Alte Fachwerkhäuser, Blumentöpfe, ­Kanäle fast wie in Venedig: Straßburg ist eine Ansammlung von Postkartensujets und zieht scharenweise Touristen an.

Alte Fachwerkhäuser, Blumentöpfe, ­Kanäle fast wie in Venedig: Straßburg ist eine Ansammlung von Postkartensujets und zieht scharenweise Touristen an.
© GettyImages

Long Weekend: Strahlendes Straßburg

Als Hauptstadt Europas präsentiert sich Straßburg mondän und modern. Nicht weniger stolz ist man auf das kulturelle und kulinarische Erbe – von der Kathedrale bis zu Lebkuchen und Gänseleber.

Freitag

Zuerst Kultur, dann Shopping. Die Kathedrale, eine der schönsten ihrer Art, zeugt von der großen Bedeutung des mittelalterlichen Straßburg.

Ohne Umschweife in die Mitte. Das ist unser Motto bei jeder Stadt, die wir besuchen. Die Mitte, das ist in Straßburg fraglos die Kathedrale. Obwohl über tausend Jahre alt, überragt und prägt der mittelalterliche Bau die elsässische Stadt. Bis 1874 war sein Nordturm das höchste von Menschenhand errichtete Bauwerk. Die große Attraktion ist hier die astronomische Uhr, eine mechanische Tüftelei sondergleichen, die Schaulustige in Scharen anzieht. Zum Mittagessen wechseln wir in die »Maison Kammerzell«.
Der schmucke historische Fachwerkbau ist eines der wichtigsten Fotosujets in Straßburg; hier gönnen wir uns zur kulinarischen Einstimmung eine Choucroute mit Fisch. Dann aber auf zum Shopping, schließlich wollen wir nicht mit leeren Händen heimkehren. Von der Maison Lorho nehmen wir Welsche mit, ein dem Munster ähnlicher Rotschmierekäse, der mit Gewürztraminer-Eau-de-vie affiniert wird. Nach einem Schwenker über die Place Kléber packen wir bei Edouard Artzner Foie gras ein, ein weiteres Muss unter den elsässischen Gaumenfreuden. Noch eine kurze Visite auf der Place Broglie mit ihrem Markt, dann geht es zu La Luciole, zu Deutsch das Glühwürmchen. Der Laden ist ein Paradies für Lampen und Kunstgegenstände aus Glas von Jugendstil bis Tiffany. Eine Augenweide, auch wenn wir hier zur Abwechslung mal nichts kaufen. Das tun wir aber sehr wohl bei Jacques Bockel, dem Platzhirsch für Schokolade. Raffiniert ist sein Brotaufstrich Nut’Alsace (nach der bekannten piemontesischen Nuss-Nougat-Creme). In der Boutique Le Coin d’Alsace, die sich auf drei Etagen auf Textilien und Keramik spezialisiert hat, erstehen wir ein dekoratives Tischtuch.
Über all dem ist es Abend geworden – jetzt rasch in die »Casserole« nahe beim Münster. Hier kocht seit zwei Jahren eine junge Brigade unter ihrem 26-jährigen Chef Jean Roc. In dieser kurzen Zeit haben sie schon mehrere Preise eingeheimst. Nicht zuletzt jenen der Haeberlin-Brüder, der zweifellos berühmtesten Elsässer Gastronomen, die im nahen Illhäusern zum Leidwesen der Fangemeinde unlängst den dritten Michelin-Stern verloren haben. Die »Casserole« hingegen ist auf dem aufsteigenden Ast und punktet besonders mit Blauem Hummer, Sellerie-Mousseline und »Américaine«-Emulsion.

Samstag

Straßburg ist ein Einkaufsparadies, besonders für kulinarische Köstlichkeiten: Lebkuchen, Foie gras, Käse, Macarons, elsässische Weine.

