Rustikales Weinhaus mit Küche auf höchstem Niveau: »Weinhaus Henninger«.

Rustikales Weinhaus mit Küche auf höchstem Niveau: »Weinhaus Henninger«.
Foto: beigestellt

Die »Deutsche Weinstraße«: Pfälzer Lebenskunst

In das sattgrüne Hügelland der Pfalz lockt nicht nur ausgezeichneter Wein, sondern auch eine kreative Spitzenküche. Eine kulinarische Reiseroute.

Die Sonne macht’s: Rund 1800 Stunden pro Jahr scheint sie und lässt in der Pfalz ein fast mediterranes Klima entstehen. Es reifen Kiwis und Zi­tronen – und Jahr für Jahr kommen prachtvolle Weine in die Fässer. Die »Deutsche Weinstraße« zieht sich 85 Kilometer durch dieses heitere Hügelland am linken Rheinufer – von Schweigen an der Grenze zum Elsass bis nach Bockenheim westlich von Ludwigshafen. Uralte Städte und Winzernester aus Sandstein und Fachwerk reihen sich aneinander. Spätestens zu Ostern stellen Wirte und Winzer die ersten Tische ins Freie. Barocke Lebenslust bricht dann aus. Wenn Pfälzer feiern, dann richtig!

Ob im Gutsausschank oder im Gasthaus, ob in der Weinstube, der Wein-Bar oder der Vinothek – die Pfälzer Weine begleiten geschmeidig eine selbstbewusste Regionalküche, die dennoch kein bisschen altmodisch wirkt. Wild und Forellen kommen vorzugsweise aus dem Pfälzer Wald, Obst und Gemüse direkt vom Erzeuger des Vertrauens. Eine Reise durch die Pfalz bedeutet: Genuss auf dem Teller und im Glas.

Des Pfälzers Glück

Es lohnt, eine Pfalz-Gourmetreise im beschaulichen Kallstadt zu starten. Denn hier präsentiert sich die regionale Küche von ihrer besten, traditionellen Seite. Seit Generationen genießt das »Weinhaus Henninger« einen guten Ruf. Neuen Schwung bringt gerade ­ein junges Team um Besitzer Jochen Lampert und Geschäftsführer Christian Jegensdorf in die 400 Jahre alte Herberge. Schon die legendäre Wirtin Luise Henninger verwöhnte ihre Gäste mit »Henningers Pfälzerglück«: Bratwurst, Saumagen und zwei Leberknödel mit Zwiebeln auf Sauerkraut. Wahrlich nichts für schwache Esser.

Der jetzige Küchenchef Tommy Walter bietet auch eine leichte und charmant ser­vierte Jahreszeiten-Küche an – dazu Weine von den dreißig besten Winzern der Pfalz. Aufwendig gestaltete Zimmer begeistern mit zeitlosem Design, in der Weinbar brennt noch echtes Kaminfeuer, und gleich hinter dem Haus wogt bergan das grüne Meer der Reben.

Weiter geht es nach Wachenheim. Etwa zum Weingut Dr. Bürklin-Wolf, das in seinem rustikalen »Hofgut Ruppertsberg« moderne, saisonale Spitzenküche von Jean-Philippe Aiguier kredenzt. Anderswo geht es deftiger zu. Ein Stück Pfälzer Saumagen zu verzehren, gilt hier längst nicht mehr als Mutprobe. Metzgermeister Klaus Hambel versorgt das 5-Sterne-Hotel »Deidesheimer Hof« – wie schon sein Vater zuvor – mit dem Leibgericht.

Und weil seinen Kunden beim Anblick all der köstlichen Würste und Schinken immer das Wasser im Mund zusammenläuft, können sie nun auch in »Hambels Restaurant« nebenan panierte Dosenbratwurst, Rumpsteak und ganz frischen Saumagen essen. Der Laden brummt! Lange Zeit schleppte Bundeskanzler Helmut Kohl seine Staatsgäste in den »Deidesheimer Hof« zum rituellen Pfälzer Schmaus. In den zehn Stuben, die zum Hotelrestaurant »St. Urban« gehören, bekommt man neben schönen Saisonmenüs noch den kleinen Saumagen für zwei (500 Gramm) oder den »Strudel à la Boris Jelzin« mit Blut- und Leberwurst auf Apfel-Meerrettich-Gemüse, Preiselbeeren und Senfjus. Die Weinauswahl reicht weit über die Pfalz hinaus.

