Der »Author’s Wing« und der üppige Garten des »Mandarin Oriental« stammen noch aus den 1920er-Jahren und sind historische Zeugen für die große Vergangenheit des Hauses. Die Neubauten links und dahinter stehen für die außergewöhnliche Gegenwart dieser einzigartigen Hotelikone.

Der »Author’s Wing« und der üppige Garten des »Mandarin Oriental« stammen noch aus den 1920er-Jahren und sind historische Zeugen für die große Vergangenheit des Hauses. Die Neubauten links und dahinter stehen für die außergewöhnliche Gegenwart dieser einzigartigen Hotelikone.
© Mandarin Oriental

Hotelikonen: Das »Mandarin Oriental Bangkok«

Es ist eines der besten Hotels der Welt – und eines der berühmtesten. Künstler, Adelige und Millionäre gehen hier seit jeher ein und aus, zwischenzeitlich kam auch anderes Publikum. Bis heute lebt das Haus von seiner schillernden Vergangenheit – und seinem einzigartigen Verständnis von Service.

Das Hotel lag am Fluss. Mein Zimmer war dunkel, eines in einer langen Reihe mit einer Veranda auf jeder Seite, die Brise wehte durch, aber es war stickig. Der Speisesaal war groß und düster, und der Kühle halber waren die Fensterläden geschlossen. Ich wusste nicht, warum mir auf das geschmacklose östliche Essen übel wurde.

Diese Zeilen stammen von William ­Somerset Maugham, bis heute einer der meistgelesenen Autoren des 20. Jahrhunderts. Maugham stieg 1923 zum ersten Mal im »Oriental«, wie es damals noch hieß, ab, nachdem er sich bei seinen Reisen durch Burma und Vietnam mit Malaria infiziert hatte. Eines Morgens belauschte der gesundheitlich schwer angeschlagene Schriftsteller ein Gespräch zwischen der Hoteldirektorin und einem Arzt: »Ich kann ihn nicht hier sterben lassen, Sie müssen ihn ins Krankenhaus bringen …« Aber Maugham überlebte und feierte Jahrzehnte später seinen 85. Geburtstag hier, so launig, wie es wohl nur ein Engländer kann: »Ich wäre einmal fast aus diesem Hotel geräumt ­worden«, erzählte er den staunenden Gästen seiner Party, »weil die Managerin nicht wollte, dass ich ihr das Geschäft ruiniere, indem ich in einem ihrer Zimmer einfach sterbe.«

Der englische Autor war nur einer von unzähligen Celebrities und gekrönten Häuptern, die im berühmtesten Hotel
Asiens abstiegen. Dabei ist das »­Mandarin Oriental Bangkok«, wie es inzwischen offiziell genannt wird, selbst längst ein Star unter den Luxushotels, eine Ikone und eine Diva, mit einer Geschichte, die seit der Gründung vor fast 150 Jahren nicht schillernder sein könnte. 

Der »Author’s Wing« und der üppige Garten des »Mandarin Oriental« stammen noch aus den 1920er-Jahren und sind historische Zeugen für die große Vergangenheit des Hauses.
Die Neubauten links und dahinter stehen für die außergewöhnliche Gegenwart dieser einzigartigen Hotelikone.
© Mandarin Oriental
Der »Author’s Wing« und der üppige Garten des »Mandarin Oriental« stammen noch aus den 1920er-Jahren und sind historische Zeugen für die große Vergangenheit des Hauses. Die Neubauten links und dahinter stehen für die außergewöhnliche Gegenwart dieser einzigartigen Hotelikone.

Ein Beginn als Seemannsunterkunft

Die Geschichte des Hauses begann im Jahre 1876, als zwei dänische Seeleute am Fluss Chao Phraya eine Absteige für ihresgleichen eröffneten. Das Gebäude brannte jedoch bald ab und wurde 1884 von einem weiteren dänischen Kapitän neu aufgebaut. Dieser Gebäudeteil existiert nach wie vor und wird heute »Author’s Wing«, also Schriftstellerflügel genannt, da hier seinerzeit neben Somerset Maugham viele weitere bekannte Autoren wie etwa Joseph Conrad, Graham Greene (er schrieb hier seinen Vietnam-Roman »Der stille Amerikaner«) oder John Le Carré logierten.

1910 kaufte die legendäre Hotelmanagerin Marie Maire das »Oriental«und machte es zum Fixpunkt für Asienreisende, Diplomaten und Geschäftsleute. Im Zweiten Weltkrieg war Thailand von japanischen Streitkräften besetzt und das »Oriental« wurde schwer beschädigt. 1947 erwarben der ehemalige amerikanische Geheimdienstoffizier und nunmehrige Geschäftsmann Jim Thompson und die legendäre deutsche Fotografin Germaine Krull das Haus. Krull war es auch, die nicht nur das stark in Mitleidenschaft gezogene Hotel wieder aufbauen ließ, sondern auch die aufsehenerregende »Bamboo«-Hotelbar etablierte, die rasch zum angesagtesten Treffpunkt Bangkoks wurde und noch heute zu den 50 besten Bars der Welt zählt.

