Spitzenkoch Thomas Dorfer dirigiert seit 2010 die Küche im »Landhaus Bacher«. Maître Johanna Stiefelbauer liest Gästen die Wünsche von den Augen ab – und das seit 42 Jahren.

Spitzenkoch Thomas Dorfer dirigiert seit 2010 die Küche im »Landhaus Bacher«. Maître Johanna Stiefelbauer liest Gästen die Wünsche von den Augen ab – und das seit 42 Jahren.
© Landhaus Bacher

Restaurant-Legenden: Der Reiz der Patina im »Landhaus Bacher«

Das hochdekorierte »Landhaus Bacher« in Niederösterreich will immer noch ein bisschen Wirtshaus für die ganze Familie sein. Spitzenkoch Thomas Dorfer schafft – gleichermaßen innovativ und unprätentiös – den Spagat und füllt dabei auch die großen Fußstapfen seiner Schwiegermutter Lisl Wagner-Bacher.

Die wichtigste Frage stellt die kleine Geburtstagsrunde, die an diesem Tag an einem der Tische im schattigen Garten Platz genommen hat, sofort: »Gibt es heute das gefüllte Ei?« Die Antwort lautet natürlich Ja. Das gebackene Ei mit Sauerrahm und luftigem Kartoffelpüree ist der Klassiker schlechthin. Seit 30 Jahren steht es hier im »Landhaus Bacher« auf der Karte, Modernisierung hin oder her.

Vielleicht ist das – die Liebe zur Tradition, die Innovation mit Bedacht – auch eines der Geheimnisse hinter dem Erfolg des Spitzenlokals, das immer noch ein bisschen Wirtshaus sein will und ist: »Man darf nie am Gast vorbeikochen«, sagt Küchenchef Thomas Dorfer und klingt dabei so, als meine er das auch ernst. Man sehe sich »als Lokal, in das man zu Mittag auch mit der ganzen Familie kommen kann«, so Dorfer. »Die Oma wird mit unserer Karte ebenso glücklich wie das Enkerl oder der Gourmet-Schwiegersohn.«

Dafür sorgen nicht nur vier große Menüs, die man parallel anbietet, sondern auch eine gewisse Flexibilität. Wiewohl er diese, sinniert Dorfer, erst lernen habe müssen: »Früher dachte ich, der Gast muss essen, was ich mir ausgedacht habe. Aber wenn der 85-jährige Opa die Gerichte auf der Speisekarte nicht einmal mehr aussprechen kann, wird er nicht glücklich – und wird das nächste Mal nicht mehr kommen. Wenn er also ein Wiener Schnitzerl haben will, dann soll er eines bekommen. Da fällt mir kein Zacken aus der Krone.«

Dass es sich beim »Landhaus Bacher«, rund 60 Autominuten von Wien entfernt in Mautern in der Wachau gelegen, nicht bloß um ein ordentliches Landwirtshaus handelt, sondern um eine der kulinarischen Ikonen in Österreich, muss man sich an dieser Stelle in Erinnerung rufen. Thomas Dorfer, mittlerweile hoch dekoriert und ausgezeichnet, trat hier 2010 als Küchenchef ein großes Erbe an.

Seine Vorgängerin (und Schwiegermutter) Elisabeth »Lisl« Wagner-Bacher führte das Lokal an die gastronomische Spitze. Wer sie nicht kenne, der »muss sein Leben hinter dem Mond verbracht haben«, ist auf der lokaleigenen Website zu lesen. (Mit kokettem Unterstatement hält man sich also nicht auf. Warum auch?) Tatsächlich gilt Wagner-Bacher als Grande Dame der österreichischen Küche, auch wenn sie die Hoheit über selbige im »Landhaus Bacher« längst an die nächste Generation abgegeben hat. In bestem Einvernehmen, wie man gerne betont. Dorfer regiert in der Küche (»Ich bin fast jeden Tag anwesend«), seine Frau Susanne Dorfer-Bacher ist Gastgeberin und Sommelière.

Urig und gediegen

Die beiden bilden die dritte Generation, die das Landhaus führt. 1947 öffnete es unter Dorfer-Bachers Großvater – er selbst war Sohn einer Fleischerfamilie – seine Pforten. Noch unter anderem Namen, wohlgemerkt (»Zum schwarzen Tor«) und andernorts in Mautern. Das heutige Lokal war bis in die 1990er-Jahre die Sommerresidenz. Mittlerweile finden sich die Gäste ganzjährig hier ein. 18 bis 20 Tische hat man, dazu einen Stammtisch – wir erinnern uns: man ist schließlich ein Wirtshaus – , an dem die Familie ihre befreundeten Gäste und Winzer an gemütlicheren Abenden zum Tratschen lädt. Das Ambiente ist urig und gediegen zugleich, hier regieren gedeckte Farben, ein Kamin und Bücherregale fügen sich nahtlos an moderne Kunst. In Kürze, verrät Dorfer, stehe ein Facelift an. Mit Augenmaß.

