(c) Mario Kroess

Frank Gehry entwirft für Louis Vuitton

Die Kraft der Bewegung ist essenziell für die Arbeit des Star-Architekten Frank Gehry. Das wird auch im Zuge der aktuellen Kollaboration mit Louis Vuitton deutlich. Im LIVING-Exklusiv-Talk spricht der Pritzker-Preisträger über die Sinnlichkeit von Objekten, Taschen als Skulpturen und seine Faszination für Fische.   

22.03.2024 - By Marlene Mayer

Titelbild: Star-Architekt Frank Gehrys Handschrift ist unverkennbar, ob bei seinen monumentalen Bauwerken oder diesen modischen Miniaturen.

Wenn Gebäude tanzen und Objekte schwingen, stehen die Chancen gut, dass Frank Gehry die Finger im Spiel hat. Denn der amerikanische Ausnahme-Architekt haucht dem Statischen seit jeher Bewegung ein und macht Leichtigkeit in seinen Entwürfen sichtbar. Das sieht man auch seiner aktuellen Taschenkollektion für das Modehaus Louis Vuitton deutlich an: Insgesamt zehn limitierte Modelle der berühmten »Capucine«-Bag sind im Zuge dieser Kollaboration entstanden, bei denen Gehry seine architektonischen Schlüsselthemen – allem voran dynamische Formen, inspiriert aus dem Tierreich – in die Welt der Mode übersetzt.

Handliche Skulpturen von Frank Gehry

Zu sehen sind dabei etwa gleich zwei Entwürfe mit Fischen – einmal leuchtend rot auf weiß, mit flatternden Schuppen, einmal als aufwendige Stickerei einer Skizze Gehrys auf Krokodilleder. Auch die »Twisted Bag«, die bereits 2014 für die »Monogram«-Kollektion entstand, wird neu aufgelegt. Im Österreich-Exklusiv-Talk erzählt er uns von seiner besonderen Beziehung zum Maison Louis Vuitton, von seiner Auseinandersetzung mit Handwerk und Material und seiner Lust daran, Grenzen zu überschreiten.

LIVING Sie verbindet eine lange Zusammen-arbeit mit Louis Vuitton. Wenn wir zurück auf die Anfänge blicken: Was war das erste gemeinsame Projekt und was hat es für Sie bedeutet?

Frank Gehry Das erste Projekt war der Bau der Fondation Louis Vuitton. Ich weiß noch genau, wie ich mit Bernard Arnault durch den Jardin d’Acclimatation ging und mir die Tränen kamen. Der Ort ist so geschichtsträchtig und das Projekt war so modern. Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, dass Arnault mir diese Aufgabe anvertraut hat. Und was Louis Vuitton von Anfang an mitgebracht hat und auch heute noch auszeichnet, ist der tiefe Respekt für Künstler und den künstlerischen Prozess.

Wie kann man sich das genau vorstellen?

Der Prozess ist kollaborativ und iterativ und nicht immer linear. Wir probieren Dinge aus, wir stoßen dabei auf Neues, wir sehen, was funktioniert und was nicht. Louis Vuitton beschäftigt ein unglaubliches Team von Designern und Handwerkern, die sich auch wirklich in den Kreationsprozess einbringen, was eine sehr dynamische Art zu arbeiten möglich und dabei auch wirklich Spaß macht.

Sie haben ganz unterschiedliche Projekte miteinander realisiert – von der monumentalen Fondation Louis Vuitton über Taschen, Koffer bis hin zu Parfümflaschenverschlüssen. Was ändert sich für Sie eigentlich, wenn sich der Maßstab ändert?

Ehrlich gesagt, gar nicht so viel. Ich versuche immer, den trägen Materialien Gefühle zu entlocken. Die meisten Parfümflaschen von Louis Vuitton sind etwa zylindrisch. In der Hand fühlt sich jeder Flakon gleich an. Ich wollte aber, dass die Menschen, die ihren Duft in die Hand nehmen, ein sinnlicheres Erlebnis haben. Deswegen hat mein Flakon eine weichere Form mit Rundungen in zwei Richtungen, aber auch zwei leichte Rillen, die an beiden Seiten verlaufen. Diese Rillen verleihen dem Produkt eine eher skulpturale Qualität, die den Prozess des Auftragens selbst sinnlicher macht.

Ihre Handskizzen sind auf der Art Basel Miami Beach ausgestellt gewesen, gleichzeitig sind Sie auch für hochtechnologische Entwicklungen bekannt. Wie verbinden Sie Technologie und traditionelles Handwerk in Ihren Projekten?

Mein Designprozess kann recht locker sein, zumindest bis sich eine grundlegende Richtung entwickelt. Sobald die festgelegt ist, arbeite ich mit einer unglaublichen Gruppe von technischen Architekten zusammen. Wir haben das Digital Project mitentwickelt, das uns eine sehr präzise Zusammenarbeit mit unseren Beratern ermöglicht, sodass es zu keinen Überschneidungen zwischen den einzelnen Arbeiten kommt. Diese Technologie steuert auch die Herstellung der Gebäudeteile und auch deren Zusammenbau.

Was ist das Rezept für eine erfolgreiche und dauerhafte Zusammenarbeit, auch für Kooperationspartner?

Einander zuzuhören und die Bedürfnisse und Perspektiven des anderen zu respektieren. 

