Was wurde aus ... Jasper Morrison?
Jasper Morrison gilt als Meister der Funktionalität. Die Prinzipien des Normalen hat er in den letzten 40 Jahren auf die Spitze getrieben und dabei gezeigt, wie man Ikonen von Dauer kreiert und dabei alles andere als Mittelmaß ist.
14.02.2024 - By Manfred Gram
Der Normalitätsbegriff ist eine ambivalente Angelegenheit. Zunächst einmal klingt »normal« ziemlich harmlos. Es ist ja nichts einzuwenden gegen das Vertraute, das Durchschnittliche oder Meistvertretene. Dummerweise lauert dahinter aber schon der Abgrund, denn das »Normale« verweist immer auch darauf, wie etwas sein sollte. Und wenn dann jemand auf die Idee kommt, das Normale einzufordern und hinter sich eine Armee des Mittelmaßes versammelt, könnte es brenzlig werden. Man kann davon ausgehen, dass Jasper Morrison, dem britischen Star-Kreativen, der in London, Paris und Tokio eigene Designstudios betreibt, die diskursiven Dissonanzen rund um die »Normalität« bekannt sind. Und es ist eine gestalterische, philosophische und vor allem menschliche Höchstleistung des mittlerweile 64-Jährigen, dass er zeitlebens nie in die Fallen getappt ist, die das Normale so bereithält. Im Gegenteil: Gemeinsam mit dem japanischen Designer Naoto Fukasawa hat er den Begriff sogar erweitert und vor fast 20 Jahren das Konzept des »Supernormalen« formuliert, das er gerne so erklärt: »Dinge, die supernormal sind, bleiben über eine lange Zeit funktional und richtig. Es sind Dinge, die geschätzt werden für ihre funktionalen Qualitäten und nicht so sehr dafür, wie sie aussehen.«
Champion der Funktionalität
Die Konsequenz, mit der Morrison zu Werke ging, brachte ihm jedenfalls den schönen Spitznamen »Champion der Funktionalität« ein und er avancierte zu einem der stilprägendsten Designer der 1990er- und 2000er-Jahre, indem er gestalterische Prinzipien wie sie von Dieter Rams oder Max Bill gepredigt wurden, weiterdrehte. »Neunundneunzig Prozent aller Designobjekte sollen schnell wahrgenommen werden, das ist Teil der Marketingstrategie vieler Unternehmen. Aber Objekte, die man sofort wahrnimmt, sind meist nicht die besten Alltagsbegleiter, sie stören die Atmosphäre durch ihre überbordende Präsenz«, erklärte er einmal in einem Interview.
Folglich produzierte der Absolvent der Kingston Polytechnic Design School und des Royal College of Art in London ausschließlich angenehme Alltagsbegleiter. Der Output aus fast 40 Jahren ist enorm. Er umfasst etwa Sofas für Cappellini, Elektronisches für Olivetti, Samsung und Sony oder zeitlose Alltäglichkeiten für Magis, Flos, Alessi und Vitra. Dinge, die meistens auch gegenwärtig noch zu haben sind. Unter anderem im eigenen Shop »Super Normal«, der sich unmittelbar bei seinem Londoner Studio befindet. Nebst Produkten anderer Hersteller:innen und Kreativer, die in Morrisons Supernorm-Konzept passen. »Hier wird verkauft, was uns richtig erscheint«, kommentiert Morrison dieses kleine Nebengeschäft. Morrison, der übrigens stets als sehr freundlich, zurückhaltend und bescheiden beschrieben wird, bleibt also in der Spur und dabei kompromisslos. Beim Blick auf die Design-Gegenwart ist er übrigens sicher, dass das Zeitlose siegen wird. Zu viel an Trends hat er kommen und gehen und wieder kommen und dann gehen sehen. »Was derzeit geschieht, hat etwas Dekadentes an sich, das mich an die Postmoderne erinnert. So etwas schlägt stets ins Dekorative um. Ich gehe davon aus, dass die Menschen früher oder später dessen überdrüssig werden und zu etwas weniger Auffälligem zurückkehren werden.« Wenn’s so weit ist, schlägt einmal mehr die Stunde des Supernormalen. Vielleicht sogar mit einer Uhr, die Jasper Morrison gestaltet hat …