© Ronan Bouroullec

Gewebte Erzählungen: Die Bedeutung und Neuerfindung des Teppichs

Natur, Handwerk und künstlerischer Anspruch verknüpfen sich im Teppich seit jeher zu langlebigen Wohnobjekten. Viele Designer:innen zeigen auch aktuell, dass der Teppich immer wieder neu erfunden werden kann und von seiner Bedeutung dennoch nichts einbüßt.

21.03.2024 - By Marlene Mayer

Faden an Faden, Knoten um Knoten, gefärbt, gespannt, gefilzt. Ob aus Wolle, Seide oder auch Brennnesselgarn – ein Teppich ist mehr als bloß ein Stück Stoff für den Raum. Wenn alles gut geht, viel mehr – ein vielschichtiges Gewebe aus Geschichten und Traditionen, aus Gestaltungswillen und echter Handwerkskunst, nämlich. Dabei handelt es sich dann auch um ein Spannungsfeld, in dem sich Gestalter:innen oft besonders wohlfühlen. Weil sich hier Können und Kreativität verbinden und dabei auch Neues entsteht. Und so beschäftigen sich zurzeit auch gleich eine ganze Reihe an Designer:innen besonders intensiv mit Garnen für den Wohnraum. Für das dänische Label »Kvadrat« übersetzt der umtriebige Ronan Bouroullec (gerade brachte er eine Menswear-Kollektion in Kollaboration mit Issey Miyake heraus, seine Arbeiten sind im Centre Pompidou zu sehen und auch bei der Salone del Mobile wird er mit einer Werkschau präsent sein) etwa seine berühmten Pinselstriche in eine neue, textile Ordnung. Anhand zusammengesetzter Seile ahmt er den typischen Effekt seiner Zeichnungen nach: Durch die ständige Wiederholung der Linien, entstehen eigenständige Muster und einnehmende Oberflächen. Gar nicht unähnlich sind die Effekte, die bei den Teppichen des deutschen Designstudios Nomad zu sehen sind. Der Blick auf das Objekt ist dabei aber anders motiviert.

Teppich aus Zuckerlpapier. Für den »Candy Wrapper« von Nomad wird Zuckerlpapier mit Schurwolle verwebt. nomad-studio.de

Foto beigestellt

Nachhaltiges Glitzern

Denn Gründerin und Chefdesignerin Jutta Werner möchte zeigen, dass Upcycling geschmackvoll sein kann, etwa wenn es ansprechend glitzert. Für ihre Linie »Candy Wrapper« verwebt sie überproduziertes Zuckerlpapier, das sonst im Abfall gelandet wäre, mit indischer Wolle. Auch Fahrradschläuche und Schaffellreste sind ihr schon in den Teppich gekommen. »Es gibt kein schlechtes Material«, sagt Werner, die für ihre Auseinandersetzung mit dem Wohntextil vielfach ausgezeichnet wurde, »wichtig ist nur der Kontext, in den man es setzt.« Ihre Haltung zum Zustand der Welt haben auch die Campana-Brüder Fernando und Humberto in einen Teppich eingearbeitet (Fernando verstarb 2022, die Arbeit am Teppich für Folia begannen sie aber noch im Duo). Das Ergebnis ist beeindruckend, aber nicht weniger verstörend. Denn die Krokodil-Collage soll »den Wahnsinn, in dem die Welt sich befindet«, darstellen, meint Humberto Campana. »Die Krokodile stellen Dystopie und Krieg durch ein kannibalisches Festmahl dar. Mit anderen Worten: unsere Selbstzerstörung.« Auch die Arbeiten der jungen belgischen Designerin Emma Terweduwe kommen recht kraftvoll und selbst­bewusst daher. Geometrische Muster und knallige Farben werden bei ihr zu textilen Wohnobjekten, die sich zwar nicht an traditionellen Techniken orientieren, aber dennoch das Potenzial zum modernen Klassiker haben.

Dabei hat die erstarkte Faszination für den Teppich für die meisten Protagonist:innen viel mit Traditionen zu tun – und man kann sie auch konkret verorten. Denn Knüpftechniken und Naturmaterialien sind stets mit bestimmten Regionen verbunden – vor allem das Himalaya-Gebirge wird dabei von Designer:innen und Künstler:innen besonders intensiv frequentiert. Hier stolperte Jutta Werner über ein glitzerndes Paketband, das zur Grundlage für ihr Designkonzept wurde, hier entdeckte der Schweizer Textildesigner Christoph Hefti seine Leidenschaft für den Teppich, als er sich in einer Fabrik durch Garnreste arbeitete und dabei lauter Schätze entdeckte, die rasch zu Entwürfen wurden.

Treffpunkt Kathmandu

Das hat nicht zuletzt mit Jan Kath zu tun. Der deutsche Ausnahme-Teppichdesigner ist mit der Region besonders verbunden. Nun eröffnete er einen »Rug and Art Space« in Kathmandu. »Viele Luxusmarken produzieren hier, aber die Menschen, die ihre Entwürfe in Hunderten Stunden Arbeit umsetzen, bleiben unerwähnt«, erklärt Kath dann auch seine Motivation. In seinem Art Space treffen Handwerk und Design also auf Augenhöhe aufeinander – der klassische Nährboden für kreative Entwürfe.

Weiterlesen: Jan Kath im Interview

Erschienen in:

Falstaff LIVING 02/2024

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