Eine der 35 Suiten mit Blick auf den Fluss Chao Phraya.
© Mandarin Oriental
Eine der 35 Suiten mit Blick auf den Fluss Chao Phraya.

In neue lichte Höhen schwang sich das »Oriental« unter der Leitung des genialen deutschen Managers Kurt Wachtveitl auf, der das Hotel zwischen 1967 und 2008 leitete. Wachtveitl erlebte dabei alle Höhen und Tiefen eines Hoteldirektors und war doch ein Mann, den nichts aus der Ruhe zu bringen schien. Ausgestattet mit einem nahezu buddhistischen Gemütskorsett, blieb er selbst dann noch gelassen, wenn ihn die launische Filmdiva Liz Taylor »wie einen Hund behandelte«, etwa weil die beste Suite bereits belegt war, erinnerte sich Wachtveitl später. Oder wenn sich Popidol Michael Jackson – damals des Kindesmissbrauchs verdächtigt – im Hotel versteckte und nicht auftreten wollte, obwohl bereits Tausende Konzertkarten verkauft waren. Wachtveitl ließ sogar kambodschanischen Steinzeitkommunisten die feinsten Delikatessen des Hauses servieren, wenn diese einmal kurz Pause von der mörderischen Revolution im Nachbarland machen wollten. Kurz: Diesen Mann konnte so leicht nichts erschüttern.

Aufstieg zur Weltspitze

Als Wachtveitl im November 1967 seinen Dienst als General Manager antrat, war das Haus nicht gerade im besten Zustand, die Ausstattung ließ ziemlich zu wünschen übrig. In den Suiten sorgte einzig ein Deckenventilator für Kühlung, der so stark rotierte, »dass er den Gästen fast das Toupet vom Kopf blies«, erinnerte sich Wachtveitl später. Doch dem Deutschen gelang es, das Haus langsam wieder in Schuss zu bringen. Vor allem die amerikanischen Generäle, bis hinauf zum US-Oberbefehlshaber in Vietnam, General William Westmoreland, schätzten während des Vietnamkriegs das Hotel mit der unvergleichlichen Lage am Fluss, dem duftenden tropischen Garten und den vielen Restaurants im Haus, in höchstem Maß.

Im Jahr 1974 erwarb die wenige Jahre zuvor in ­Hongkong gegründete Mandarin-Hotelgruppe das »Oriental«, das von nun an als »Mandarin Oriental« firmierte. 1991 kürte das US-Magazin »Institutional Investor« das »Oriental« zum »besten Hotel der Welt« und erneuerte dieses Urteil in den folgenden zehn Jahren. 2001 wurden weitere rund 30 Millionen Dollar in die Sanierung des Hauses investiert, um es auf den neuesten Stand zu bringen.

Heute verfügt das Hotel über 358 ­Zimmer und 35 Suiten sowie über neun Restaurants und ein eigenes Spa. Das »Le Normandie by Alain Roux« ist die Nummer eins unter den hauseigenen Restaurants, seit der Gründung im Jahre 1958 wird dort eine gehobene französische Küche in elegantem Ambiente zelebriert. Der Gourmettempel mit zwei Michelin-Sternen befindet sich auf der obersten Etage des Flügels »Chao Phraya« und bietet einen spektakulären Blick auf den Fluss. Seit 2021 arbeitet dort der französische Sternekoch Alain Roux als Küchenchef.

Im »Kinu by Takagi« sorgt Chefkoch Takagi Kazuo für detailverliebte Gerichte im Kyoto-Stil, bekannt als »Kyoryori«, und im Lokal »Riverside Terrace« kann man abends die spezielle Atmosphäre in unmittel­barer Nähe zum Fluss genießen. Das thailändische »Rim Naam« gegenüber dem »Mandarin Oriental« galt lange als ganz besondere Attraktion, denn man gelangte nur mit dem hauseigenen Boot zum Restaurant. Doch seit der Pandemie ist das »Rim Naam« geschlossen, wann und ob es wieder aufsperrt, ist derzeit noch unklar.

Mit Liebe zum Detail

Mit den Restaurants und der »Bamboo Bar«, der Lage am Fluss, einem Spa der Superlative und dem ikonischen Service zählt das »Mandarin Oriental« vollkommen zu Recht seit Jahrzehnten zu den herausragendsten Hotels der Welt. Aber es sind vor allem die Kleinigkeiten, die hier seit jeher einen höheren Stellenwert haben als in anderen Luxushotels. Das wusste keiner besser als der legendäre Direktor Kurt Wachtveitl: »Wenn man den Gästen alle Wünsche von den Lippen abliest, sind sie so zahm wie Lämmer.« Und die schweigen bekanntermaßen – und genießen.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2023

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Herbert Hacker
Herbert Hacker
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