Rund um Zürichs Limmatquai vereinen sich Kulinarik, Design und Mode.

Rund um Zürichs Limmatquai vereinen sich Kulinarik, Design und Mode.
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Zürich: Am Fluss der Zeit

Wein der »Goldküste«, jede Menge kulinarische Neudenker und eine spannenden Design-Avantgarde: Zürich avanciert zur Kultstätte für Foodies und Fashionistas.

Wie würde ein Zürcher sein ideales Wochenende als Reisender in der eigenen Stadt verbringen? Ein bisschen Shopping, ein bisschen Kultur und eine Menge Genuss. Zürich hat sich nämlich in den vergangenen Jahren mit der Geschwindigkeit eines schweizerisch tempolimitierten Blitzes in unerträumte kulinarische Höhen geschraubt. Gesegnet mit verbesserten Produkten der regionalen Landwirtschaft, aber auch mit einer effektiven Import-Infrastruktur, wenn es um Meeresprodukte geht, hatte Zürich schon immer Potenzial; in der letzten Zeit hat es seine lang gehegten Ansprüche auf höchstem Niveau einzulösen begonnen.

Dass guter Wein serviert wird, ist selbstverständlich. Schliesslich ist die »Goldküste« am rechten Seeufer des Zürichsees schon seit Jahrhunderten Weinbaugebiet. Und wenn Sie über den Zürcher etwas wissen müssen, dann dies: Schwadronieren über Wein und angrenzende Themen macht ihn glücklicher als die meisten anderen Tätigkeiten.

Ein Wochenende in Zürich kann anstrengend werden, weil es vielleicht zu viele neue Tipps abzuhaken gilt – besonders, seit 2016 das umfassende »FOOD ZURICH«-Festival ins Leben gerufen wurde, um die Vielfalt der regionalen Kulinarik zu zelebrieren.
SPECIAL: FOOD ZURICH

Aber keine Bange: Die Gernegross-Stadt am Fuss der Alpen liegt ja gut erreichbar mitten in Europa und empfängt ihre Besucher gern ein drittes und viertes Mal. Ab dem fünften Mal darf man sich übrigens getrost als Heimwehzürcher bezeichnen. Und davon gibt es wahrlich nicht wenige.

Freitag

Wir starten mit einem Kaffee und einem Gipfeli im »Volkshaus« in den Freitag. Was heute szenigen Charme ausstrahlt, war in den 1930er-Jahren Errungenschaft des »Roten Zürich«, als die Sozialdemokratie immer mehr Einfluss in der Stadt ausübte. Auf dem Helvetiaplatz nebenan findet der wichtigste Wochenmarkt für die Zürcher Foodies statt. Die Geschwister Fiechter versorgen mit ihrem Geflügelstand die Dinnerpartys der halben Stadt (Enten-Salsiz kaufen). Dazu gibt's Gemüse von Rossetti, der die schönsten Puntarelle und wilden Broccoli feilbietet (Olivenöl kaufen). Für den Abschluss Käse aus dem französischen Jura von der Ferme »Kamo« (nicht transportfähig!).

Rund um den Helvetiaplatz im einstigen Arbeiterviertel »Kreis 4« hat sich eine Menge kleiner, feiner Läden angesiedelt, die mehr sind als Concept Stores. Besuchen Sie »Soeder« für nordisch-kühle Objekte, »Fabrikat« für schöne Papeteriewaren, »Ikou Tschüss« für Keramik von Carmen D'Appolonio und Schmuckstücke von L'Elefantino. Besonders nahegelegt sei J. B. Labat, wo es rare Rums und Gins gibt.

Zum Lunch nehmen wir ein Taxi in die «Binz», ein boomendes Viertel mit vielen Kreativbüros. Wir essen im »Smith and de Luma«, es gibt fleischige Delikatessen und tolle Weine, die man im gleichnamigen Shop gleich kaufen kann. Am Nachmittag absolvieren wir die »Zürich Food Tour« durch das einstige Industriequartier im »Kreis 5«. Bei gutem Wetter drängt sich – ja, der Zürcher hat in seiner obligatorischen Umhängetasche den ganzen Sommer Badetuch und -hose gepackt – ein Besuch im »Unteren Letten« auf. Zurück in der City, geht’s zum Dinner ins »EquiTable«, wo der famose Fabian Fuchs kocht. Noch Lust auf einen Absacker? Dann sollten wir in die »Bar63«, ein Trinklokal jenseits aller Trends, geleitet von der unbedingten Freude ihrer Betreiber an hoher Qualität.

