(c) Mauritius Images

Tatort Immobilie: Architektur als Filmlocation

Eine Designervilla am Gletscher oder ein Gründerzeitsalon an der Ringstraße – die Ansprüche von Kino-, TV- und Werbefilmproduktionen an Locations sind höchst vielfältig. Spezialisierte Scouts sind deshalb laufend auf der Suche nach interessanten Immobilien für kommende Projekte.

09.04.2024 - By Susanna Pikhart

Titelbild Grenzwertige Erfahrung: Das Steinhaus des Kärntner Architekten Günther Domenig fungierte in »Point Break«, dem Remake des Filmklassikers »Gefährliche Brandung«, als Schauplatz. Schon Jahre zuvor, 2012, wurde es unter Denkmalschutz gestellt. domenigsteinhaus.at

Es geschieht mitten im Wohnzimmer Ihrer Wohnung. Eine angeregte Diskussion, aus der bald ein Streit wird. Die Stimmen werden lauter, die Bewegungen heftiger, es kommt zu Handgreiflichkeiten, die Situation eskaliert. Ein Griff zum Steakmesser auf dem Tisch, Blut, Mord Entsetzen … Immerhin: Sie selbst sind nicht dabei. Aber Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser alias das Kriminalermittler:innen-duo Moritz und Bibi sind bereits zum Tatort unterwegs. Schnitt. Ein paar Jahre zuvor nahe der höchst-gelegenen Straße der Alpen bei der -Gaislachkoglbahn in Sölden: Ein bewaffneter Mann, schwarz gekleidet, läuft den verschneiten Hang hinauf, bleibt kurz stehen, dreht sich um. Moment mal, ist das nicht Daniel Craig? Und die Frau da hinten, die sich vor den Männern, die ihm folgen, versteckt – die sieht doch aus wie Léa Seydoux, die französische Schauspielerin … Aber Agent 007 James Bond weiß, was zu tun ist. Und Cut. Schauplatzwechsel, Zeitsprung. Für die Crew rund um »Georgy« aka Thomas Stipsits und seine Filmschwester Gitti aka Julia Edtmeier aus der österreichischen Komödie »Love -Machine 2« wird für mehrere Tage ein Penthouse in Wien zum beruflichen Zuhause. Das Paar, das sonst hier wohnt, ist vorübergehend in ein Hotel gezogen. Eine kurze Auszeit vom Alltag, die zudem noch extra bezahlt wird. Ein willkommener Zuverdienst.

Herausforderung: Die richtige Location für den Film

Um eine passende Location für einen Film, eine TV-Serie oder auch für den Dreh einer Werbung zu finden, braucht es Know-how, Erfahrung und Glück sowie einen kreativen Geist mit gutem Vorstellungsvermögen und viel Fingerspitzengefühl. Denn das eine Mal wird eine honorige Villa für eine Filmszene benötigt, das andere Mal eine heruntergekommene Bleibe am Rand einer Großstadt. Aber auch eine Autoraststation, eine alte Brücke über einem Fluss, eine Burgruine, ein großer Weinkeller oder eine kleine Almhütte sind mögliche Objekte der Begierde. Sogenannte Location-Scouts, also Professionist:in-nen, die für die Film- und Werbebranche geeignete Settings suchen, müssen einfallsreich sein, aber auch flexibel. Und schnell. »Große Produktionen lassen global scouten, da geht es bei den ersten Vorschlägen nur darum, den Nagel auf den Kopf zu treffen. Wenn das nicht gelingt, war es das. So einfach ist es, wie beim Fischen. Entweder der Fisch beißt an oder eben nicht«, erzählt Leo Baumgartner, der für den Film »Point Break« eine perfekte Location lieferte. »No Rules, no Limits«, das Motto des Blockbusters, nahm er wörtlich und versetzte das kunstvolle »Domenig Steinhaus« vom Ufer des Ossiacher Sees mithilfe des Computers kurzerhand in ein tief verschneites, karges Hochgebirge. Die Produktionsfirma war begeistert und der Lienzer Location-Scout, der auf Sets in der Bergwelt spezialisiert ist, erhielt den Zuschlag.

Der Film »Point Break« hat als Locations mitunter das Kärtner Architekturjuwel als Location.