Flagship-Store Seoul: 2019 sorgte Frank Gehry bereits mit seinem Entwurf für das Louis Vuitton Maison in Seoul für Aufsehen.

(c) Yong Joon Choi

Blumen in Handarbeit: Das Modell »Mini Blossom« greift Gehrys berühmten Parfum-Flakon zur Kollektion »Les Extraits« auf.

(c) Piotr Stoklosa

Architektur zum Tragen: Vor allem beim Modell »Concrete Pockets« zeigt sich die typische Formen-sprache Frank Gehrys deutlich.

(c) Louis Vuitton

Tragbare Skulpturen: Mit seiner limitierten Edition der »Capucine«-Bag übersetzt Frank Gehry seine post-strukturalistische Linie in die Sprache der Mode.

(c) Louis Vuitton

LIVING Mit der Louis Vuitton x Frank Gehry Taschenkollektion setzen Sie Themen um, die Ihnen nahe sind. Die Taschen werden dabei zum Medium. Wie sind Sie bei der Auswahl der Designs vorgegangen?

Frank Gehry Bei den Taschen arbeite ich mit meiner Schwiegertochter Joyce Shin Gehry zusammen. Joyce ist sehr talentiert und hat ein tolles Auge. Sie hat angefangen, alle Arten von Taschen zu entwerfen und mit v erschiedenen Themen und Formen zu spielen. Die Arbeit innerhalb der »Capucines«-Form bedeutete, dass wir uns mehr mit Textur, Farbe und Grafik beschäftigten, als wir es vielleicht getan hätten, wenn wir ganz von vorne angefangen hätten.

Konnten Sie Ihre ursprüngliche Vision und Intention für diese Werke umsetzen?

Es geht nicht so sehr darum, die ursprüngliche Vision zu realisieren. Vielmehr geht es darum, mit dem Team zusammenzuarbeiten, zuzulassen, dass das Projekt sich entwickelt und gemeinsam ein Objekt der Begierde zu schaffen. Die Taschenmacher und Hand­werker, die an den Taschen arbeiten, haben Einschränkungen, was das Leder oder die Materialien angeht. Man muss mit diesen Grenzen arbeiten und entscheiden, wo man diese Grenzen vielleicht auch einmal überschreitet. Wir haben jedenfalls Objekte hergestellt, die meine kühnsten Träume übertroffen haben.

Für diese Taschenkollektion haben Sie auch die »Twisted Box«-Bag, die Sie bereits 2014 für die 160-Jahr-Feier des Hauses entworfen haben, in neuen Farben wieder aufgelegt. Was gefällt Ihnen ein Jahrzehnt später an dem Design?

Ich habe damals mit Delphine Arnault an dem Monogram-Projekt gearbeitet. Sie hatte eine Vision für die »Celebrating Monogram«-Kollektion und hat dennoch jedem Künstler den nötigen Raum gegeben, um etwas Neues zu schaffen. Ich liebe diese kleine Tasche wirklich. Ich liebe den Bogen auf der Unter­seite der Tasche und wie sie, wie eine Skulptur, auf dem Tisch steht. Alle Beschläge sind maßgefertigt, ebenso wie das Monogramm auf der Innenseite der Tasche.

Sie haben einmal gesagt: »Ich habe beschlossen, dass der Fisch das Modell für die Zukunft der Architektur ist, weil er eine skulpturale Bewegung ausdrückt.« Erzählen Sie uns mehr darüber, wie Tiere Sie inspirieren, und warum das auch im Rahmen des »Art Basel Miami«-Projekts wichtig ist?

Die Fische waren meine Reaktion auf die Postmoderne. In den 1980er-Jahren begeisterten sich einige meiner Architektenkollegen für eine Ausstellung von Beaux-Arts-Zeichnungen, die das MET zeigte, und einige von ihnen begannen, historische architektonische Details in ihre Arbeiten einzubeziehen, was später als Postmodernismus bekannt wurde. Sie reagierten damit auf die Sterilität der Moderne und waren der Meinung, dass historische Ornamente die Lösung seien. Für mich geht es bei der Architektur darum, in der Zeit, in der man lebt, etwas zu schaffen und nicht die Vergangenheit zu reproduzieren.

Und dieser Gedanke hat Sie zu Fischen gebracht?

Genau. Ich sagte: »Wenn ihr das Bedürfnis habt, in der Zeit zurückzugehen, dann geht nicht zu den Römern und Griechen, sondern 300 Millionen Jahre weiter zurück zu den Fischen!« Diese Tiere haben mich einfach fasziniert und ich studierte sie genau. Schnell wurde klar, dass die Form sehr architektonisch ist. Ich begann sie zu skizzieren und merkte, dass ihre Form und dieses Gefühl der Bewegung etwas war, das ich in einem Gebäude einfangen wollte. Für eine Modenschau in Italien habe ich dann einen ziemlich kitschigen Fisch mit Kopf und Schwanz entworfen. Es war ein bisschen peinlich, aber wenn man daneben stand, konnte man die Bewegung spüren und das war wiederum sehr aufregend. Dann begann ich, ihn auf die wesentliche Form zu reduzieren – ich schnitt Kopf und Schwanz ab, und man konnte die Bewegung immer noch spüren. Die Bewegung wurde zu meinem Ornament.

Der Zeit voraus: Frank Gehry ist begnadeter Planer und Visionär.

(c) Mario Kroes

Erschienen in:

Falstaff LIVING 02/2024

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