© Johannes Hirsch

Im Luxushotel »Ketschauer Hof«, eben­falls in Deidesheim, hat man sich jüngst etwas Neues einfallen lassen, um Gäste in den ein­s­tigen Herrensitz der Winzerdynastie Bassermann-Jordan zu locken. Der hochkarätige Sternekoch Alfred Friedrich aus Linz kann sich im neuen »Bistro 1718« einen Traum erfüllen: In einem trotz Stuck und Kachelofen modern gestyltem Wirtshaus tischt er seine ganz eigene österreichische Küche auf – pur, lustvoll und aromensatt. Von der Terrasse blickt man in einen hübschen Park, eingerahmt von der Deidesheimer Stadtmauer. Nächste Station: Frankweiler ist eines der schönsten Winzernester der Südpfalz. Und unkompliziert wie in einer »Trattoria Tos­cana« geht es in der urigen »Weinstube Brand« zu. Patron Christian Knefler kocht selbst und würzt beherzt. Seine Frau Eva-Maria serviert mit robustem Charme, was man von der Schiefertafel bestellt. Gutes ­Beispiel: ein kross gebratenes, saftiges Spanferkel in sämiger Rotweinsauce mit Serviettenknödeln, dazu fein gekräuterte Blattsalate. Und im Sommer sitzt man gern im schattigen Innenhof.

Nicht weit von hier, im idyllischen Maikammer, ist die »Dorfchronik« ein weiteres Juwel. Die hübsche Weinstube gehört dem Winzerpaar Marion und Stefan Schwaab. Die Küche übertrifft alle Erwartungen, etwa mit hausgemachter Entenleberterrine und geduldig geschmorten Ochsenbäckchen in Rotweinsauce.

Ein Abstecher nach Dernbach muss sein. Denn in einem grünen Tal, nur zwanzig Autominuten westlich von Landau, versteckt sich das urgemütliche »Restaurant Schneider«. Familie Roth-Püngeler hat das Wirtshaus seit 1884 zu einem der besten Adressen der Region hochgekocht. Petra Roth-Püngeler ist Köchin mit Leib und Seele. Köstlich ihre Wildkraftbrühe vom Pfälzer Reh mit Steinpilzravioli – und erst die halbe Bauernente mit Rotkohl, Maronen und Pilzen! Ein besseres Apfelsorbet muss man auch lange suchen. Der gut sortierte Weinkeller bietet dem Kenner alles, was in der Pfalz Rang und Namen hat. Man fühlt sich sauwohl, wird nett verwöhnt – und keineswegs arm dabei. Und bedauert nur, dass solche Gasthäuser so selten geworden sind.

Highlights im Süden

Jetzt aber nach Landau, ins Herz der Südpfalz. Hier wurde aus einer leer stehenden Franzosen-Kaserne das spektakuläre »Weinkontor Null41« geschaffen. In diesem Gesamtkunstwerk aus Architektur und Kulinarik wird Weingenuss zum coolen Erlebnis. Hier kann man sich durchkosten, es wird gelacht und gefeiert. Zur spannendsten Weinkarte der Region passen die kreativen Menüs.

Die »Krone« in Herxheim-Hayna, west­­lich von Karlsruhe, beschließt die Reise. Am schmucken Fachwerk-Ensemble der Familien Kuntz und Schlindwein darf niemand vorbei, der die Pfalz von ihrer besten Seite kennenlernen will: ein herzlicher Empfang, elegante Zimmer, ein königliches Frühstück. Die meisten Gourmets kommen aber, um die »Kuntz-Stückchen« von Chefkoch Karl-Emil Kuntz zu genießen. Seine umwerfenden Menüs ziert seit dreißig Jahren ein Michelin-Stern – längst hätte die Küche aber schon einen zweiten verdient! In seinen »Pfälzer Stuben« bekommt der Gast das ultimative Saumagen-Carpaccio auf Krautsalat oder eine geradezu artistische Variation von der Forelle. Kuntz ist einfach der beste Koch der Pfalz. Die schier unglaubliche Weinkarte mit Pfälzer Topwinzern wäre ein weiterer Grund, hier in der Südpfalz nicht nur einen unvergesslichen Abend, sondern gleich ein entspanntes Wellness-Wochenende zu verbringen. Das Elsass kann warten!

Aus Falstaff Magazin Nr. 04/2016

Stephan Clauss
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