(c) beigestellt

So gut wie echt: Für den Actionfilm »Point Break« versetzte Location-Scout Leo Baumgartner das »Domenig Steinhaus« vom Ufer des Ossiacher Sees digital in die Bergwelt. lebccam.at, pointbreak-film.de

(c) LebCam

Die Locationsuche, wie für »Love Machine 2« für Filme ist eine echte Herausforderung: »Eine unspektakuläre Location wie ein altes Landgasthaus kann für den Dreh herausfordernder sein als eine Luxusvilla.« Stefan Teuber CEO Filmlocations

(c) beigestellt

Penthouse mit Sexappeal Das »Penthouse 36«, real in Wien-Floridsdorf, hat die Firma Filmlocations für die Komödie »Love Machine 2« vermittelt. Im Film fungiert es als Luxuswohnung von Gitti, Schwester von Georg aka Thomas Stipsits. filmlocations.at

(c) FilmLocations

Lohnendes Business

Location-Scouting ist weltweit ein verbreiteter Beruf, auch in Österreich. Viele der Akteur:innen stammen selbst aus der Filmbranche, einige sind Quereinsteiger:innen, andere wiederum kommen aus dem Marketing- oder Werbebereich. Für Immobilienbesitzer:innen kann sich der Kontakt zu einem Location-Scout jedenfalls lohnen. Sei es monetär oder weil es schlicht spannend ist, die eigene Wohnung oder Villa für Dreharbeiten zur Verfügung zu stellen. Dabei muss das Ambiente nicht gleich wie aus einem Architekturkatalog aussehen. Gesucht wird alles: vom Single-Apartment über Landgasthäuser, Büros und Hotels bis zum Heustadel, Würstelstand oder Gartenpavillon. Als Entgelt winkt für eine Wohnung – so der Richtwert – eine Monatsmiete (zwischen 1.000 und 3.000 Euro) pro Drehtag. Wobei es in Einzelfällen auch etwas mehr sein kann, das kommt ganz auf die Location an, ihre Besonderheit, ihre Einsatzmöglichkeiten und auch ihre Zugänglichkeit. Denn die Filmcrew, die die Wohnung, das Haus oder das Grundstück okkupiert, zählt nicht selten 30, 40 Leute. »Häufig gibt es auch Location-Splits«, erzählt Stefan Teuber, Inhaber der österreichischen Plattform Filmlocations. »Das bedeutet, dass es sich im Film zwar um eine Location handelt, man in Wirklichkeit aber die Innenaufnahmen an einem Ort macht und der Außendreh ganz woanders stattfindet.«

Logistische Challenge

Unterschiedliche Außen- und Innenlocations sind meist eine logistische Herausforderung für den Location-Scout, der sich bemühen muss, dass beide Immobilien nahe beieinander liegen und die Filmcrew somit kontinuierlich switchen kann. Teuber: »Jede Produktion ist extrem kosten- und zeiteffizient angelegt, man muss daher immer auf die richtigen Schnittstellen zwischen kreativen und wirtschaftlichen Anforderungen achtgeben.« Er selbst ist mit erst 25 Jahren in dieses Business eingestiegen, damals im Anschluss an seine Ausbildung an der »Graphischen« in Wien. Nächstes Jahr werden es bereits 20 Jahre sein, dass Filmlocations ein umfangreiches Onlinearchiv an Immobilien und anderen »Kulissen« für Film- und Fotoproduktionen, aber auch für Events anbietet. Das Ganze mutet wie ein Riesenkatalog an – und findet beachtlichen Anklang in der TV- und Filmbranche. »Wir haben Anfragen aus dem In- und Ausland«, erzählt der 50-Jährige, der nicht nur die -Locations selbst anbietet, sondern auch ein umfangreiches Service rundum. »Dazu gehören eine Menge Organisation und Abstimmungen mit der Produktionsfirma, der Regie, aber eben auch den Immobilienbesitzer:innen. Denn deren Räumlichkeiten müssen samt Inventar für die Zeit der Dreharbeiten nicht zuletzt adäquat versichert werden.« Die Referenzen von Teuber und Team können sich sehen lassen: Sie reichen von Filmen wie »Griechenland«, »Narziss und Goldmund« oder »Schachnovelle« bis zu Sky-, Netflix- und Amazon-Prime-Produktionen wie »-Sachertorte« oder »Die Ibiza-Affäre«.