Wir erwachen im »Hôtel Cour du Corbeau«, wo wir gestern in aller Eile eingecheckt hatten. Nach dem Frühstück steuern wir unverzüglich die Petite France an, das pittoreske Viertel, das wegen seiner Kanäle auch Klein-Venedig heißen könnte. Hier bewundern wir ausgiebig die spektakuläre Drehbrücke, die Ponts Couverts (die allerdings schon lange nicht mehr gedeckt sind) und die Festungsbrücke des berühmten Baumeisters Vauban. Bei Mireille Oster decken wir uns mit Lebkuchen ein. Wenn es nach ihr geht, ist die Lebkuchenherstellung ganz einfach: »Es braucht Mehl, Honig, Gewürze, Butter und – Liebe.« Nachher können wir uns die »Maison des Tanneurs« nicht verkneifen, so klischeehaft dieser von den Touristen favorisierte Fachwerkbau auch sein mag.
Für einen kurzen Mittagsimbiss bestellen wir hier Schnecken Elsässer Art. Jetzt nur keine Müdigkeit vorschützen, denn die Einkaufsliste ist noch lang. Bei Macarons et Inspirations schnappen wir uns die Sorten Guanaja-Schokolade und Dulcey-Spéculoos. Natürlich alles superfrisch, wie sich das für Macarons gehört. Kirn Traiteur liefert uns traditionellen elsässischen Kougelhopf (andere nennen das Kouglof), gesalzen und mit Nüssen und Speck. Auf der Place Gutenberg, benannt nach dem Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, spüren wir unsere vollen Köpfe; wir laden unsere Batterien im »Salon du Thé Christian« auf und genießen zum Tee die hervorragenden Madeleines.
Wir haben Glück, dass wir einen Platz finden, reservieren kann man hier nicht. Auf dem Weg zurück zum Hotel kümmern wir uns um den Getränkesektor: Im Village de la Bière kann man aus Hunderten von Bieren, besonders viele aus Klein- und Mikrobrauereien, wählen. Und weil auch der Wein untrennbar zum Elsass gehört, erstehen wir so viele Flaschen, wie wir tragen können. Am Abend wollen wir das Erlebnis von gestern noch toppen. Das »Buerehiesel« liegt zauberhaft im Parc de l’Orangerie. Diese Adresse war einstmals unter Antoine Westermann dreifach besternt; dass sein Junior, Eric, nur noch mit einem Stern dekoriert ist, schmälert das Gesamterlebnis aber nicht im Geringsten. Für uns der perfekte Abschluss eines herrlichen Tages.

Sonntag

Die Läden sind geschlossen, die großstädtische Hektik abgeklungen. Der Sonntag bietet sich für Spaziergänge und eine Bootsfahrt an.

Am Sonntag gehen wir es etwas ruhiger an, Tagwache ist heute bedeutend später als gestern. Wir nehmen uns noch etwas Zeit, das wundervolle Hotel zu bestaunen, das uns zwei Nächte beherbergt hat. In diesem edlen Gasthof sind schon Kaiser und Könige, Generäle und Herzöge abgestiegen, und der von Fachwerkhäusern gerahmte Innenhof ist Elsass in Reinkultur. Für das Frühstück möchten wir dann aber doch noch etwas Neues erkunden. Zu diesem Zweck suchen wir »Le Roi et son Fou« auf. Das im Stil einer Pariser Brasserie gehaltene Lokal bietet Frühstück und Brunch in mehreren Varianten an. Dann doch noch etwas Kultur, auch wenn die Zeit für Museums- und Konzertbesuche zu knapp ist: Die sogenannte Neustadt, erbaut in der Zeit des deutschen Kaiserreichs, bietet imposante Architektur – und der Fußweg dahin ein wenig Bewegung.

Als eingefleischte Gastro-Nomaden möchten wir dann doch die letzte Gelegenheit nutzen, große Küche zu sehen. So installieren wir uns im »1741«, wo uns Fabien Raux Miéral-Perlhuhn mit Trüffel und Vin-Jaune-Sauce serviert. Sein Gourmettempel spielt in der gleichen Liga wie das Abendrestaurant von gestern. Und wie um all die Eindrücke abschließend zusammenzufassen, beenden wir unseren Straßburg-Aufenthalt mit einer Bootsfahrt auf der Ill.
Dieser malerische Fluss umgreift Straßburg quasi mit seinen Armen. Mit vollen Köpfen und ebenso vollen Taschen geht es dann wieder in die Heimat. Unsere Eindrücke und Einkäufe werden uns durch die kommende Woche begleiten.

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2019

Zum Magazin

Stephan Thomas
Mehr entdecken
Kapital und Kommunismus, Eleganz und Elend, Zarenchic und Zukunft: Moskau schafft sich jeder in seinem eigenen Kopf.
Long Weekend
Long Weekend in Moskau
Moskau, die große Unbekannte Europas. Wie viele Seelen in dieser Stadt wohnen, das erfährt man...
Von Julia Niemann
Mehr zum Thema
Städtereise
Reise nach Rom: Viva Roma!
In der Antike war Rom für die üppigen Gelage bekannt. Heute geht es zivilisierter zu. Innovative...
Von Othmar Kiem