(c) Thomas aus der Au

EIN 350-JAHRE ALTES TRAUMHAUS IN BÜNDEN

Mit seinen grossen Bogentoren, dem weiss getünchten Gemäuer und den Sgraffiti wirkt das Bündnerhaus in Latsch ob Bergün fast wie das Wohnhaus vom Schellen-Ursli. Vor dem respektvollen Umbau mit aufwendiger Restaurierung war das 350-jährige Gebäude eine einzige baufällige Ruine.  

05.03.2024 - By Christina Horisberger

Titelbild: Rückgrat Alt und neu bilden ein kontrast-reiches Miteinander: der historische Strickbau des historischen Wohn-geschosses mit dem eingeschobenem neuen Treppenkern aus Sichtbeton.

Gut 350 Jahre hatte das stattliche Bündner Bauernhaus in Latsch ob Bergün schon auf dem Buckel, als es von Felix Partner Architektur Design zu neuem Leben erweckt wurde. Der auf einem Plateau liegende Weiler verfügt über ein paar wenige Engadinerhäuser mit typischer Raumaufteilung: Die drei- bis viergeschossigen massiven Wohnhäuser aus Stein und Holz hatten ihren Stall im leicht tieferliegenden Erdgeschoss. Das runde Eingangstor führt in den sogenannten Sulèr und Court. Beides sind grosse Räume, in denen auch gearbeitet wurde. Angegliedert daran sind die kleinteiligen Räume wie Küche und Speisekammer. Darüber liegen die heimelige Stube und die Schlafzimmer. Sie sind in Strickbauweise gebaut und »wie Kisten in das Wohnstallhaus integriert«, erklärt Architekt Peter Felix. Beim Haus in Latsch befand sich auf dieser Etage zudem eine Räucherkammer. Allerdings hat das Haus auch immer wieder Veränderungen und Anpassungen erfahren. »Es war ein mutiger Entscheid, sich an ein solches Objekt zu wagen«, erinnert sich der Architekt, »denn die Sanierung des Bestands erwies sich als ein Fass ohne Boden. »Während der Bestandsaufnahme und -untersuchung traten viele Risse, Feuchtigkeitsschäden und Hohlräume hinter dem Verputz zutage.

Bewahren des Bestands

Eines jedoch war allen Beteiligten von Beginn weg klar: »Wir wollten ohne Kompromisse die typologischen, architektonischen und materiellen Charakteristiken dieses Gebäudes beibehalten«, so Peter Felix. Dies bedeutete, dass die zu bewahrende Bausubstanz den Rahmen vorgab für das gewünschte Raumprogramm. Um keine zusätzlichen Durchbrüche zu machen, wurden Küche und Badezimmer in die bestehende Raumarchitektur integriert. Die bogengewölbte Küche ist lediglich mit einer massiven Kücheninsel möbliert, um so den historischen Charme wieder aufleben zu lassen. Auf der anderen Seite ermöglichten der Stall im Garten- und die einstige Scheune im Eingangsgeschoss einen grosszügigen räumlichen Umgang für die Wohnhalle mit Vollverglasung zur Loggia. Auch hier haben Felix Partner Architektur Design die alte Bausubstanz mit den Rundbalken und Bruchsteinmauern sichtbar belassen. Und die kantige Betondecke des luxuriösen Spas mit Sauna, Dampfbad und Pool erinnert an die einstige Balkendecke des Stalls.

Wellness statt Stall: Das luxuriöse Spa befindet sich auf der Ebene des Gartengeschosses und nahm früher den Stall auf. Die Betondecke mit ihren Rippen erinnert an die historische Holzbalkendecke.

(c) Thomas aus der Au

Luftiger Raum: Die Loggia mit ihrer Holz­konstruktion und Latten­verkleidung ist eine moderne Erweiterung der Wohnhalle über dem Sockelgeschoss.

(c) Thomas aus der Au

Bautechnische Herausforderungen

Eine Herausforderung aus architektonischer Sicht betraf auch die Grundsubstanz: Es gab keinerlei Haustechnik, keine Sanitärinstallationen und nur eine Holzfeuerung. Um den Baubestand als Ganzes zu bewahren, standen weder eine Aussenisolation noch eine Innendämmung zur Diskussion. Da allerdings eine neue Brandschutzmauer zum Nachbarhaus eingezogen werden musste, bot es sich an, den Sulèr mit einer Wandheizung zu versorgen. Nur in den kleineren Räumen wurden, wo es nötig war, Radiatoren integriert. In der Wohnhalle sind es Bodenkonvektoren.

Tradition modern interpretiert

Die neue Betontreppe, die wie ein Turm in das Gebäude »eingefädelt« ist, hebt sich explizit vom Bestand ab. Designerin Rahel M. Felix gestaltete als wohnliches und atmosphärisches Element zudem ein Farb- und Materialkonzept, ausgehend von einer sorgfältigen Analyse der traditionellen Sgrafitti und Wandmalereien im Dorf. Daraus entwickelte sie ein neues geometrisches Ornament für die Gebäudeecke mit diagonal zulaufenden Linien. Dieses Motiv findet sich auch in der Wandbemalung der Wohnhalle und im Teppichdesign wieder. Die Teppiche von Kramis sowie die wenigen, zum Teil traditionellen Bauernmöbel gehören wie selbstverständlich zur Architektur. Und um die einzelnen charakteristischen Räume perfekt auszuleuchten, haben Felix Partner Architektur Design eigens Leuchten aus schwarzen Stahlzylindern entwickelt.

Das Haus als Energiezentrale

Was das Ferienhaus nicht auf den ersten Blick preisgibt: Es bezieht seine Energie komplett über Solarpanels, Photovoltaik und Erdwärme. Die jeweils im Sommer erzielte überschüssige Wärme wird im Felsen gespeichert und in der Heizperiode wieder herausgeholt. Diese zukunftsweisende Energieversorgung hat dem Bündnerhaus in Latsch den Solarpreis 2020 eingebracht. »Alles in allem war es ein aufwendiges Projekt«, resümiert Peter Felix. Unter anderem, weil sehr viele Details erst vor Ort geklärt und gelöst werden konnten. Neben vielen Gesprächen mit den besten Handwerkern vor Ort mussten Bauabläufe neu gedacht werden. »Ohne unsere Handwerker, die bereit waren, alles zu geben, wäre es uns nicht gelungen, das Projekt auf diesem perfekten Level zu realisieren«, betont der Architekt.

DIESER BEITRAG ERSCHIEN IM FALSTAFF LIVING SCHWEIZ 2023/02.

Dusche freigestellt: In einem der Gewölberäume im OG wurde Dusche mit Lavabo ebenfalls als ein skulpturales Volumen integriert.

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Schöne Patina: Die einstige Speisekammer mit neuer Kücheninsel und ursprünglicher Patina.

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Neuer Glanz: Das stattliche 350 Jahre alte Bündnerhaus in Latsch lässt heute kaum mehr erahnen, dass es vor Restaurierung und Umbau eine Ruine war.

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Geräumige Wohnhalle: Die einstige Scheune des Bündnerhauses in Latsch ermöglichte eine grosse Wohnhalle. Die Rund­balken sind original. Die Wandmalerei und der handgetuftete Teppich von Kramis basieren auf dem Farb- und Materialkonzept von Rahel M. Felix.

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