Tradition als Herzstück der Evolution – Architekt Peter Pichler im Interview
Peter Pichler sorgt mit seinen spektakulären Projekten weltweit für Aufsehen. Nun wird ein Entwurf von ihm am Faaker See realisiert. Wichtig ist dem Architekten, die Regionalität zu begreifen und in die Objekte zu übersetzen.
29.06.2022 - By Heimo Rollett
LIVING In den USA werden Baumhäuser gebaut, die Sie eigentlich für Südtirol entworfen haben – stimmt das?
PETER PICHLER Ja, wir haben 2017 an einem italienischen Wettbewerb teilgenommen, bei dem es darum ging, eine Hotelerweiterung vorzuschlagen, und wir kamen auf die Idee mit den Baumhäusern. Dieses Projekt wurde nicht weiterverfolgt, aber unser Entwurf erregte die Aufmerksamkeit unseres derzeitigen Kunden in den USA, der nun dieses erstaunliche Projekt in West Virginia entwickelt.
Wie hat Sie Ihre Zeit in Wien beeinflusst?
Das hat mich sicher sehr geprägt, ja, vor allem auch die Wiener Kunstszene. Walter Pichler, ein bekannter Künstler und Cousin meines Vaters, war da aktiv. Nach der Matura brachte mich Walter dazu, in Wien Architektur zu studieren. Er hat mir eine andere Sichtweise von Architektur vermittelt und war eine echte Inspiration.
»Disruption entsteht durch eine Reflexion des Bestehenden.« – PETER PICHLER, Architekt
Viele Ihrer Entwürfe bilden einen formalen Kontrast zu ihrer Umgebung, die Spiegelhäuser hingegen sind von einer Seite aus praktisch unsichtbar. Wie kam es dazu?
Die Projekte von PPA versuchen, sich so weit wie möglich in die bestehende Umgebung einzufügen. Der Kunde der Mirror Houses, der in einem Bauernhaus aus den 60er-Jahren auf dem Gelände wohnt, bat darum, Immobilien zu entwerfen, die als luxuriöse Ferieneinheiten vermietet werden können, so dass die Gäste ihre kleine autonome Wohnung haben und die Erfahrung, mitten in der Natur zu leben, voll und ganz genießen können. Dabei sollte ein Höchstmaß an Privatsphäre sowohl für den Bauherrn als auch für die ansässigen Gäste gewährleistet werden. Das verspiegelte Glas an der West- fassade grenzt den Garten des Bauherrn mit den Einheiten ab und fängt das umgebende Panorama mit dem Pool ein, während es die Einheiten fast unsichtbar macht.
Sie betonen in Ihrer Architektur die jeweilige Regionalität. Wie übersetzen Sie das Alpine in die Architektur?
Bei PPA glauben wir, dass die Tradition das Herzstück der Evolution ist. Disruption entsteht durch eine Reflexion des Bestehenden. Dieser Ansatz ist bei unseren Projekten im Alpenraum leicht zu erkennen, durch die Neuinterpretation traditioneller Elemente, die Erforschung der volkstümlichen Architektur und der lokalen Lebensweise können wir die Besonderheiten einer Kultur in unsere Entwürfe übersetzen.
Schnitzereien aus Zirbenholz, Filz, Stein und karierte Tischdecken – reicht das nicht, um alpin zu sein? Oder anders gefragt: Sind Klischees gerechtfertigt?
Bei PPA geben wir uns nicht mit Verallge- meinerungen zufrieden. Wir ziehen es vor, uns auf die Forschung zu stützen, auf ein echtes Verständnis einer Kultur, um diesen Ort der Zugehörigkeit in unsere Entwürfe übersetzen zu können.
Neben Regionalität ist auch Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema, aber kann Tourismus überhaupt nachhaltig sein?
Ich denke, dass ein radikaler Wandel in unserer Branche notwendig ist, und zwar schnell. Als Architekt:in realisiert man wahrscheinlich 50 bis 100 Gebäude in seinem Leben. Natürlich kann man mit diesen Gebäuden nicht die Welt oder das Klima verändern, aber sie sollten eine Inspirationsquelle für andere Architekten:innen oder Student:innen werden. Für uns beginnt Nachhaltigkeit mit einer langfristigen Sichtweise und einer intelligenten Zusammenarbeit mit motivierten und hervor- ragenden Berater:innen und Ingenieur:innen. Nur gemeinsam können wir etwas Sinnvolles tun und die Aufmerksamkeit der Bauherr:in- nen wecken, um langfristig zu denken und einen Beitrag zu leisten, weniger Energie zu verbrauchen und das Klima zu retten.