Die berühmte »Sansibar« in den Dünen auf Sylt: An Spitzentagen im Sommer kommen bis zu 5000 Gäste hierher.

Die berühmte »Sansibar« in den Dünen auf Sylt: An Spitzentagen im Sommer kommen bis zu 5000 Gäste hierher.
© Sabine Lubenow / Lookphotos / picture desk.com

Restaurant-Legenden: »Sansibar« – Genialer Hüttenzauber

Die »Sansibar« auf Sylt ist ein Kultlokal, wie es nur wenige gibt. Mitten in den Dünen treffen sich hier seit Jahrzehnten Prominente und Reiche und genießen eine einzigartige Mischung aus Gasthaus und Nobelrestaurant. Die Geschichte einer Bretterbude, die zum umsatzstärksten Restaurant Deutschlands wurde.

Es ist Deutschlands wohl ­berühmtestes Lokal. Oder zumindest eines der berühmtesten. Nicht weil sich hier Starköche verwirklicht ­haben, nicht weil hier Michelin-Sterne oder andere Auszeichnungen erkocht wurden. Kein Gourmet-Mekka mit elaborierter Hoch­küche. Im Grunde ist die »Sansibar« auf der Insel Sylt zwischen Rantum und ­Hörnum nicht mehr als eine Strandhütte mitten in den Dünen am Meer. Das war sie immer und ist es bis heute geblieben.

Dennoch ist das Lokal ein Publikumsmagnet mit einem sagenhaften Bekanntheitsgrad. Ein Aufenthalt auf Sylt, ohne in der »Sansibar« gewesen zu sein, ist für viele kaum vorstellbar. Denn wer will nicht ­einmal auch dort einkehren, wo seit Jahrzehnten Promis und Superreiche schmausen, der Jetset wilde Partys feiert und die Adabeis und Neugierigen Schlange stehen, um einen freien Platz zu ergattern?

Publikumsmagnet

Die »Sansibar« ist untrennbar mit der Insel Sylt verbunden. Eine Lokalikone mit einer Geschichte, die wohl nur an diesem Ort möglich war. Gegründet als Kiosk in den Dünen, aufgestiegen zur berühmtesten Strandlokalität der Insel, von vielen auch die »nördlichste Skihütte Deutschlands« genannt, ist sie heute ein gastronomisches Monument aus Holz und Glas, auf Sand gebaut: mit 160 Innenplätzen im Restaurant und 250 Außenplätzen auf
der Terrasse, im Keller lagern über 30.000 Weinflaschen, auf Facebook hat das Kultlokal rund 90.000 Fans.

Laut dem Internetportal »Food Service« ist die »Sansibar« heute das »umsatz­stärkste Einzelrestaurant« Deutschlands, mit einem geschätzten Jahresumsatz von rund 25 Millionen Euro. An Spitzentagen im Sommer wird die Kulthütte von bis zu 5000 Gästen gestürmt.

Begonnen hat alles im Jahre 1974. Damals verschlug es den aus Schwaben stammenden Koch Herbert Seckler nach Sylt, er wollte einen Sommer lang dort arbeiten. Doch er blieb länger und eröffnete einen schlichten Kiosk, in dem er auch Currywurst und Eintopf servierte. Eine kleine Holzhütte, die er »Sansibar« nannte, weil der Strandabschnitt seit 1930 diesen Namen trug.

