Buchtipp: Verjüngung der Gene
100 Jahre jung! Wer will das nicht? Gesund länger leben. Lange Zeit war dies ein frommer Wunsch, seit einigen Jahren rückt dieses Ziel jedoch immer näher. Zum einen wurde verstanden, dass Altern auf einer molekularen Grundlage basiert. Zum anderen konnten die entscheidenden Alterungsfaktoren identifiziert werden. Kennt man sie, lassen sich diese Faktoren gezielt beeinflussen! Einige dieser Alterungsfaktoren seien hier kurz genannt.
18.04.2024 - By Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk
Kaum zu glauben, aber ein Thema begleitet uns alle ein Leben lang: »Wer bringt den Müll raus?« War es in jungen Jahren vielleicht noch ein Streitpunkt unter Mitbewohner:innen, passiert es in späteren Jahren auf molekularer Ebene. Wer gut entsorgt,
lebt gesünder. Wer gesünder lebt, lebt länger. Kann es so einfach sein?
Silent inflammation
Chronisch niederschwellige Entzündungsprozesse lassen uns schneller altern. Eine anhaltende Parodontitis etwa führt nicht nur dazu, dass die Zähne schneller ausfallen, sie erhöht auch das Risiko für einen Herzinfarkt. Warum? Ganz einfach: Die chronischen Entzündungsprozesse breiten sich im ganzen Körper aus und führen unter anderem zu einer Arteriosklerose, die die Grundlage für einen Herzinfarkt darstellt. Auch das Fettgewebe ist eine Quelle chronischer Inflammation, weil es entzündungsfördernde Substanzen ins Blut abgibt. Die Conclusio daraus? Abnehmen und eine gute Zahnpflege sind gute Anti-Aging-Maßnahmen! Simpel und effektiv.
Molekularer Müll
In unseren Zellen wird viel produziert: Hormone, Enzyme, Struktureiweiße. Wo viel produziert wird, fällt auch viel Abfall an. Der wird in jungen Jahren effektiv entsorgt beziehungsweise recycelt. Wie vieles, was in der Jugend gut funktioniert, gelingt das aber im Alter nicht mehr so effektiv. Die Folge: Molekularer Müll sammelt sich in und zwischen unseren Zellen an. Das kann man teilweise sogar mit bloßem Auge sehen, etwa in Form der unbeliebten »Altersflecken«. Nicht sichtbar, aber viel dramatischer ist es hingegen im Hirn bestellt: Hier ist es vor allem das Eiweißfragment Beta-Amyloid, das sich zwischen den Zellen ansammelt und zu Plaques verklumpt, den Grabsteinen unseres Gedächtnisses. Aber auch hiergegen kann man etwas tun, denn letztendlich scheitern viele Zellen und Gewebe an einem Problem, an dem in den 1970er und 1980er-Jahren bereits viele studentische Wohngemeinschaften gescheitert sind, nämlich an der Frage: »Wer bringt den Müll raus?« Die Antwort ist immer dieselbe: Am besten man selbst! So auch im Körper, etwa durch Fasten. Kommt keine Energie mehr von außen, ist der Körper gezwungen, den molekularen Müll selbst zu verwerten. Er verpasst den Zellen auf diese Art einen Hausputz. Dabei können auch Nahrungsergänzungsmittel als praktische Helferlein einspringen: Spermidin ist ein klassisches Beispiel für einen sekundären Pflanzenstoff, der den molekularen Abfall beseitigt.
Epigenetik
Wir haben erkannt, dass Genetik nicht nur bestimmt ist durch die Reihenfolge der Basenpaare in unserer DNA. Die genetische Information muss auch gesteuert werden. Genau das ist die Aufgabe der Epigenetik. Sie tut das, indem sie bestimmte Moleküle (hauptsächlich Methylgruppen) an die DNA anheftet und diese damit entweder blockiert oder aktiviert. Leider wird auch diese epigenetische Steuerung im Alter immer unpräziser. Der Harvard-Genetiker David Sinclair spricht in diesem Zusammenhang vom »epigenetischen Rauschen«. Auch das lässt sich beeinflussen. Viele sekundäre Pflanzenstoffe wie etwas das Sulforaphan im Brokkoli oder das Epigallocatechingallat im grünen Tee wirken als epigenetische Stabilisatoren. So paradox es klingt: Wir können unsere Gene tatsächlich verjüngen.
Zukunftsmarkt Longevity
Ein weiterer Aspekt auf unserem Weg zu längerem Leben darf man nicht vergessen: Um die Longevity-Medizin herum entwickelte sich in den letzten Jahren eine eigenständige Industrie. Die großen Firmen im Silicon Valley setzen inzwischen alle auf das Thema Lebensverlängerung. So hat Google (inzwischen Alphabet) eine Tochterfirma namens CaliCo (California Life Company) mit 1,5 Milliarden Dollar Startkapitel gegründet. Einziges Ziel von CaliCo: Altern zu einer behandelbaren Erkrankung zu machen. Nicht weniger Geld fließt in Altos Labs, das hauptsächlich vom Amazon-Gründer Jeff Bezos aufgebaut wurde. Hier werden die führenden Altersforscher:innen weltweit zusammengebracht und großzügigst finanziert. Viele kleine Biotech-Start-ups engagieren sich inzwischen ebenfalls auf diesem Gebiet. Es fließt also mittlerweile viel Know-how und viel Geld in die Longevity-Medizin. Das garantiert noch nicht den großen Durchbruch, es macht ihn aber sehr viel wahrscheinlicher. Und so gehen führende Forsche-r:innen wie der bereits erwähnte David Sinclair davon aus, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in den nächsten dreißig Jahren deutlich ansteigen wird. »Mit 100 gesund in die Kiste« ist also nur das Nahziel. Langfristig wird es heißen: »Wir treffen uns mit 250 zum Surfen am Strand.«
Buchtipp
Verjünge deine Gene!
Wie wir die neuesten Erkenntnisse der Epigenentik für unsere Verjüngung nutzen können
Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk, Bernhard Hobelsberger
Gräfe und Unzer Verlag, um € 22,–