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Natur als Mega-Trend: Prada und die Sehnsucht nach Echtem

Ein »Urban Office Jungle auf Waldausflug« könnte man das Setting der Prada Herbst/Winter Männermodeschau 2024 interpretieren. Miuccia Prada und Co-Designer Raf Simons ließen die Models über einen Glasboden laufen, unter dem Gras, Moos und ein echter Flusslauf arrangiert waren. Die auserwählten Gäste nahmen auf Bürostühlen Platz. Im Städter lodert offenbar die Sehnsucht nach Natur brennender denn je. Was bedeutet der anbrechende Mega-Trend für Architektur und Interior-Design?

15.01.2024 - By Verena Schweiger

Angekündigt wurde die Herbst/Winter 2024 Männerkollektion von Prada unter der Kreativdirektion von Firmengründerin Miuccia Prada und ihrem seit Frühjahr 2020 designierten Co-Designer Raf Simons mit der Ansicht eines leeren Großraumbüros. Ein eindrückliches Bild: Eine von allem Menschlichen verlassene Office-Architektur, entmenschlicht, artifiziell und unterkühlt, dominiert von einem auf Bildschirmen stattfindenden Leben in 2-D. Doch seine Erschaffer sind bereits gegangen. Wohin erfährt man nicht. Einzig über die Bildschirme flimmern Videoaufnahmen eines Flusses samt dazugehöriger Geräuschkulisse. Die unberührte Natur als digitales Relikt und zugleich als Lockruf in einer vom Mensch geschaffenen, wie von ihm verlassenen Umwelt. Digital bahnt sich das Natürliche seinen Weg zurück in die urbane Gegenwart als Quell des Ursprungs, symbolisch aufgeladen als immer währender Lebensfluss. »Panta rhei« (griech.: alles fließt) hieß bereits das Lebensmantra des antiken griechischen Philosophen Heraklit, in dessen Zentrum die Einheit der Dinge stand. Analog zur Ankündigung tat die Präsentation von Prada in Mailand am 14. Jänner dieselbe Botschaft Kund: Der Zeitgeist und seine städtischen Bewohner:innen sehnen sich nach Natürlichkeit, Natur und Echtem. Was ihn davon trennt ist die symbolträchtige gläserne Decke. Was sagt uns diese Botschaft und inwiefern wird sie die Architektur und das Interior-Design künftig beeinflussen? Ein hellhöriger Waldausflug in die Modewelt - das Schuhwerk bleibt dank Glasboden sauber.

 

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Die Ankündigung der Herbst/Winter-Männermodenschau von Prada stellte die beiden Extreme einer entmenschlichten Büroarchitektur und einer unberührten Natur eindrücklich gegenüber.

Seismograf des menschlichen Bewusstseins

Fashionshows und ihre Settings zählen zu den hellhörigsten Pulsfühlern des Zeitgeistes und nehmen oftmals seismografisch wetterleuchtende Gesellschaftstrends auf, bevor sie ins Bewusstsein der Menschen dringen. Wo verorten sich die tiefsten Sehnsüchte? Was konstruiert unsere gegenwärtige Lebenswirklichkeit und beeinflusst sie maßgeblich? Welche Mängel werden dadurch kreiert? Was triggert gegenwärtig das menschliche, globale Bewusstsein? Denn die Modewelt weiß: das Zusammenspiel von realen Umständen sowie einer sich wandelnden Conditio humana und den daraus sich ergebenden Bedürfnissen erschafft Mega-Trends. So sind die nur wenige Minuten andauernden Defilees nicht bloß ein modisches Fernrohr in die Zukunft, sondern oftmals auch eine Prognose von branchenübergreifender Ästhetik. Dior Homme Designer Kim Jones ließ beispielsweise im vergangenen Frühjahr für die Herbst/Wintermodenschau 2024 Models wie Avatare aus dem Fußboden erscheinen. In den kommenden Monaten nahm der Trend der künstlichen Intelligenz weiter an Fahrt auf und hält bis heute an. Balenciagas umstrittener Kreativdirektor Demna Gvasalia schickte die Models für die Herbst/Winterschau 2022 als Antwort auf die Klimakrise und Nachhaltigkeitsbestrebungen durch einen tosenden Schneesturm. Das Set-Design stammte übrigens von Niklas Bildstein Zaar, Gründer und Architekt des Berliner Studios Sub. Mit der soeben in Mailand präsentierten Prada Herbst/Winter-Männermodeschau wurden zwei Themen aufgegriffen, die wohl auch die Architektur und das Interior-Design 2024 maßgeblich beschäftigen werden: die fortschreitende Verstädterung der Lebensumstände und die damit einhergehende, immer größer werdende Sehnsucht nach unberührter Natur und Ursprünglichkeit.

