Alles, was Sie über den Stoffwechsel wissen müssen
Gewicht, Gesundheit und Wohlbefinden: Der Stoffwechsel ist dafür verantwortlich, dass in unserem Körper alles rund läuft. Er ist der Motor, der uns antreibt – und manchmal ein wenig aus dem Takt gerät.
19.12.2023 - By Christina M. Horn
Header-Bild: Der Stoffwechsel ist eine komplexe Abfolge von biochemischen Prozessen, bei denen der Körper Nahrung in Energie umwandelt und diese für lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Verdauung, Zellteilung und Bewegung nutzt.
Man stelle sich vor, der Körper wäre ein Auto. Zig Teile sind daran beteiligt, uns von A nach B zu bringen. Die Karosserie schützt unser Innenleben vor der Umwelt. Es gibt einzelne Teile, die eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen haben, Flüssigkeiten mit verschiedenen Funktionen und komplexe Technik, die die intelligente Steuerung ermöglicht. Manches davon ist wichtig, einiges weniger essenziell. So hält uns ein defekter Reifen nur für einige Zeit auf, während Probleme unter der Motorhaube den Profi auf den Plan rufen. Um all diese Elemente miteinander zu verbinden, sie mit Energie zu versorgen und in einen laufenden Takt zu bringen, braucht es schließlich: den Motor. Und dieser, man hat es vielleicht schon erraten, steht hier für den Stoffwechsel.
Blick »unter die Motorhaube«
Allerdings: Schon die Frage nach dem »Wie funktioniert das?« gestaltet sich beim Metabolismus etwas schwieriger. Universitätsprofessor Ingo Froböse, Autor des Spiegel-Bestsellers »Der Stoffwechsel-Kompass«, beschäftigt sich in seiner Arbeit täglich mit dem Thema – und weiß um die Komplexität der Prozesse dahinter: »Der Stoffwechsel kann im Wesentlichen als die Versorgungsinfrastruktur unseres Körpers betrachtet werden«, erklärt der Universitätsprofessor und Autor. »Seine Hauptaufgabe besteht darin, Energie dorthin zu transportieren, wo sie benötigt wird, nämlich zu den Zellen unseres Körpers. Diese Energie wird für lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Blutkreislauf, Leberfunktion, Herzschlag und Denkprozesse benötigt. Darüber hinaus hilft er bei der Entsorgung und Reinigung von Abfallstoffen im Körper.« Demnach werden nahezu alle biologischen Prozesse von unserem Stoffwechsel kontrolliert und reguliert. Es ist also ratsam, diesen Motor am Laufen zu halten. Gerät er nämlich ins Stottern, hat dies Konsequenzen – von Gewichtszunahme über hormonelle Probleme oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Muskelschwund. Um zu verstehen, wie es möglich ist, dass ein einziger Vorgang so umfassende Auswirkungen haben kann, muss man zunächst einen Blick »unter die Motorhaube« werfen.
Der Metabolismus: vom Mikro ins Makro
Eines der faszinierendsten Merkmale des Metabolismus? Jede einzelne unserer Zellen hat ihren Anteil und trägt dazu bei, den gesamten Prozess aufrecht zu erhalten. So kümmert sich die einzelne Leberzelle um den Leberstoffwechsel, die einzelne Herzzelle um den Herzstoffwechsel – und so weiter. Dieser Vorgang ist keineswegs autonom: Die Organe und deren Größe haben hierauf ebenso Einfluss wie hormonelle Prozesse. Letztere wiederum werden von Drüsen gesteuert. Hier hat vor allem das Gaspedal des Stoffwechsels, die Schilddrüse, das Sagen. Sie schüttet die Hormone aus, die den gesamten Prozess sowohl aktivieren als auch drosseln können. Eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse hat daher erhebliche Auswirkungen auf Wohlbefinden und Gesundheit – sie wäre eine kleine Änderung mit großer Wirkung. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Hauptarten des Stoffwechsels: den Anabolismus und den Katabolismus. Sie arbeiten eng zusammen, um die Energiegewinnung, das Zellwachstum und die Aufrechterhaltung des Körpergewebes zu regulieren. Kurz und einfach erklärt: Nehmen wir Nährstoffe zu uns, so nutzt der Anabolismus diese zum Aufbau und zur Reparatur von Gewebe, während der Katabolismus durch deren Abbau Energie freisetzt. Geraten diese beiden komplexen Vorgänge aus dem Gleichgewicht, hat das natürlich Auswirkungen: Ein Überwiegen des Anabolismus, bei dem der Körper mehr Energie speichert, als verbraucht wird, kann zu Gewichtszunahme und Energiemangel führen. Ist der Katabolismus übermäßig aktiv, kommt es hingegen zu Gewichtsverlust und Muskelabbau.
