Tasting vom 01.01.2018
Nicht weniger als 30 Jahrgänge des bekannten Pomerol-Weingutes Vieux Château Certan hatten die Mitglieder der legendären „Linzer Runde“ aus ihren Kellern in Günter Hagers „Josef“ mitgebracht, um diesem Rotweinjuwel in all seinen Reifefacetten im Rahmen ihrer alljährlichen Raritätenprobe auf den Grund zu gehen.
Das traditionsreiche Weingut ist wie alle Betriebe im Pomerol nicht offiziell klassifiziert. Wenn man Pétrus, Le Pin und Lafleur als Spitzengewächse der Appellation taxiert, dann reiht sich Vieux Château Certan gemeinsam mit L’Évangile und L’Eglise-Clinet und Trotanoy gleich dahinter ein. Der Weingartenbesitz besteht aus 14 Hektar in einem einzigen Block am sogenannten Plateau von Pomerol und ist zu 70% mit Merlot, 25% Cabernet Franc und 5% Cabernet Sauvignon bepflanzt, das Durchschnittsalter der Reben liegt bei beachtlichen 50 Jahren. Vinifiziert werden die Weine seit 1985 von Alexandre Thienpont, der dabei bereits von Sohn Guillaume tatkräftig unterstützt wird. Das Credo der beiden Winzer ist simpel: Wir greifen so wenig ein wie nur möglich. Der Wein aus diesem besonderen Terroir soll seine eigene Geschichte erzählen und nicht die unsere.
Die Familie Thienpont stammt aus Belgien, wo Camille Thienpont im Jahr 1842 ein Weinhandelsunternehmen gründete, das bis heute besteht. In den frühen Neunzehnhundertzwanziger Jahren erwarb die Familie Vieux Château Certan in Pomerol und Château Troplong-Mondot in Saint-Émilion, das aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Dreißigerjahre wieder abgegeben werden musste. Heute gehören zahlreiche Weingüter am rechten Ufer verschiedenen Mitgliedern der weitverzweigten Familie. Das bekannteste davon ist auch das kleinste - nämlich Le Pin in Pomerol, das von Jacques Thienpont geführt wird. Cousin Nicolas ist für Weine wie Pavie-Macquin und Larcis-Ducasse in St. Emilion verantwortlich. Bei Vieux Château Certan ist seit 1998 eine enorme Qualitätssteigerung zu beobachten, die in den jüngsten Spitzenjahrgängen ihren bisherigen Höhepunkt gefunden hat. Zuletzt wurde die Fassprobe des Jahrgangs 2016 mit 100-Punkte-Potenzial eingestuft.
Notizen von Peter Moser.