Dior Homme Designer Kim Jones spielte bei der Herbst/Wintermodeschau 2024 visuell mit dem Trend der KI.

 

Balenciaga-Kreativdirektor Demna Gvasalia erntete Standing-Ovations für seine progressives Narrativ für die Herbst/Winter-Präsentation 2024.

 

Prada und der Ruf der Natur

Unter der erlesenen Fashion-Crowd der Prada-Männermodenschau waren Hollywood-Star Jake Gyllenhall, Influencerinnen Caro Daur und Jenny Walton. Um zu ihren Plätzen in Form von schwarzen Bürostühlen zu gelangen, schickten die beiden Kreativdirektor:innen Miuccia Prada und Raf Simons die Gäste über einen gläsernen Boden, unter dem Laub, Moos, Steine und ein natürlicher Flusslauf lagen. Die Natur symbolträchtig arrangiert als Fundament, Ursprung und Sehnsuchtsort des Menschen. Mittlerweile ist er von ihr durch eine gläserne Decke getrennt. Im Fall des Prada Set-Designs in Form von recycelten Perplex-Platten. Die Sehnsucht nach unberührter Umwelt bleibt jedoch erhalten. »Die meisten Menschen verwenden Bildschirmschoner mit Naturmotiven, obwohl sie in synthetischen, von Menschen erschaffenen Räumen sitzen«, erklärt Raf Simons. Das Set-Design verantwortete der langjährige Fashionshow Partner von Prada, der renommierte Rotterdamer Thinktank AMO des international operierenden Architekturbüros OMA . Das tonangebende Textil der Kollektion war Tweed - ein Gewebe aus natürlicher Schurwolle. »Die Idee der Erneuerung und des Wandels, ähnlich jenem der Natur, mit natürlichen Rhythmen. Das alles inspirierte die Kollektion“, sagt Raf Simons. Auch in Architektur und Interior-Design ist der Ruf der Natur ein starker Impulsgeber für die kommenden Monate und ein erstarkender Einflussfaktor. Trend-Forecasts 2024 von internationalen Expert:innen wie Li Edelkoort zielen in dieselbe Richtung. Das Ursprüngliche hält stärker und durchaus rauer Einzug in urbane Realitäten. In Form von Lehmbau bis Rohleinen und Schafwolle materialisiert sich diese Sehnsucht nach Natur und Natürlichkeit in den Lebensräumen, die uns künftig umgeben werden. Folkloristische Handarbeit, eine Transzendenz zwischen Innen- und Außenraum und begrünte Architektur sind einige der Outcomes dieses Mega-Trends. Selbst globale Player von architektonischen Großprojekten setzen mittlerweile auf Wolkenkratzer in Holzbauweise , wie bei den Prestigevorhaben »Atlassian Timber Tower« in Sydney oder dem »W350«-Holzwolkenkratzer in Tokio. Wir sind gespannt auf weitere Strömungen dieses natürlichen Flusslaufs und auf seine Artefakte im urbanen Lebensraum.

 

 

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Zwei Gegensätze trafen auf dem Set der Herbst/Winter 2024-Männermodenschau von Prada aufeinander.

 

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»Farm to fabric« mit natürlichen Materialien wie Hanf, Wolle oder Leinen sowie die Entkoppelung von der virtuellen Welt sind Trends im Forecast 2024 von Trend-Guru Li Edelkoort.

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