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Digitalisierung: Alles über Building Information Modelling

Digitalisierung ist längst Alltag. Dennoch verändert sie sich rasend schnell und die gebaute Umwelt verändert sich immer schneller mit. Building Information Modelling (BIM), intelligente Mobilität, künstliche Intelligenz – eine Standort-bestimmung von Stadt und Architektur. 

21.03.2024 - By Maik Novotny

Titelbild: Digitales Umbauen Auch dort, wo Alt und Neu aufeinandertreffen, hilft BIM enorm. Etwa beim RAIQA in Innsbruck, das um eine bestehende Konstruktion neu geplant wird. pxt.at

Die Zeiten, als man beim Stichwort Digitalisierung noch an das Hobby harmloser Nerds dachte, sind lange vorbei. Seit gut einer Generation ist unser Alltag recht flächendeckend durchdigitalisiert. Aber bei Häusern und Städten, die ja in der Regel aus physischer Substanz bestehen, ist die Digitalisierung nicht auf den ersten Blick sichtbar. Doch sie ist überall. Etwa im Verkehr: Helsinki, kürzlich auf Platz eins des Urban Mobility Readiness Index gewählt, setzt nicht nur auf E-Mobilität und gute Fußwege, sondern auch auf den digitalen Zwilling. Mit diesem lässt sich ein realitätsnahes Abbild der Welt erstellen, mit dem man präzise simulieren und planen kann. In der Architektur ist dies unter dem Begriff BIM (Building Information Modelling) längst gebräuchlich. Christoph Achammer, Vorstandsvorsitzender des Planungsbüros ATP und Digitalisierungs-Pionier, erklärt, wie unsere digitale Zukunft aussehen kann.

LIVING Bei ATP plant man bereits seit 2012 mit BIM. Was hat sich seither geändert?

Christoph M. Achammer Der Gedanke daran treibt mich schon seit 2000 an. Den Begriff BIM verwende ich allerdings zurückhaltend, weil viele meinen, dabei handle es sich einfach um eine dreidimensionale Darstellung. Das ist es aber nicht, es ist die virtuelle datengestützte Darstellung der gebauten Wirklichkeit. Eine Türe ist nicht einfach ein 3D-Objekt, sondern ein Informationsträger.

Funktioniert das nicht nur dann, wenn alle Beteiligten mitmachen?

Ja, es muss ein dynamischer Planungsprozess sein, der für alle in Echtzeit sichtbar ist. Leider sträubt sich die Bauindustrie immer noch zu oft gegen die integrale Planung. Aber uns kommen zwei Faktoren entgegen: die zunehmende Erkenntnis, dass wir die Verschwendung in den Prozessen vermeiden müssen, und der Faktor ESG (Anm: Environmental, Social and Governance) und Umwelt.

Digitale Präzision: Die von ATP entwickelte Schnittstelle BIM2AVA erlaubt schon im Planungsstadium die Produkte für den Einbau exakt zu bestimmen. Beispiel-projekt: Das IMP Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie, Boehringer Ingelheim Austria, Wien. atp.ag

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»Die KI kann die beste Lösung aus dem Vergleich von Datensätzen ermitteln. Aber kreativ sein kann sie nicht.« Christoph M. Achammer, Vorstandsvorsitzender, ATP architekten ingenieure

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Welchen Vorteil hat die Digitalisierung für die Umwelt?

Bei uns verlässt kein Entwurf das Haus ohne einen grauen CO2-Fußabdruck. Das gilt auch für die »rote Energie«, also den Betrieb. Wenn wir weiterdenken in Richtung zirkuläres Bauen, wird das um so wichtiger. Denn wenn ich nicht weiß, welche Materialien in einem Haus schlummern und wann ich auf sie zugreifen kann, kann ich sie nicht sinnvoll im Sinne der Kreislaufwirtschaft verwenden.

ATP hat rund 1.700 Mitarbeiter:innen. Inwiefern ermöglicht Ihnen die Digitalisierung, dezentral zu arbeiten?

Das würde ich nicht überbewerten. Ich bin ein Verfechter der gemeinsam erlebten Kreativität. Die persönliche Diskussion im selben Raum ist durch nichts ersetzbar, und ich halte für unsere Branche auch nichts von Home-Office. Aber wir müssen Büros bauen, die diese Arbeits­weise ermöglichen, und wir bauen pro Jahr 200.000 bis 300.000 Quadratmeter solcher New Work Environments.

Wie beeinflusst BIM die Gestaltung und das Aussehen von Bauten?

Man braucht eine intellektuelle Redlichkeit, damit man sich nicht vom digitalen Werkzeug verführen lässt. Wenn ich auf einer Visualisierung sechs Meter hohe Bäume sehe, die im 30. Stock auf einer 20-Zentimeter-Betonplatte stehen, sieht das vielleicht cool aus, aber es wird nie funktionieren. KI macht diese Entwicklung noch extremer.

Welche weiteren Entwicklungen sehen Sie in puncto KI?

Wir haben ermittelt, dass wir 40 bis 50 Prozent unserer Prozesse mittelfristig durch KI unterstützen oder ersetzen lassen können. Das heißt, dass wir produktiver werden und uns schöneren Dingen zuwenden können. Denn die KI kann die beste Lösung aus dem Vergleich von Datensätzen ermitteln. Aber kreativ sein kann sie nicht. Die Frage, welche Daten das sind und welche Qualitäten sie haben, wird spannend, aber herausfordernd.

Digitale Eleganz: Schnittige und komplexe Formen erinnern an die Karosserie eines Autos, ermöglicht durch BIM, wie hier beim Future Art Lab in Wien.

Digitale Formgebung: Das Markas Headquarter im Stadtzentrum von Bozen mit seiner ikonisch-mutigen Konstruktion wurde von ATP mittels BIM geplant.

Erschienen in:

Falstaff LIVING 02/2024

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