»Als Filmlocations kommen kleine Wohnungen ebenso wie Villen infrage. Für Werbedrehs sind derzeit oft nostalgische Immobilien gefragt.« Maria Wittmann Location-Scout

(c) beigestellt

Eine Villa mit Geschichte: Die Hansen-Villa in Ternitz, vom Ringstraßen-Architekten Theophil Hansen errichtet, wurde schon öfter für Dreharbeiten genutzt. Maria Wittmann vermittelte sie für einen waterdrop-Spot.

(c) Wolfgang Spekner

Räume der unzähligen Möglichkeiten: Die Lower Austrian Film Commission hat u. a. die Hansen-Villa aus dem 19. Jahrhundert im Portfolio – mit Bibliothek, zahlreichen Salons, einer historischen Küche, Turm, Gewächshaus, Atelier, riesigem Park und Tonstudio. lafc.at

(c) Wolfgang Spekner

Freiberuf: Locationscout

Erfolgreich unterwegs in der Welt des Location-Scoutings ist auch die erst 29-jährige Maria Wittmann. Sie hat bereits für die Krimiserie »Tatort« geeignete Wohnungen und Häuser gefunden, aber auch für einige Werbefilme, etwa von Milka, Gösser oder waterdrop. Pro Suchtag berechnet die ­Wienerin rund 520 Euro inklusive Fahrkosten innerhalb der Stadt, einen Vorschlag aus der eigenen Motivdatenbank oder Verfügbarkeitsanfragen bearbeiten sie und ihr Team kostenlos. Und auch sonst agiert Wittmann mit offenen Karten: »Wer eine Location über uns bucht, dem berechnen wir 20 Prozent vom Auftragswert als Agenturprovision.« Ihr Angebot ist ähnlich bunt wie das der anderen heimischen Location-Scouts. »Es wird wirklich alles Mögliche gesucht – von der kleinen Wohnung bis zur historischen Villa«, so Wittmann, »wobei für Werbedrehs derzeit oft eher stylishe oder nostalgische Immobilien gefragt sind.« Dass sie diese Art kreativen Immobilienjob einmal hauptberuflich ausübt, hätte die frühere Pharmazie-Studentin, die einst »bloß über Airbnb die Wohnung der Oma vermietet« hatte, nicht gedacht. »Der Beruf macht aber großen Spaß, denn er ist vielseitig und bringt jeden Tag etwas Neues.«

Design trifft Film

Höchst abwechslungsreich geht es auch beim Location-Scout und Chef von Cine Tirol Film Commission, Johannes Köck, zu. Das Unternehmen ist auf Szenenbilder in der Tiroler Bergwelt spezialisiert oder, wie Köck selbst sagt, »im Herz der Alpen«. Filme wie »Totenfrau« tragen seine Handschrift, ebenso die Drehorte für die langjährige TV-Serie »Der Bergdoktor« in Ellmau und Umgebung. Der spektakulärste Auftrag war aber gewiss »Spectre«, für den James Bond höchstper­sönlich einige der actionreichsten Szenen auf 3.048 Meter Seehöhe im »ice Q« direkt an der Bergstation der Gaislachkogelbahn in Sölden drehte. Hier, wo innovative Architektur auf futuristisches Design trifft, befindet sich ­seither die James-Bond-Erlebniswelt »007 Elements«. Die mehr als 250 prächtigen Dreitausender rundum benötigen hingegen keine weitere Inszenierung.

Mein Name ist … »ice Q«: Das Gipfelrestaurant in Form eines Eiswürfels und die Gaislachkogelbahn in Sölden spielen bei den Tiroler Szenen im 24. James Bond-Film »Spectre« die architektonische Hauptrolle. cine.tirol

(c) CineTirol

»Die Bond-Location auf dem Gaislachkogel ist außer-gewöhnlich spektakulär und nach wie vor gefragt.« Johannes Köck, CEO Cine Tirol

(c) CineTirol

Erschienen in:

Falstaff RESIDENCES Nr. 02/2023

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Lifestyle & Genuss – das sind die zentrale Themen der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 24/03