Ingo Froböse
Stoffwechsel-Experte
Ingo Froböse
Stoffwechsel-Experte
Darüber hinaus äußert sich das Ungleichgewicht in Stoffwechselstörungen wie Insulinresistenz, diversen hormonellen Störungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Verdauungsstörungen. Da der Metabolismus so umfassend und komplex agiert, sind die Auswirkungen und Symptome oft diffus. »Der Stoffwechsel gerät zunächst auf hormoneller Ebene ins Ungleichgewicht. Das zeigt sich durch Nervosität oder Unruhe«, so Ingo Froböse. Zusätzlich zeige sich die Imbalance über äußere Symptome – brüchige, nur langsam wachsende Haare und Nägel etwa, Haut, die sich schlecht regeneriert oder Gewichtsschwankungen. »Dazu kommt ein Verlust der Leistungsfähigkeit. Wenn Muskelmasse schwindet, wenn das Herz nicht mehr so optimal arbeitet, sind das ganz klare Indikatoren für Stoffwechselveränderungen.« Um bei der Metapher zu bleiben: Der Motor ist also – ob aus hormonellen Gründen oder durch unachtsamen Umgang – ins Stottern geraten. Neben wichtigen Änderungen unseres alltäglichen »Fahrstils« ist es ratsam, in solchen Fällen eine ärztliche Meinung einzuholen. »Es ist ein Grundproblem, dass es den einen Arzt für diesen Bereich nicht gibt, da jedes Organ, jeder Knochen, jede Zelle einen eigenen Stoffwechsel hat. Das heißt also, letztlich bräuchte man ein interdisziplinäres Team zur Diagnose – deswegen ist der Hausarzt die richtige Adresse.« Dass es jedoch an diagnostischen Systemen fehlt, sei nach wie vor ein Problem; laut Ingo Froböse wäre zumeist schon der Blick auf das Verhältnis von Fett zu Muskelmasse ein guter erster Hinweis auf Stoffwechselveränderungen, weshalb sich eine Spirometrie anbieten würde, um zu genaueren Daten zu gelangen.
Stoff-Wechsel: wieder in Fahrt gebracht
Der Stoffwechsel ist keineswegs ein starrer Vorgang; wie wir leben, hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie effizient unser Metabolismus läuft. Ungesunde Ernährungsgewohnheiten und Crash-Diäten können dazu führen, dass der Körper auf Sparflamme schaltet, Muskelmasse abbaut, um Energie zu sparen, und Alterungsprozesse beschleunigt; für viele nicht der gewünschte Effekt. Aber: Der Stoffwechsel passt sich nicht nur im Negativen, sondern auch im Positiven an. So können wir unseren Motor mittels gesunder, ausgewogener Ernährung, viel Bewegung sowie Schlaf- und Regenerationsphasen am Laufen halten. Besonders die Muskulatur hat einen immensen Einfluss auf Intensität und Geschwindigkeit des Stoffwechsels. Ausdauer- und Kraftsport sind unausweichliche Größen auf dem Weg zum leistungsstarken Metabolismus. »Die wöchentliche Trainingsempfehlung liegt bei zwei Muskel- und drei bis vier Ausdauereinheiten«, fasst Ingo Froböse die wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammen. In Sachen Ernährung rät er, biorhythmisch zu essen: »Das bedeutet, dass man auf alle Makronährstoffe zurückgreift, die man in einer gewissen Rhythmik zu sich nimmt: morgens energiegeladen, mittags vielfältig-nährstoffreich, abends proteinreich.
Zwischen den Mahlzeiten sollten Pausen von vier bis sechs Stundeneingehalten werden.« Wer zudem ausreichend Wasser oder ungesüßten Tee trinkt und ausreichend Ruhephasen einhält, darf sich damit im Normalfall eines gesunden Stoffwechsels erfreuen. Sollte man seinen Metabolismus mit einer Crash-Diät und wenig Bewegung stark heruntergefahren haben, muss man dennoch nicht verzweifeln und kann diesen mit genügend vitalreicher Ernährung und Sport wieder ankurbeln. Dazu braucht es Zeit – rund sechs bis neun Monate, laut dem Sportwissenschaftler – und Durchhaltevermögen. Kleine Ziele, die in sechs Wochen erreichbar sind, helfen dabei. Warum genau sechs Wochen? »Nach dieser Zeit hat der Körper üblicherweise ein Motivationstief und plötzlich keine Lust mehr. Wer sich also immer wieder neue Etappenziele setzt, schafft damit die Motivation, diese dauerhaft von Stufe zu Stufe zu realisieren«, rät Ingo Froböse. Ein ausgeglichener Stoffwechsel hat – Stichwort: Mikro auf Makro – Einfluss auf unseren gesamten Körper. Läuft alles rund, so sind wir tendenziell gesünder, haben mehr Energie, ein stärkeres Immunsystem und profitieren von einer besseren Gedächtnisleistung. Sogar die Lebenserwartung steigt. Wer sich um seinen »Motor« kümmert, steht demnach klar im Vorteil.