Ob am berühmten »Floating Market« in Bangkok oder auf einem der unzähligen anderen Märkte: Frisches Obst und Gemüse sind in Thailand allgegenwärtig und essenzieller Bestandteil der kulinarischen Kultur.

Ob am berühmten »Floating Market« in Bangkok oder auf einem der unzähligen anderen Märkte: Frisches Obst und Gemüse sind in Thailand allgegenwärtig und essenzieller Bestandteil der kulinarischen Kultur.
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Thailand: Chili, Curry, Kokosnuss

Streetfood-Hochburg und aufstrebendes Gourmetmekka: In Thailand und seiner pulsierenden Hauptstadt kommt zusammen, was zusammengehört. Und so vielfältig und bunt wie das Land selbst ist auch seine Küche.

Wenn es dunkel wird in der thailändischen Hauptstadt, erwacht der Talad Rot Fai ­Srinakarin zum ­Leben. Dann treffen sich Einheimische, Touristen und Geschäftsreisende gleichermaßen zwischen den kleinen Ständen des wohl bekanntesten Nachtmarkts von Bangkok, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen, Souvenirs zu kaufen, Kuriositäten zu bestaunen – und natürlich, um zu essen. Dicht an dicht drängen sich die mobilen Gar­küchen aneinander, die es Besuchern erlauben, sich in nur einer Nacht auf eine kulinarische Rundreise durch das ganze Land zu begeben: von den Standards Pad Thai und Tom Kha Gai über die Reisgerichte, die einst über die Grenzen der Nachbarländer kamen und von dort aus das Land eroberten, bis zu den Fisch- und Seafood-­Spezialitäten der südlichen ­Küstengebiete. 

Trotz seiner Lage im Südosten der Stadt, etwas abseits der ausgetretenen Pfade, gehört der Talad Rot Fai allein seiner Größe in Fläche und Angebot wegen zu den Touristen-Hotspots – doch die Konkurrenz schläft nicht: Influencer und Besucher am Puls der Zeit finden sich derzeit mit Vorliebe im erst kürzlich eröffneten Jodd Fairs Night ­Market ein, der zwar geringere Ausmaße hat, aber ebenfalls mit einer erstaunlichen Vielfalt an Ständen und Garküchen nebst kleinen Bars mit Livemusik aufwarten kann. Und in der ganz jungen Ong Ang Walking Street kann man beim Essen und Trinken auch noch Street-Art regionaler Künstler bewundern. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, denn inzwischen hat man allein nachts die Wahl zwischen rund 40 Märkten – tagsüber potenziert sich deren Anzahl noch. Und sie sind nur eine hochkonzentrierte, aber längst nicht die einzige Streetfood-Option: Denn gekocht wird hier an so gut wie jeder Straßenecke.

Pulsierendes Bangkok: Die Hauptstadt ist auch der kulinarische Schmelztiegel des Landes, hier finden sich alle Küchen wieder.
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Pulsierendes Bangkok: Die Hauptstadt ist auch der kulinarische Schmelztiegel des Landes, hier finden sich alle Küchen wieder.

Dabei haben nicht nur ­Bangkoks Garküchen Thailand den Ruf als Wiege des asiatischen Streetfood beschert. Allerorts glühen im Land die Woks: Im hohen Norden ist die zweitgrößte Stadt des Landes, Chiang Mai, Fixpunkt für all jene, die sich in den Provinzen Chiang Mai und Chiang Rai auf die Spur ursprünglicher Thai-Kultur begeben wollen. Dementsprechend geht es auch auf den Märkten authentischer zu. Der Nachtbasar von Chiang Mai ist zum einen eine wahre Hochburg des Kunsthandwerks, zum anderen sorgen auch hier Lebensmittelverkäufer und mobile Garküchen dafür, dass ein Besuch aus olfaktorischer und lukullischer Sicht zu einem wahren Erlebnis wird. Streetfood ist aber bekanntlich nur die ­halbe Miete der zeitgenössischen Kulinarik.

Seafood ist Standard, vor allem im Süden des Landes. Tintenfische, Garnelen und Co. werden immer ganz frisch zubereitet.
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Seafood ist Standard, vor allem im Süden des Landes. Tintenfische, Garnelen und Co. werden immer ganz frisch zubereitet.

Genusszentrum

Nicht nur für die unkomplizierte Küche to go, sondern auch für deren Fine-Dining-Gegenstück, ist das südostasiatische Königreich ein Schlaraffenland. Das hat auch mit der langen Tradition der »Royal Thai Cuisine« zu tun. Die wortwörtliche Königsklasse der Landesküche hat ihren Ursprung in den Gerichten und Rezepten, die in vergangenen Jahrhunderten den Angehörigen der Königsfamilie vorbestimmt waren. Bis heute dürfen diese nur unter Einhaltung strenger Regeln von ausgewählten und sorgsam ausgebildeten Köchen zubereitet werden, bilden aber auch die Grundlage für den anhaltenden Trend zum hochklassigen Restauranterlebnis.

