© Björn Siegrist

Loft Life: so lebt die Innenarchitektin Christine Tschan

Wie lässt es sich wohnen in einem ehemaligen Bürogebäude der Nachkriegsmoderne? Die Innenarchitektin Christine Tschan zeigt, wie in diesem Umnutzungs-Vorzeigeprojekt in Baden stilvolles Wohnen möglich ist.

12.02.2024 - By Gerald Brandstätter

Titel-Bild: Sichtbeton Innenarchitektin Christine Tschan entschied sich, die bestehenden Betonstrukturen sichtbar zu lassen und machte aus der 4,5-Zimmer-Wohnung ihren persönlichen Loft. Blick von der Loggia in Richtung Ess- und Wohnbereich.

Im Jahr 1958 errichtete das damalige Technologieunternehmen Brown, Boveri & Cie, nachfolgend ABB und heute Alstom, vier Bürobauten an der Römerstrasse in Baden. Für die Neubauten musste auch das Eigenheim von Charles E. L. Brown, einem der Firmengründer, abgerissen werden. Dadurch ging ein Hauptwerk von Curjel und Moser Architekten verloren, die in Zürich unter anderem den Altbau des Kunsthauses und das Hauptgebäude der Universität entworfen haben.

Grosszügige Raumfluchten

Die vier fünfgeschossigen Bürogebäude liegen zur Limmat hin an einem bewaldeten Steilhang. Diese attraktive, zentrumsnahe Lage zeigte sich als prädestiniert für eine Umnutzung in Wohnraum. Beim Um- und Ausbau wurden die geometrisch klaren und horizontal betonten Volumen der bestehenden Bauten beibehalten. So auch die Struktur der Fassade sowie die Stützen und Rippendecke der Betonkonstruktion. Entstanden sind 78 Eigentumswohnungen unterschiedlicher Grösse. Deren 3,20 Meter hohe, nordseitigen Wohnungen erhalten aufgrund durchgehender Fensterfronten eine grosse Exklusivität. Das fortlaufende Fensterband wird lediglich durch zurückversetzte Loggien unterbrochen, was die Wohnungen hell und lichtdurchflutet macht.

Loftige Höhen Aus den ehemaligen Bürogebäuden wurden Eigentumswohnungen. Innerhalb des rohen Industrial-Looks der Räumlichkeiten setzt die Möblierung besondere Akzente.

© Björn Siegrist

Zuhause und Büro Das multifunktionale Regal «606» dient als Raumtrenner, Stauraum, Bibliothek und Homeoffice und gliedert den Hauptraum.

© Björn Siegrist

Grosse Herausforderung

Für die Innenarchitektin Christine Tschan erwies sich die Entscheidung, eine der grosszügigen 4,5-Zimmer-Wohnungen ab Plan zu erwerben und sie nach eigenen Vorstellungen auszubauen, als grosse Herausforderung. Denn der Standard-Innenausbau, die Materialisierung und die Käuferoptionen entsprachen weder ihren, noch den Vorstellungen ihres Ehemanns. Ihre Vision war ein persönliches, aussergewöhnliches Refugium mit Spielraum für Design und Kunst. Die langjährige Erfahrung im Um- und Ausbau von Wohneigentum ermöglichte es der Innenarchitektin, das räumliche Potenzial des Ausbaus vorab auszuloten. Ihr Anspruch war es, ein nicht alltägliches, aber klares Wohnerlebnis mit rauem, industriellem Charme zu schaffen. Die Planung und Gestaltung des gesamten Ausbaus passte sie ihren persönlichen Bedürfnissen an. Die gestalterische Herausforderung bestand in der Entwicklung des Innenausbaus mit zusätzlich notwendigem Stauraum und der Definition eines Material- und Farbkonzepts unter Berücksichtigung des rohen Industrie-Stils. So bereinigte Christine Tschan den Grundriss zugunsten durchgehender Sichtachsen und maximalen Tageslichteinfalls. Sämtliche Zimmertüren und dazugehörige Wandteile wurden weggelassen, der Schlafbereich wurde durch eine Badenische erweitert. Einzig der Schlafbereich sowie die Nasszellen und Reduits sind mit Schiebetüren ausgestattet. Die offene Küche verfügt über einen direkten Zugang zu einem der beiden Reduits. Das Ergebnis ist ein offener Grundriss mit fliessenden, durchgehenden Raumfluchten.

