© Brigida González

Sonneschutz im Sinne der Nachhaltigkeit

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in der Architektur zunehmend an Bedeutung. Ein Gespräch mit Prof. Amandus Samsøe Sattler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, über aktuelle Entwicklungen und die Bedeutung von außenliegendem Sonnenschutz.

01.09.2023 - By Redaktion

Header Bild Der moderne quaderförmige Bau der Herz-Jesu-Kirche in München fällt durch viel Glas und die riesigen Tore auf.

LIVING Sie sind Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – was ist die Aufgabe dieser Gesellschaft?

Amandus Sattler Im Verein sind alle Branchen der Bauwirtschaft repräsentiert, von der Planung bis zur Immobilienentwicklung. Wir wollten ein System anbieten, mit dem nachhaltiges Bauen nachvollziehbar und messbar wird. Über die Zertifizierung von Gebäuden, durch welche die unterschiedlichen Aspekte des nachhaltigen Planens, Bauens und Betreibens praktisch anwendbar werden, soll das gefördert werden. Das hat auch mit finanziellem Erfolg zu tun. Eine zertifizierte Immobilie ist mehr wert als eine, die nicht zertifiziert ist. In Zukunft spricht man davon, dass Gebäude, die keine Zertifikate vorweisen können, aus dem Markt fallen.

Wo steht die Baubranche beim Thema Nachhaltigkeit heute?

Es finden große Bemühungen in vielen Bereichen der Branche statt. Es gibt tolle Leuchtturmprojekte, ­Forschungsprojekte und Start-ups. Die Frage ist aber, bis wann wir in eine umfassende Umsetzung kommen und die Politik mit entsprechenden Gesetzen nachzieht. Auch die Gesellschaft muss bereit sein, konsequent nachhaltig zu leben und auch beim Bauen keine Kompromisse zu machen. Das braucht noch ein paar Jahre oder sogar Jahrzehnte, würde ich sagen. 

Wo muss die Gesellschaft hin, wie weit muss das gehen?

Es gibt immer mehr Normen, die auch mehr fordern, auch Gesetze unterstützen viele expansive Ansätze, die kontraproduktiv sind. Im Umbau werden noch immer die gleichen Standards gefordert wie im Neubau, hier brauchen wir Veränderung. Das nennen wir die Bauwende. Es entsteht gerade ein Bewusstsein für die Möglichkeiten im Bereich der Sanierung. Aber im Gegensatz dazu steht die immerwährende Forderung nach Wachstum, die in der ­Politik immer noch ganz klar vorhanden ist. Wir brauchen jetzt eine Vollbremsung, sonst erreichen wir unsere Klimaziele nicht. Mit Neubau oder Ersatzneubau kommen wir nicht dorthin, wo wir hinmüssen. Und deswegen lautet die dramatische Meldung: Wir müssen weniger neu bauen! Das gefällt vielen nicht, weil sie damit ihr Geld verdienen. Aber wenn wir das ernst nehmen, was wissenschaftlich ­fundiert nachgewiesen wird, dann müssen wir rasch unsere ­Produktivität ändern. 

Würden Sie es als Fehlentscheidung sehen, Fenster oder Fassaden ohne integrierte ­Sonnenschutzsysteme zu kaufen?

Allerdings. Nicht jeder versteht, das richtige System auszuwählen. Weil eben auch ­Sonnenschutz nicht gleich Sonnenschutz ist. Viele denken nur an die normale Standardjalousie. Dann schauen am Ende alle Häuser gleich aus, wenn die Sonne scheint. Textile Behänge finde ich besonders interessant. Damit kann dem Haus noch mal eine andere ästhetische Qualität, vielleicht sogar mit Farbe verliehen werden. Der Sonnenschutz mit all seinen Konsequenzen ist im Entwurfsprozess genauso wichtig und ernsthaft zu behandeln wie jedes andere Thema! Ein besonderer Aspekt ist auch, wie man Tageslicht ins Gebäude bringt, trotz des benötigten Sicht-, Blend- und Hitzeschutzes. Das spart auch Energie und erspart den Nutzern das Arbeiten bei Kunstlicht. Ich glaube, außenliegender Sonnenschutz muss bei allen Wohn- und Gewerbegebäuden Standard werden. 

Auf welche Projekte und Highlights Ihrer Laufbahn sind Sie besonders stolz?

Es gibt ein Projekt, auf das ich bis heute stolz bin, obwohl ich es aus Gründen der Nachhaltigkeit so nicht mehr bauen würde. Die Herz-Jesu-Kirche in München, die ein Glashaus ist, lebt von dem natürlichen Licht im Raum, das durch die besonderen Fassaden modelliert wird. Das Licht erschafft so den Raum. Aber ein Glashaus heizt sich im Sommer auf und kühlt im Winter auch aus. Wir konnten der Auftraggeberin – der Kirche – ja nicht eine Klimaanlage anbieten, mit der sie mal schnell 16.000 Kubikmeter überhitzte Raumluft kühlt. Das Gebäude ist ein großer einschiffiger Raum, außen aus zum Teil bedruckten Gläsern, innen mit einer zweiten Schale aus Holzlamellen. Es ist uns gelungen, die ­Kirche auf natürliche und regenerative Weise zu klimatisieren und nutzbar zu machen.

Das Bürogebäude in der Stuntzstraße in München, errichtet 1971, wurde nun zeitgemäß und nachhaltig revitalisiert.

© Allmann Sattler Wappner Architekten

Amandus Samsøe Sattler Architekt und Professor an internationalen Universitäten, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Er war Referent beim Hella -Architektur Club 2022, einem Event für -spannenden Austausch, fesselnde Experten-vorträge und wertvolles Networking. 

Hella Sonnen- und Wetterschutztechnik: hella.info

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