Selbiges hat der gebürtige Kärntner in den vergangenen Jahren in der Küche des »Landhaus Bacher« bewiesen, die er scheinbar mühelos in die Moderne geführt hat. Saisonalität ist ihm wichtig, auch Regionalität gehört dazu. »Aber nicht dogmatisch. Wir verkochen auch gerne Kaisergranat oder Austern, weil es tolle Produkte sind.« Er wolle, sagt Dorfer, »eine leichte, abwechslungreiche Küche bieten, die sich von Gang zu Gang steigert«. Immer im Zentrum seines kulinarischen Schaffens: das gekonnte Spiel von Süße und Säure.

Ganz besonders gelingt ihm das derzeit vielleicht beim Kaisergranat, der mit gepickelter Zerbinatimelone, Aromen von Verjus und Kaffirlimette sowie Chili-Krabben-Mayonnaise kommt. Und mit einem leicht gebundenen Krustentierfond als kongenialem Partner. Auch die Entenleber mit Cassis-Shiso-Saft sowie das holzkohlegegrillte Spitzkraut mit Räucheraal und kandierten Weintrauben überzeugen. »Es muss spannend bleiben«, sagt Dorfer. Einen Anspruch, den er und sein 14-köpfiges Küchenteam einlösen.

Für Neues benötigt der Küchenchef, der einst in Sydney, St. Moritz und im Restaurant »Bareiss« im deutschen Baiersbronn bei Claus-Peter Lumpp kochte, übrigens seine Ruhe. »Das brauche ich für meine Kreativität.« Die Basis neuer Kreationen: die klassische Küche im Hinterkopf, gutes Handwerk und mächtige Saucen, die er gerne »zeitgemäß, nicht so voluminös« umsetzt. Davon profitiert derzeit der Rehbock Bordelaise, zu dem Dorfer eine »Sauce Poivrade« reicht.

Dass alles reibungslos läuft, dafür sorgt das eingespielte Team. An den Tischen – man ist ja ein Wirtshaus! – hat auch ungezwungener Smalltalk Platz. Seine Gäste kennt man eben, dafür sorgt nicht zuletzt Maître Johanna Stiefelbauer, die dem Landhaus seit vielen Jahren (»Ich bin im 42. Lehrjahr«, sagt sie selbst mit Augenzwinkern) die Treue hält. Der jüngste Neuzugang ist die gebürtige Argentinierin Ivanna Kuspita, die als Chefsommelière die Verantwortung für das Pairing übernimmt.

Was bringt die Zukunft? Eine Expansion, weitere Standorte? Nein, all das ist nicht geplant. »Der Erfolg des Landhaus Bacher lässt sich nicht transportieren«, sagt Dorfer. »Es lebt von der Patina des Hauses, von der Gemütlichkeit, vom Team.« Und ja, das ­gefüllte Ei, das wird es weiterhin geben.

Zu Gast im »Landhaus -Bacher«

Das »Landhaus Bacher« im niederösterreichischen Mautern am Eingang der Weinregion Wachau wird seit 1947 als Familienbetrieb geführt, mittlerweile in dritter Generation. Die Öffnungszeiten wechseln saisonal, von Donnerstag bis Samstag hat man jedenfalls zur Mittagszeit und abends geöffnet. Neben vier großen Menüs von klassisch bis vegetarisch (je sechs Gänge, zusätzlich kann man vom Käse wählen) gibt es einen Mittagstisch mit kleinem Menü und À-la-carte-Klassikern wie dem Beef Tatar. Das Restaurant verfügt über eine umfangreiche Weinkarte. Für all jene, die nächtigen wollen, stehen rund ein Dutzend Gästezimmer in familiärer Atmosphäre (inklusive Frühstücksbuffet) zur Verfügung.

Im Falstaff Restaurantguide 2023 erhielt das »Landhaus Bacher« 99 Punkte.

Landhaus Bacher
Südtiroler Platz 2, 3512 Mautern
T: +43 2732 82937, landhaus-bacher.at


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Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2023

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Christoph Schwarz
Christoph Schwarz
Chefredakteur
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