Das Comeback der BITTERSTOFFE

Sauer mag lustig machen, aber bitter macht gesund: Bitterstoffe feiern gerade ihr großes Comeback auf unseren Tellern – und das aus guten Gründen.

11.04.2024 - By Christina M. Horn

Ob bittere Tees aus Enzian und Löwenzahn oder Alantwurzel mit Wein: Bitter ist nicht ­immer böse. Das wusste man bereits vor tausend Jahren. So schrieb Hildegard von Bingen bitteren Kräutern und Pflanzen schon im 12. Jahrhundert eine gesundheitsfördernde Wirkung zu. Zwar geriet dieses Wissen mit dem Aufstieg der modernen Medizin für einige Zeit in Vergessenheit, mittlerweile feiert die Naturheilkunde – und damit auch das Interesse an der »bitteren Medizin« – jedoch ihr großes Comeback. Dabei sollte man es Hildegard gleichtun und der Verdauung zuliebe Artischocken, Löwenzahn und Co einen Platz auf dem Teller einräumen – aus gutem Grund. 

Eine Sache des Geschmacks

Das Bittere ist, neben süß, sauer, salzig und umami, eine der fünf Geschmacksrichtungen – wenn auch die unbeliebteste. Dass die Intensität bitterer Lebensmittel unsere Gesichtszüge häufig entgleisen lässt, hat evolutionäre Gründe, erklärt Dr. Maximilian Schubert, Leiter des »Mayrlife Health Resort« in Altaussee: »Bitterstoffe sind eigent­lich Schutzstoffe der Pflanzen, die ihnen helfen sollen, Parasiten und Fressfeinde abzuwehren.« Bitter steht für unser Hirn also als Synonym für Gift, was zur Folge hat, dass bereits kleine Mengen davon unseren Körper alarmieren. Wir erhalten das Signal »Nicht essen!« und lernen, Bitteres an den Tellerrand zu verbannen. Sich Biss für Biss an die gesunden Bitter, im Lateinischen als Amara (»bitter«) bekannt, zu gewöhnen, lohnt jedoch: Denn ihnen wohnt ein immenses Gesundheitspotenzial inne. 

Wer sich zum ersten Mal damit beschäftigt, wird staunen: Die Liste der an Bitterstoffen reichen Lebensmittel beginnt bei den Klassikern Artischocke, Rucola und Löwenzahn, reicht über Kurkuma, Senf und Zimt sogar bis hin zu Kaffee und Schokolade. Man unterscheidet dabei zwischen vier Amara-Gruppen, erklärt Dr. Maximilian Schubert: den reinen Bitterstoffen (Amara tonica), jenen, die zusätzlich ätherische Öle enthalten (Amara aromatica), sowie jenen, die Schärfe in sich bergen (Amara acria) – und zuletzt: »Allen Pflanzen, bei denen ­unsere Zunge uns bereits sagt, dass sie bitter sind, etwa Chicorée oder diverse Kohlsorten.« Die richtige Zubereitung variiert stark, ­einige Pflanzen kann man dünsten, andere sollte man roh genießen. Was überraschen mag: Auch als Kräuterbitter mit Alkohol können sie uns guttun, weiß der Mediziner: »Bitterstoffe lassen sich durch Alkohol besser aus den verschiedenen Kräutern und Pflanzen extrahieren.« 15 bis 20 Tropfen reichen dabei jedoch aus. Amara sind auch Teil der F.-X.-Mayr-Kur, die bei Mayrlife angeboten wird. »Die Patien­t:in­nen bekommen die Bitterkräuter vor jeder Mahlzeit, entweder als alkoholische Tinktur oder als Bitterkapseln«, so der Leiter. »Morgens gibt es sogar einen eigenen ­Kaffee-Ersatz, der aus Löwenzahnwurzel hergestellt wird.«

Bittere Medizin

Studien deuten darauf hin, dass Bitterstoffe verschiedene positive Reaktionen im gesamten Körper hervorrufen können. Vor allem aber beeinflussen sie unseren Verdauungsapparat: Sie regen die Darmbewegung an und stimulieren die Produktion von Magensäure, Galle und Enzymen. Das trägt dazu bei, dass wir Nahrungsmittel ­sowie Fette besser verdauen und Nährstoffe leichter aufnehmen können. Gesunde ­Verdauungssäfte fördern in weiterer Folge unser Sättigungsgefühl, den Fettstoffwechsel und stabilisieren den Blutzuckerspiegel. Bitterstoffen wird daher eine ­positive Wirkung im Zusammenhang mit Gewichtsverlust zugeschrieben, bestätigt Dr. Maximilian Schubert und ergänzt: »Sie helfen aber auch gegen Erschöpfung und Kältezustände.« 

Die meisten von uns nehmen zu wenig Bitterstoffe mit der Nahrung auf, auch wenn es einen echten Mangel nur sehr selten gibt: »Aber: Der Aufwand für unseren Körper, fit zu bleiben, ist wesentlich größer, wenn er keine Bitterstoffe zur Verfügung hat.« Ein »zu viel« gibt es hierbei dementsprechend nicht, erklärt der Mediziner. Allerdings sollten gewisse Gruppen wie Schwangere oder Personen, die an Gallensteinen leiden, eher darauf verzichten. Und auch bei einigen wenigen Medikamenten kann es zu negativen Wechselwirkungen kommen. Alle anderen können jedoch ohne Bedenken drauflos testen und probieren – sie haben die Bitterstoffe (mehr oder minder) bitter nötig.

Erschienen in:

Falstaff Happy Life 01/2024

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