Bordeaux en Primeur Jahrgang 2023: Alles eine Frage des Timings 

Der Jahrgang 2023 im Weingarten machte es den Winzern alles andere als leicht. Abgesehen vom Terroir, das in Jahren mit mehr Niederschlägen immer wichtig ist, waren es die Entscheidungen, wann was zu geschehen hatte, die den Ausschlag für den Erfolg gaben.

Einem eher trockenen, kalten Winter folgte bereits Anfang März ein markanter Temperaturanstieg, der Austrieb startete etwas verspätet mit Beginn April, was die Gefahr von Frühfrost verringerte. Der Frühling verlief eher kühl, dafür regenreich, im Juni stiegen die Temperaturen überdurchschnittlich an und in einer Art tropischen Klima entstand ein gewaltiger Druck durch Mehltau. Das Wachstum der Reben war enorm, mit mehr als 2° Celsius über den langjährigen Durchschnitt war es der wärmste je gemessene Juni in Bordeaux  Die Blüte verlief Ende Mai sehr schnell und homogen, was für einen reichen Fruchtansatz und potenziell für eine gute Erntemenge sorgte. 

 Es folgte ein warmer, aber nicht heißer Juli ohne jeden echten Wassermangel. Die Himmel allerdings zeigte sich meistens bedeckt, der Wachstum war gut, die Reben stand dank wiederkehrenden Niederschlägen unter geringem Wasserstress. Mitte Juli begannen sich die Trauben der roten Sorten zu verfärben. Das Wachstum der Reben ging in den meisten Terroirs noch weiter. Der August begann recht stürmisch, Mitte des Monats änderten sich die Bedingungen drastisch, Ende August und Anfang September sorgten zwei kurze Hitzewellen dafür, dass sich das Blatt nochmals wendete, denn nun wurden die Trauben einer markanten Konzentration unterzogen. 

Von grünen Nuancen bis zu weitmaschigen Weinen

Der Sommer unterstützte die Ausbildung von gesunden und reifen Trauben in reichlicher Menge. Generell waren die Trauben dank der günstigen Bedingungen zum Erntezeitpunkt gesund, für die Weißweine wurde bereits Ende August gelesen, der Merlot machte bei den Roten um den 5. September am rechten Ufer den Anfang, der Cabernet Franc zwei Woche später mit optimaler Reife geerntet werden.  Insgesamt lagen die Zuckerwerte wegen der meist größeren Beeren etwas unter dem Vorjahr 2022, was zu weniger Alkohol führte, dafür haben die Rotweine eine gute Säure und eine beachtliche Farbe.

 Für jene Winzer, die zuwarteten, galt es zu beachten, dass die Reben begannen, die Trauben wieder schrumpfen zu lassen, weil sie diesen wegen der Hitze etwas Wasser entzogen, was die Erntemenge reduziert. Neben der relativen Zuckermenge, die dadurch zulegte, spielt die Tanninreife die wesentliche Rolle – und jetzt war die Erfahrung der Winzer gefragt, den richtigen Erntezeitpunkt zu wählen. Wer also zu früh dran war, riskierte grüne Nuancen in der Tanninstruktur, wer der Nerven behielt, wurde belohnt, jene, die zu spät ernteten, haben weniger Säure und Frische und gekochte Fruchtnote in tendenziell weitmaschigeren Weinen.

Gesund, mit guter Aromatik

 Die ab Ende August weißen Trauben, idealerweise vor der zweiten Hitzespitze Anfang September gelesen, waren gesund, mit guter Aromatik ausgestattet und zeigen eine angenehme Säurebalance. Ab Mitte September sorgten Regenfälle in Sauternes für das erwünschte Auftreten einer verbreiteten Botrytis, die reife gesunde Trauben befiel. Nach der Rückkehr des Schönwetters mit trockenen und heißen Bedingungen wurde die Konzentration der Beeren zusätzlich beschleunigt. Es folgten zwei Erntewochen mit Trauben reich an Zucker, aber auch Säure, was sich in opulenten Süßweinen widerspiegelt.

Das System »En Primeur« auf dem Prüfstand

Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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