnik mit künstlicher Intelligenz verbunden. Die Technologie ist selbstlernend und bezieht automatisch Faktoren wie beispielsweise Wetterprognosen mit ein. Sowohl im Neubau als auch im Bestand braucht es dafür nur ein einfaches digitales Upgrade, versichert aedifion. Für das Service zahlt man monatlich, es lässt sich zudem monatlich kündigen – ähnlich einem Netflix-Abo. »Plötzlich wird die intelligente Steuerung von Heizungsanlagen zu einem sexy Tool«, sagt Julia Arlt, die dem Unternehmen den apti-Award 2023 in der Kategorie »Best PropTech-Corporate Cooperation« überreichen durfte. Damit wurde die jüngste Kooperation von aedifion mit der Strabag ausgezeichnet. Die Produkte des Start-ups sollen das Kund:innenservice des Konzerns auf ein neues Level heben.
Management in der eigenen Hand
Zu den Gewinner:innen des apti-Awards 2023 zählt außerdem das österreichische Start-up Pocket House. Die aufstrebende Firma entwickelt individuelle Apps für jedes Gebäude. Die Anwendung vereint verschiedene Services wie E-Tankstellen, Paketboxen, Informations- und Kommunikationskanäle bis hin zur Raumbuchung. Als Erfolgsbeispiel gilt das Wohnhochhaus »Mirror« in Graz-Reininghaus. Hier können die Bewohner:innen exklusive Zusatzangebote wie Spa-Räume oder Sauna direkt über eine App buchen. Das Projekt wurde 2022 mit dem Award »Wohnbauten des Jahres« ausgezeichnet. Für Pocket House folgte außerdem eine Partnerschaft im großen Stil mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Das erste Projekt des gemeinsamen Joint Ventures war eine App für das Parlament in der Bundeshauptstadt. Erst kürzlich präsentierte Pocket House seine zweite Produktlinie: die »deilma«-App für Raumvermietungen aller Art. »›deilma‹ kann man kostenlos im App-Store herunterladen. Es funktioniert wie Airbnb, ist aber für Räume und auf Stundenbasis buchbar«, fasst Geschäftsführerin Simone Rongitsch im Gespräch mit RESIDENCES zusammen. »Unsere Kund:innen haben die Möglichkeit, ihre Räume mit einem digitalen Zutrittssystem zu verbinden, damit die Nutzung schlüssellos abgewickelt werden kann. Auch Schadensmeldungen sind möglich. Ist ein
Blick in die Zukunft
Egal ob man das Trendbarometer von EY Real Estate befragt oder den »Austrian PropTech Report« zur Hand nimmt, die Immobilienbranche ist sich weitgehend einig: Der Erfolg von Geschäftsmodellen steht und fällt langfristig mit der Automatisierung durch digitale Technologien. 2024 wird das Jahr der Proptechs. Julia Arlt ist sich sicher: »Je mehr Proptech auf bestehende Probleme eingeht, desto erfolgreicher wird diese Technologie sein.«