Herber Rückschlag

Seckler erkannte rasch, dass die privilegierte Lage der damals noch weitgehend unbekannten Bretterbude sein größter Vorteil war. Er baute aus und vergrößerte – und erlebte 1982 einen herben Rückschlag. Seine »Sansibar« ging in Flammen auf und brannte völlig ab. Seckler ließ sich aber dadurch nicht beirren und ließ eine größere Bretterbude errichten. Es war der Legende nach der Journalist Peter Boenisch, damals Sprecher der Regierung von Helmut Kohl, der in den Jahren danach öfters vorbeischaute und viele neue Gäste brachte. Für den entscheidenden Durchbruch als Promi-Location sorgte allerdings erst der 2011 verstorbene Starfotograf und hauptberufliche Playboy Gunter Sachs, als er mit Anhang zum ersten Mal die »Sansibar« besuchte. Seckler meinte einmal in einem Interview: »Der Gunter war ein sehr angenehmer Freund, er war ganz oft hier. Wir vermissen ihn.«

Sylt und Gunter Sachs

Sachs und Sylt, das erwies sich schon in den späten 1960er-Jahren als viel beachtete Kombination. Der Unternehmenserbe feierte damals wilde Partys auf dem bis dahin beschaulichen Eiland. Mit seiner damaligen Ehefrau Brigitte Bardot und anderen Promis aalte sich der millionenschwere Playboy vor allem am legendären Strandabschnitt Buhne 16 bei Kampen. Ende der 1980er-Jahre brachte Sachs dann viele seiner Freunde in die »Sansibar« und trug damit entscheidend dazu bei, dass die heute legendäre Bretterbude zu einem viel beachteten Promi-Treff wurde. Es sind so bekannte Namen wie Joachim Löw, Johannes B. Kerner, Jürgen KloppGünther Jauch, Thomas Gottschalk oder Til Schweiger, die als passionierte Sylt-Urlauber auch immer wieder als Gäste der »Sansibar« gesichtet wurden. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Peter ­Lewandowski, Chefredakteur der Zeitschrift »Gala«, sprach einmal von einem »magischen Ort, einer Wirklichkeit gewordenen Utopie«. Und Fußball-Legende Günter Netzer ist überzeugt: »Die Menschen, die hierherkommen, kommen nach Hause.«

Auch Karl Lagerfeld hatte hier einmal zwei Wochen lang ein Fotoshooting für einen Katalog mit vielen internationalen Topmodels. Sie alle sind dem Charme einer wohl unvergleichlichen Kombination aus Strandhüttenatmosphäre mit Promiflair und einer ganz speziellen Kulinarik erlegen.

Die »Sansibar«-Küche

Die Bandbreite der Küche in der »Sansibar« reicht von der legendären Currywurst, Linsensuppe oder Leberknödeln bis zu erlesenen Gourmethappen mit feinstem Kaviar und Gerichten wie Zander auf Champagnerkraut oder Loup de mer mit Rindercarpaccio.

Im legendären Weinkeller der »Sansibar« lagern über 30.000 Topflaschen, darunter die teuersten Rotweine der Welt.

Der größte Schatz der »Sansibar« befindet sich allerdings unterhalb des Lokals. Im legendären Weinkeller, der von Spezialisten aus dem Sandboden ausgehoben wurde, führt eine schmale Treppe zu einem langen Tisch im Halbdunkel eines Gewölbes, an dem der Hausherr gelegentlich zur Weinprobe bittet. Das eigentliche Weinlager befindet sich nebenan. Dort lagern unter anderem Großflaschen mit der Aufschrift: »Only Sansibar«. Im etwas kleineren Lager dahinter reihen sich dann die teuersten Rotweine der Welt dicht an dicht, von Pétrus und Romanée-Conti abwärts. Weine, die auf Sylt gerne getrunken werden. Geld spielt dabei keine allzu große Rolle. Vor allem nicht in der »Sansibar«.

Generationenwechsel

Wirt Herbert Seckler feierte erst kürzlich seinen 70. Geburtstag und will schon bald das Lokal mit 200 Mitarbeitern an seinen Sohn Niklas übergeben. Bis es so weit ist, will er allerdings noch mit auf der Brücke stehen. In einem Interview meinte er unlängst: »Solange ich lebe, werde ich auch hier sein. Und ich wüsste auch gar nicht, was ich sonst machen sollte.« Es gibt schlechtere Entscheidungen.


Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2022

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Herbert Hacker
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