Das Kunststück, dessen Geschmäcke mit den Vorzügen des Streetfood zu kombinieren, gelingt in der kleinen Garküche von Jay Fai, die nicht erst seit ihrem Auftauchen in einer Netflix-Doku über Streetfood Kult ist: Krabbenomelette und andere Köstlichkeiten haben der Chefin jüngst einen Michelin-Stern beschert. Überhaupt hat die Spitzengastronomie im Land in den vergangenen Jahren ordentlich Fahrt aufgenommen, denn in den luxuriösen Resorts entlang der Küste wird auf ebensolchem Niveau gekocht. Das Epizentrum der gehobenen Thai-Küche bleibt aber, zumindest vorerst, zweifellos die Hauptstadt. Hier haben es sich inzwischen zahlreiche Gourmetrestaurants gemütlich gemacht, zwei davon sind gleich doppelt besternt: Das »Sorn« hat sich der südthailändischen Küche ­verschrieben und bezieht seine Produkte, die in schwindelerregende 22 Gänge verwandelt werden, von einem Netzwerk ausgewählter Fischer und Bauern. Nicht weit entfernt wird im »R-Haan« nach der thailändischen Fünf-Elemente-Küche gekocht. Und eine andere ­Bangkoker Adresse wurde gerade überhaupt zum besten Restaurant in ganz Asien erkoren: »Le Du« ist ein landessprachliches Synonym für regional, und genau das ist auch die Prämisse der schicken Adresse im Herzen der Metropole.

Kulinarischer Schmelztiegel

Nach genussvollen Tagen in Bangkok begibt man sich am besten mit möglichst viel Zeit im Gepäck auf Erkundungstour, wahlweise geht es dabei in Richtung der nördlichen Natur- und Kulturschätze oder der Insel- und Strandparadiese im Süden. Hier wie dort werden fernab der Großstadt auch die Unterschiede, Nuancen und Ursprünge der Thai-Küche deutlicher. 

Im Norden des Landes machen sich besonders Einflüsse aus den Nachbarländern Myanmar und Laos bemerkbar – aus Letzterem stammt etwa der Klebreis, der aber längst nicht nur, wie hierzulande bekannt, in Kombination mit Mangos oder anderen exotischen Früchten als Dessert genossen, sondern auch als Beilage zu würzigen Gerichten gereicht wird. Deren Hauptdarsteller ist meist Hühnerfleisch, so wie im Fall des regionaltypischen Kai Yang, das ebenfalls aus Laos importiert wurde. Das Huhn wird dazu flach geklopft, mit einer Mischung aus Soja-, Fischsauce und diversen Gewürzen bestrichen und scharf gegrillt. Auch Khao Soi hat ­laotische Ursprünge: Das Gericht aus gekochten und frittierten Eiernudeln in einer kräftigen Brühe, optional mit zusätzlicher Fleisch- oder Gemüseeinlage, wird traditionell mit fermentiertem Gemüse gegessen. Je weiter man in den Süden und in Strandnähe vordringt, desto zahlreicher werden die Touristen und desto prominenter sind in den Küchen die Tiere des Meeres. Am weitesten verbreitet sind die Garnele und ihre engeren Verwandten – so dienen getrock­nete Shrimps in vielen Gerichten als Salz- und Umami-Lieferant, frische Garnelen ­werden in beinahe jeder Darreichungsform – ­gedämpft, frittiert, gebraten – angeboten.

»Importware« Chili: Die feurigen Schoten kamen von Südamerika via Europa hierher, sind aber längst kulinarisch »eingemeindet«.
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»Importware« Chili: Die feurigen Schoten kamen von Südamerika via Europa hierher, sind aber längst kulinarisch »eingemeindet«.

Scharfe Sache

Vom Süden aus hat auch das klassische, hierzulande als Thai-Curry bekannte Kaeng seinen Siegeszug angetreten. Anders als in Indien wird es auf Kokosmilchbasis gekocht, für seine Geschmackstiefe sorgt eine würzige Paste aus im Mörser zerriebenen Aromaten. Thai-Basilikum, Koriander, der auch als Thai-Ingwer bekannte Galgant und Zitronengras gehören zu den Standards, die genaue Zusammensetzung jeder Currypaste ist mindestens so vielschichtig wie die Küche selbst. Und mitunter streng geheim, denn wer in Thailand etwas auf die eigene Kunst am Herd hält, stellt seine Paste selbst her. Grundsätzlich gilt jedoch die Faustregel: Je weiter südlich, desto schärfer werden die Currys. Denn neben der Fischsauce sind Chilis Teil der Grundausstattung jeder thailändischen Küche. Die kleinen Schoten kommen in besonderer Variation daher, von mäßig scharf bis zu richtig feurigen Exemplaren. Ungeübte sollten bei der Frage nach dem Schärfegrad deshalb Vorsicht walten lassen. Die Geschmacksnerven sollen schließlich empfänglich bleiben für alles, was noch kommt – ob auf der Pappschale oder dem Porzellanteller.


Thai-Klassik: Pad Thai und Tom Kha gai

Gemeinhin wird die Küche Zentralthailands als typische Thai-Küche wahrgenommen, deren Flaggschiff das heute über den ganzen Globus bekannte Pad Thai ist. Das hat seinen Ursprung zwar in China, gilt heute aber als Nationalgericht – trotz seines tragischen Hintergrunds: Während des Zweiten Weltkriegs sollte der Reis lukrativ exportiert werden oder den Soldaten vorbehalten sein, weshalb man die Bevölkerung anhielt, mehr Nudeln zu essen. Inzwischen gibt es kein thailändisches Restaurant, das das Gericht nicht im Programm hätte. Die breiten Reisnudeln, die nach dem Kochen mit Eiern und allerlei Gewürzen von Tamarindenpaste bis Fischsauce ange-braten werden, ergänzt man inzwischen gern mit Fleisch, Fisch oder Tofu. 

Auch Tom Kha Gai ist ein Standard der Thai-Küche, hier ist der Name Programm: Das Aroma kommt vom Galgant oder Thai-Ingwer, der in der Landessprache »tom« heißt und gekocht wird – auf Thailändisch »kha«. »Kai« oder »gai« schließlich bedeutet Huhn, und damit ist das Gericht hinlänglich beschrieben – die würzige Hühnersuppe mit eindeutigem Galgant-Aroma wird mit Kokosmilch aufgegossen und mit Reis serviert.

Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2023

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Caroline Metzger
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