Raumakustik: Experte verrät, worauf es ankommt
Der Konzertsaal muss die Zuhörer:innen klanglich vereinnahmen, das Großraumbüro die Lautstärke möglichst gering halten. Der Spagat zwischen den Extremen darf diskutiert werden. Der LIVING-Talk mit dem Raumakustikexperten Fabio Kaiser.
15.06.2022 - By Moritz Weinstock
LIVING Seit wann beschäftigen sich Menschen mit dem Thema Raumakustik?
Fabio Kaiser Die wissenschaftliche -fundierte Auseinandersetzung mit der Raumakustik hat bereits vor 120 Jahren begonnen. Herr W. C. Sabine hat an der Harvard-Universität vertiefte Forschungen zur Akustik in Hörsälen durchgeführt, und so auch die berühmte und nach wie
vor im Alltag eingesetzte »Sabine’sche Nachhallgleichung« entwickelt. Was definitiv zu beobachten ist, ist ein langsam und stetig wachsendes Bewusstsein für die Auswir-kungen der Raumakustik. Zum Beispiel hat das ikonische Projekt der Hamburger Elbphilharmonie das Thema ins Licht gerückt. Aber auch die vermehrten Videokonferenzen in den letzten Jahren haben einen spürbaren Bewusstseinsschub erzeugt.
Welche Auswirkungen hat eine schlechte Raumakustik auf uns Menschen?
Zum Beispiel wirkt sich ein hoher Schallpegel im Raum in Schulen oder Büros auf unsere Konzentrationsfähigkeit aus. Resultat ist eine geringere Produktivität. Bei Besprechungen stellt sich die Frage, wie leicht es uns fällt, sich zu verständigen. Eine ungeeignete Akustik kann zu einer erhöhten Erschöpfung führen. An der Universität oder an Schulen wird es sehr deutlich, dass eine hohe Sprachverständlichkeit notwendig und für effizientes Lernen Grundlage ist.
Was gilt es in der Regel zu verbessern? Wo sind die Stellschrauben, an denen gedreht werden kann?
Bei den meisten Projekten, zu denen wir gerufen werden, geht es um eine zu hohe
Halligkeit im Raum. Das heißt, der Nachhall im Raum ist zu lang für die jeweilige Nutzung. Es können aber auch diskrete Echos oder Flatterechos auftreten, welche eine Störung der Nutzung eines Raums verursachen. Die Bausteine (zur Verbesserung, Anm. d. Redaktion) sind Schallabsorber, Schalldiffusoren und Schallreflektoren. Zu einem gewissen Grad sind diese Bausteine unvermeidbar, wenn man an Tische, Stühle, Regale, Sofas oder Teppiche denkt. In einer gewöhnlichen Wohnsituation führen diese oft bereits zu einer angenehmen akustischen Situation. Reicht dies jedoch nicht aus, so müssen vor allem Schallabsorber an Wänden und Decken angebracht werden.

Dipl.-Ing. Fabio Kaiser ist Partner und Senior Consultant im Akustikbüro Rohde Acoustics, Leiter der Rohde Acoustics Academy sowie Mitbegründer von Amadeus Acoustics. Er ist zudem als Lektor an der TU Wien und an der FH St. Pölten tätig. Ehrenamtlich ist er Geschäftsführer der
Österreichischen Gesellschaft für Akustik.