Blickachsen Blick vom Eingang geradeaus in den Wohn- und Essbereich, links Blick in Richtung Garderobe und Atelier.

© Björn Siegrist

Lichte Atmosphäre Durchgehende Fensterfronten und eine Raumhöhe von 3,20 Metern schaffen beste Voraussetzungen für viel Licht und eine leichte Wohnatmosphäre.

© Björn Siegrist

Material und Atmosphäre

Prägend für die Atmosphäre der Räumlichkeiten ist die bestehende, brutalistisch wirkende Beton-Rippendecke, welche eine starke architektonische Geste des Bestandes darstellt. Die Kombination mit schwarzem MDF als Frontmaterial für sämtliche Innenausbauten bringt den Charakter der Rohbauarchitektur zum Ausdruck. Auch die Küche ist aus schwarzem MDF gefertigt, mit Abdeckungen in massivem Chromstahl «Black Range». Der schwarze Wasserhahn vervollständigt den Industrial-Look. Die sorgfältig proportionierten Innenausbauten mit hohem Detaillierungsgrad tragen wesentlich zur Wohnqualität in den einstigen Büroräumen bei. Ebenso die drei massgefertigten transluziden Faltvorhang-Fronten, die den Abschluss von Ankleide, Schuhschrank und Reduit im Atelierbereich bilden. Die Schiebetüren der Nasszellen sind mit Bullaugen aus Drahtglas ausgestattet. Als Kontrastmaterial sind industriell brünierte Messingblech-Verkleidungen für bestimmte Flächen wie Kochinsel, Oberschrank, Hinterlegung der Griffmulden und im Badschrank eingesetzt worden. Verbindendes Element der rund 155 Qua­dratmeter Wohnungsfläche ist das neu verlegte Eichenparkett. Es bildet ein warmes, wertiges Fundament für die Einrichtung.

Einrichtungsmix

Innerhalb des rohen Industrial-Looks der Räumlichkeiten setzt die Möblierung besondere Akzente. Diese besteht grösstenteils aus vorhandenem Mobiliar, das Christine Tschan im Laufe der letzten 50 Jahre gesammelt hat; ein spannender Mix aus über einem halben Jahrhundert Designgeschichte, ergänzt durch zahlreiche Leuchten, Kunstwerke, Kunsthandwerklichem und persönlichen Sammelstücken aus der Natur. Wesentliches Element und das Lieblingsstück der Innenarchitektin im Wohnbereich ist das zeitlose, multifunktionale Regal «606» von Dieter Rams, 1962 für Vitsœ entworfen. Es dient als Raumtrenner, Stauraum, Bibliothek und Homeoffice. Es gliedert den Hauptraum und schafft mit Architektur-, Kunst- und Kochbüchern bestückt, eine wohnliche Atmosphäre. Weitere Highlights sind das einladende, schlammfarbene Sofa «Sfatto» von Edra, das eine moderne Gemütlichkeit ausstrahlt. Der Esstisch «Seven» von B&B Italia unterbricht mit seiner organischen Form die geometrischen Linien im Raum. Die Einrichtung und das gesamte Interieur sind ein Spiegel der eigenen Persönlichkeit der Innenarchitektin. Hier lässt sich ihre jahrelange Erfahrung im Umgang mit baulichen Strukturen, Oberflächen, Materialien und Farben erkennen. Die Möbel integrieren sich bestens in die Substanz der Räume, obwohl es keine Neuanschaffungen sind. Zeitgemässes, urbanes Wohnen, ohne den radikalen Groove zu verlieren – das war die Vision der Innenarchitektin; die sie mit Bravour umsetzen konnte.

DIESER BEITRAG ERSCHIEN IM LIVING SCHWEIZ HEFT 23/02.

Gebrochener Brutalismus Auch im Schlafzimmer finden sich diverse Designklassiker wie auch die freistehende Badewanne von Agape. Schön zeichnet sich hier der bordeaux­farbene Fries gleich unterhalb der brutalistischen Rippendecke ab.

© Björn Siegrist

Hell-Dunkel-Kombination Harmonische Farb- und Materialkombinationen auch im Bad: schwarzes MDF für die Badmöbel, Eichenparkett, ein schwarzer Stuhl «Seconda» (Mario Botta für Alias) und Kunst in Schwarz-Weiss.

© Björn Siegrist

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Lifestyle & Genuss – das sind die zentrale Themen der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 24/03