Samstag

Von gutem Schlaf erquickt, pilgern wir zu »Sprüngli« an den Paradeplatz. Man sollte für die Anreise das Tram benutzen, Parkplätze sind rar in der Gegend. Bei »Sprüngli« ist alles in Butter und schmeckt auch danach; es gibt keine Qualitätsdiskussionen. Fürs anschliessende Shopping gilt es, die internationalen Ketten und Mono-Brand-Stores zu umfahren: Besuchen Sie »DeeCee Style« oder »AP&Co« für Männermode jenseits von Trend und Massenware. Gehen Sie zu »Salvatore Schito« für Damenmode von Labels, die andere erst in drei Jahren kennen. Bei »Spitzenhaus«, in den Räumen eines ehemaligen Textilfachgeschäfts, finden Sie rare Parfums und Kosmetik. Beste kubanische Zigarren gibt es seit Jahrzehnten bei Samuel Menzi. Schon wieder hungrig? Dann wäre zum Lunch ein Besuch bei »Rico’s Kunststuben« angesagt. Dieser Termin gilt als Geheimtipp bei Geniessern. Und die Location ist gut gelegen, wenn wir am Nachmittag die Wein-Wandertour mit Zürich Tourismus unter die Füsse nehmen wollen. Im Dorf Stäfa am oberen Zürichsee erkunden wir den Lattenberg, eine der letzten grösseren Rebbauzonen. Hier wird der Räuschling angebaut, eine sexy-sommerliche Traube und begehrte Lokalheldin.

Zurück in der Stadt, ist es Zeit sich für ein weiteres Glanzlicht umzukleiden. König des kulinarischen Zürich ist nach wie vor Heiko Nieder vom »The Restaurant« im »Dolder Grand Resort«. Der Auftritt hier verlangt nach Eleganz. Wer es lieber casual mag, findet bei Rolf Fliegauf im »Ecco« relaxtere Möglichkeiten, auf hohem Niveau zu speisen. Für einen Schlummertrunk empfiehlt sich die »Tina Bar« in der schmucken Altstadt.

Sonntag

Beginnen Sie Ihren vorerst letzten Tag in Zürich im »Thermalbad & Spa Zürich«. Es wurde in der einstigen Brauerei Hürlimann eingerichtet, das Wasser in den Bierkellern steht in riesigen Holzbottichen bereit. Glanzlicht ist der Pool auf dem Dach, von dem aus man einen Grossteil der Stadt überblickt. Der Besuch im Spa sollte früh erfolgen, sonntags gibt’s besonders bei schlechtem Wetter ordentlichen Andrang.

Aber wir rechnen ja mit Sonne und bleiben beim Thema Wasser: Brunch oder Lunch am See! Der Gastronom Michel Péclard führt eine ganze Reihe von Betrieben direkt am Wasser. Sein »Fischer’s Fritz« auf Stadtgebiet oder das »Portofino« im Nachbardorf Thalwil bieten sich für Genuss am Ufer an. Shopping fällt flach, deshalb gibt's Kultur.

Das Migros Museum für Gegenwartskunst bietet anspruchsvolle Ausstellungen. Nebenan wird im neuen »Kornhaus«, einem markanten Silo-Gebäude, bis heute Getreide gemahlen. Ein Spaziergang den Fluss entlang führt uns über den Platzspitz-Park zum Landesmuseum. Der Neubau vom Basler Architektenteam Christ & Gantenbein polarisiert, lohnt aber einen Besuch. In der warmen Jahreszeit fahren vom Steg beim Landesmuseum die kleinen Limmatschiffe bis hoch ans Bellevue; es empfiehlt sich eine Fahrt bis zur Station »Storchen«, wo sich das renovierte Bistro für eine Kaffeepause anbietet. Wer mag, kann im unweit gelegenen Seebad ­Utoquai die Abendstimmung beim Apéro geniessen oder nochmal schwimmen gehen; entspannend ist ein Spaziergang am See mit einer Runde um das Haus von Le Corbusier. Sonntagabend in Zürich ist kulinarisch nicht einfach – die Einheimischen kochen lieber zu Hause. Das »Conti« gleich beim Opernhaus ist jedoch eine sichere Adresse für hochklassige italienische Küche und wärmende Weine, die den bevorstehenden Abschied von der Limmatstadt etwas erleichtern.
Aus dem Food Zurich Spezial 2017

Hans Georg Hildebrandt
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